Formel 1 Getriebe-Misere
Nico Rosberg und Sebastian Vettel haben das Getriebe wieder in die Schlagzeilen gebracht. Weil es ihnen auf unterschiedliche Weise Strafen eingebrockt hat. Doch warum gehen plötzlich wieder so viele Kraftübertragungen kaputt?
In den letzten Jahren stand der Motor im Mittelpunkt. Um die Schnellschaltgetriebe kümmerte sich keiner. Obwohl auch sie ein Stück Hightech sind. Doch es gibt sie schon seit 2005. Da wurden die Kraftübertragungen, die ohne Zugkraftunterbrechung hochschalten, bereits ein Stück Normalität. Das ist seit dem GP England anders. Plötzlich steht das Getriebe im Mittelpunkt und stiehlt der Hybridtechnik für einen Moment die Show.
Es begann mit einem doppelten Getriebeschaden bei Sebastian Vettel. Der am Freitag blieb noch ohne Folgen. Der am Samstag schickte ihn zu dritten Mal nach Sochi und Spielberg um 5 Startplätze zurück. Es passierte immer beim Hochschalten in der Zielkurve. Auch Kimi Räikkönen hat es schon erwischt. Der Finne verlor in Monte Carlo 5 Startplätze. Mit einem identischen Schaden wie bei Vettel in Silverstone. Ferrari vermutet ein Materialproblem.
Zu viel Drehmoment für den 7. Gang
In dieser Saison sind bereits 5 Fahrer mit Getriebeschäden ausgefallen, 3 davon in Silverstone. 13 Piloten erwischte es im Qualifying, was eine Strafversetzung in der Startaufstellung zur Folge hatte. Nico Rosberg könnte der nächste sein. Mercedes wird es erst in Ungarn genau wissen. Bis dahin ist das Getriebe versiegelt. Rosberg spielt den Optimisten: „Ich habe großes Vertrauen in mein Team.“
Vertrauen hin oder her: Wenn der ominöse 7. Gang, den Rosberg ab der 46. Runde nicht benutzen konnte, defekt ist, dann hilft ihm auch das beste Team der Welt nichts mehr. Die Ingenieure machten am Abend des Silverstone-Rennens einen eher pessimistischen Eindruck. Weil sie wissen, wie heikel diese Schnellschaltgetriebe sind.
Nach dem Rennen kam die berechtigte Frage auf, warum Rosberg nicht einfach im 7. Gang weitergefahren ist. Die Motoren hängen heute so gut am Gas, dass eine Gangstufe manchmal bis zu 80 km/h abdeckt.
Und war Michael Schumacher 1994 nicht den halben GP Spanien mit dem 5.Gang unterwegs und wurde immer noch Zweiter? „Das ist heute nicht mehr möglich“, winken die Mercedes-Ingenieure ab. „Die aktuellen Motoren haben viel zu viel Drehmoment, als dass ein kleiner Gang wie der siebte das Überleben würde.“
Motoren stärker, Getriebe kompakter
Genau deshalb gab der Kommandostand Rosberg auch genaue Anweisungen, wie er das Auto am sichersten über die letzten 6 Runden bringen sollte. „Wenn ein Getriebe in einem Gang feststeckt, ist es hoch belastet. Es wäre sehr unwahrscheinlich gewesen, dass er das Rennen damit beendet. Er musste aus dem Gang raus. Beim Überspringen muss der Fahrer aufpassen, dass er so kurz wie möglich im siebten Gang bleibt. Und dann gibt es immer noch keine Garantie, dass alles hält.“
Was zu der Frage führt, warum gerade jetzt die Zahl der Getriebeprobleme so sprunghaft ansteigt. Das hat viel mit den Motoren zu tun, die immer mehr an Power und Drehmoment zulegen. Auf der anderen Seite werden die Kraftübertragungen im Sinne der Aerodynamik immer kompakter und schlanker. Deshalb gibt es auch beim geringsten Unfall keinen Spielraum. Sobald das Heck seitlich eine Absperrung berührt, beschädigt die Antriebswelle die Innereien des Differentials.