McLaren-Comeback verzögert sich
McLaren hätte in den nächsten Jahren gerne den Anschluss zu den Top-Teams hergestellt. Doch nach Ansicht von Teamchef Andreas Seidl wird sich die Rückkehr ins Spitzenfeld der Formel 1 durch die Corona-Krise noch etwas verzögern.
Seit knapp einem Jahr schwingt Andreas Seidl nun schon das Zepter bei McLaren. Seitdem weht in der Fabrik in Woking ein anderer Wind. Ingenieure dürfen nun bei der Entwicklung größere Risiken eingehen. Fehler sind wieder erlaubt. Und auch nach außen tritt der Traditionsrennstall viel offener und selbstbewusster auf, was sicher auch am sportlichen Aufschwung in der Saison 2019 liegt.
Mit Platz vier in der Teamwertung gibt sich die neue Führungsriege aber längst nicht zufrieden. Ein großer Mosaikstein im Comeback-Plan war die Einführung der neuen Technik-Regeln im Jahr 2021, für die Andreas Seidl gegen den Widerstand einiger Konkurrenten viel Lobby-Arbeit hinter den Kulissen betreiben musste.
Doch dann warf Corona den schönen Plan über den Haufen. Die neuen Autos kommen nicht wie ursprünglich geplant 2021, sondern erst ein Jahr später. "Es ist bekannt, dass wir ein großer Freund der neuen Technik-Regeln sind, weil sie uns auf dem Weg nach vorne in der Startaufstellung helfen sollten. Aber wir haben absolut unterstützt, dass sie nun aus Kostengründen um ein Jahr verschoben worden sind", erklärt Seidl, der sich aktuell im Home Office in Bayern befindet.
Infrastruktur-Projekte liegen auf Eis
Wie sich die Fortführung des alten Reglements um ein weiteres Jahr genau auswirken wird, kann noch niemand sagen. Seidl geht aber fest davon aus, dass es sich für seinen Rennstall nicht zum Vorteil entwickelt: "Durch die Verschiebung der neuen Regeln wird es für uns definitiv eine Verzögerung geben auf der Reise zurück ins Spitzenfeld."
McLaren wird aber nicht nur durch die Verschiebung der neuen Autos ausgebremst. Auch geplante Investitionen in die Leistungsfähigkeit der Fabrik in Woking liegen aktuell auf Eis: "Wir haben gerade bei den verschiedenen Infrastrukturprojekten einen Stillstand, was zum Beispiel den Bau des Wind.anals und des Fahrsimulators angeht", bedauert Seidl.
Der Passauer sucht aber nicht nach Ausreden, für den Fall, dass es nicht so gut laufen sollte. Er schickt auch einen Appell an seine Belegschaft. Der Rückstand zu den Top-Teams rühre nicht nur aus den unterschiedlich großen Budgets und den Regularien. "Sie haben einfach eine bessere Arbeit abgeliefert. Und darauf müssen wir uns als McLaren jetzt konzentrieren und Stück für Stück die To-Do-Liste abarbeiten."
Baustelle Mercedes-Motor
Man habe bereits einen klaren Plan für den Wiederaufstieg ausgearbeitet. Der wurde jetzt zwar kurz durch die Corona-Pandemie unterbrochen, er soll aber sofort wieder angegangen werden, sobald das Virus überstanden ist und die Angestellten an ihre Arbeitsplätze zurückkehren können.
Die erste Baustelle, die dann auf die Ingenieure wartet, betrifft den Motor. Laut Seidl war der ganze Entwicklungsplan dieses Jahr darauf ausgerichtet, den Wechsel des Antriebslieferanten mit dem Wechsel auf die neuen Technik-Regeln zu kombinieren. Nun muss umdisponiert werden.
Weil sich die Teams aus Kostengründen darauf verständigt haben, in der kommenden Saison mit dem 2020er Monocoque weiterzufahren, muss der neue Mercedes-Motor mit dem alten Chassis verheiratet werden, das ja eigentlich auf die Besonderheiten des Renault-Aggregats zugeschnitten ist. Nur durch eine Ausnahmegenehmigung darf McLaren das homologierte Bauteil anpassen.
FIA überwacht Chassis-Änderungen
Die Corona-Pause verhindert jedoch, dass die komplizierte Aufgabe schnell abgeschlossen wird: "Durch den Shutdown bei uns und auch bei Mercedes pausiert das ganze Projekt aktuell", bedauert Seidl. Erst nach der Zwangspause kann das Projekt starten. Der Weltverband wird den Ingenieuren dabei ständig über die Schulter schauen.
"Die FIA wird genau überwachen, wie die Integration ins Chassis im Detail aussehen wird", erklärt Seidl. "Es ist klar, dass wir wirklich nur das ändern dürfen, was absolut notwendig ist, um den Mercedes-Antrieb zu integrieren. Die FIA stellt sicher, dass wir keine anderen Bereiche anfassen, die uns Performance bringen könnten."