Plattfuß-Timing nicht nur Glück

Lewis Hamiltons Traum von der Titelverteidigung hätte in Silverstone einen herben Dämpfer bekommen können. Doch Herausforderer Bottas wurde vom Reifenpech deutlich härter getroffen. Nach Ansicht Hamiltons war dabei nicht nur Glück im Spiel.
Wer soll diesen Lewis Hamilton./span> in diesem Jahr noch aufhalten? Beim ersten Rennen in Spielberg hatten die neutralen Fans noch auf eine spannende WM hoffen dürfen. Doch auf Platz vier beim Saisonauftakt folgten drei Siege des Weltmeisters in Folge. Der Vorsprung an der Spitze der Fahrerwertung wuchs auf komfortable 30 Zähler an.
In Silverstone machte es Hamilton wenigstens etwas spannend. Als der Mercedes mit der Startnummer 44 in der Schlussrunde in den Luffield-Komplex einbog, platzte plötzlich der linke Vorderreifen. Wie ein echter Champion behielt Hamilton in der Notsituation einen kühlen Kopf.
Obwohl sein waidwunder Silberpfeil kaum noch in der Spur zu halten war, verstellte der Pilot ein paar Meter später in der "Copse-Kurve" am Lenkrad noch ein paar Setup-Einstellungen, um das Fahrverhalten zu verbessern. Am Ende schleppte sich der Lokalmatador mit 5,8 Sekunden Vorsprung vor Verstappen über die Linie.
Ernst der Lage erst später klar
"Mein Ingenieur hat mir immer den Abstand zu Max runtergebetet. Am Ende habe ich einfach nur noch Gas gegeben", erinnert sich Hamilton. "Im Moment des Reifenplatzers war ich zunächst eigentlich relativ cool. Erst bei den Pressekonferenzen und beim Blick auf die Bilder wurde mir dann später klar, was mir da widerfahren ist. Das habe ich erst mit etwas Verzögerung realisiert."
Hamilton fühlte sich an eine Episode seiner frühen Motorsport-Laufbahn erinnert: "Ich hatte mal ein Rennen der britischen Formel Renault auf der Strecke in Croft. Da ist mir in der letzten Runde die Aufhängung hinten gebrochen. Und das Vorderrad auf der gegenüberliegenden Seite hing in der Luft. Aber das hier war sicher das dramatischste Ende eines Rennens, an das ich mich erinnern kann."
Teamkollege Bottas hatte das Reifenpech schon zwei Runden früher ereilt. Und dazu auch noch deutlich früher auf der Strecke, kurz vor der Zielkurve, was einen langen Weg zurück an die Boxen bedeutete. Laut Hamilton war beim Timing der Reifenplatzer aber nicht nur Glück im Spiel.
"Valtteri hat in den frühen Phasen der Stints immer viel Druck gemacht. Ich wusste, dass seine Reifen irgendwann abbauen werden", erklärte der Sieger. "Ich konnte sehen, dass er die Reifen nicht so gemanagt hat, wie es eigentlich nötig ist. Dann ist die Lücke irgendwann aufgegangen."
Hamilton glaubt an Fremdkörper im Reifen
Während Bottas vor dem Gummi-Schaden schon mit Vibrationen zu kämpfen hatte, deutete sich der Platzer bei Hamilton nicht an: "Ich hatte leichte Blasenbildung am rechten Vorderrad. Damit bin ich aber schon eine ganze Weile gefahren und hatte keine Vibrationen gespürt. Das Problem kam deshalb völlig überraschend. Ich dachte eigentlich, dass ich noch genügend Reserven im Reifen habe", so Hamilton.
"Ich bin schon gespannt, was die Analysen ergeben. Ich glaube daran, dass eher Trümmerteile verantwortlich für den Platzer waren. Kimi ist mir in einer Runde ohne Frontflügel begegnet. Dann gab es noch Carbonsplitter von den frühen Crashs in Maggotts und Becketts. Da wurde die Strecke nicht richtig gereinigt."
Teamkollege Bottas hatte ebenfalls eine gute Erklärung parat, warum sein linker Vorderreifen frühzeitig das Zeitliche segnete. "Ich war in Sachen Pace nicht weit von Lewis entfernt. Wenn man so dicht hinterherfährt, dann verliert man in den Kurven natürlich immer etwas Abtrieb. Dadurch rutscht man und strapaziert die Reifen mehr."
Bottas verliert Anschluss
Obwohl nur wenige Sekunden zwischen den beiden Reifendefekten lagen, fielen die Folgen gravierend aus. Hamilton vergrößerte sein Punktepolster um 25 auf nun 30 Zähler. "Es ist natürlich nicht ideal, wie es momentan aussieht. Aber wenn sich die Pläne für den Kalender nicht ändern, sollte es noch mindestens zehn Rennen geben", analysierte Bottas die Situation nüchtern.
"Ich habe heute viele Punkte verloren. So etwas kann man sich normalerweise nicht leisten. Lewis hatte ein gutes Rennen, aber am Ende hatte er sicher auch Glück. Ich muss das jetzt hinter mir lassen und positiv bleiben. Wenn ich den Titel jetzt abschreibe, dann wäre er mit Sicherheit schon verloren. Ich muss weiter daran glauben. Man weiß ja nicht, was noch passiert."
Bottas weiß auch schon, wo er zuerst ansetzen muss: "Gestern war Lewis etwas schneller im Qualifying. Das hat mich wohl heute das Rennen gekostet. Vielleicht wäre es sonst genau andersherum gekommen, wenn ich auf Pole gestanden hätte. Ich muss jetzt Rennen für Rennen angehen, mir Pole Positions und Siege sichern. Das ist meine einzige Chance."