Streit um Racing Point-Upgrades
Racing Point kommt nicht zur Ruhe. Der Protest von Renault ist noch nicht vom Tisch, da laufen die anderen Teams schon wieder Sturm gegen die Mercedes-Kopie. Es geht um ein Schlupfloch bei der Homologation.
Alle gegen Racing Point. So könnte man im Moment die Stimmung im Fahrerlager beschreiben. Renault hat gegen den Rennstall aus Silverstone mit seinem Protest bereits kräftig gezündelt. Jetzt richtet sich der Ärger der Konkurrenz gegen die Outlaws von Silverstone auf die Homologationsregel.
Im Zuge der Sparmaßnahmen hatte die FIA insgesamt 40 Bereiche am Auto und der Boxenstopp-Ausrüstung auf die Homologationsliste gesetzt. Sie dürfen bis Ende 2021 nicht modifiziert werden. Nur die Aerodynamik ist davon nicht betroffen.
Um den Team Luft zum Korrigieren zu geben und das Kräfteverhältnis nicht total einzufrieren, bekommt jedes Team zwei Token. Jeder darf sich individuell eine oder zwei Komponenten heraussuchen, an denen er weiter entwickeln will. Der Umfang der gewählten Teile bestimmt, wie viele Token angerechnet werden.
Wer zum Beispiel die komplette Vorderradaufhängung wählt, hat sein Token.Soll ausgeschöpft. Ist es nur die Radnabe, hat man noch einen zweiten Token für ein ähnlich kleines Detail zur Verfügung.
Natürlich suchen sich die Teams bei der Wahl der Token die Schwachstellen ihrer Autos aus. Wer einen kapitalen Bock in seinem Fahrzeug hat und an der Nase des Autos und am Getriebe operieren müsste, hat nun die Qual der Wahl.
Die FIA hatte den Teams drei Fristen gesetzt, ihre Token anzumelden. Die erste lief schon vor dem Saisonstart, zwei Wochen nach Beendigung der 63-tägigen Sommerpause aus. Die zweite endet am Mittwoch nach dem GP Ungarn. Der letzte Termin, an dem die Teams dann Details der zuvor angemeldeten Änderungen der FIA melden müssen, liegt 60 Tage nach der ersten Frist.
Token für Vorjahres-Teile?
Die Regeln können noch so gut geschrieben sein, ein Schlupfloch findet sich immer. Und das macht sich wieder einmal Racing Point zunutze. Und die Konkurrenz kocht. Der Knackpunkt ist, dass Racing Point nicht Teile vom aktuellen Mercedes einkauft, sondern vom Auto des Vorjahres.
Getriebe und Aufhängung stammen direkt aus dem Mercedes W10. Haas und Alfa Romeo gehen zwar auch shoppen, doch ihre eingekauften Teile stammen vom aktuellen Ferrari. Der Teile-Austausch zwischen Red Bull und Alpha Tauri ist ein Mix aus alt und neu.
Racing Point genießt aus seiner Strategie, den Vorjahres-Mercedes zu kopieren, bei der Homologation einen Vorteil. Wenn sich das Team 2021 an den Silberpfeil von 2020 anlehnt, bekommen sie die Evolutionen am Getriebe und den Aufhängungen quasi gratis.
Technikchef Andy Green erklärt warum: "Unsere Absicht war immer, dass wir für unser 2021er Auto die Melbourne-Spezifikation des 2020er Getriebe von Mercedes nehmen. Wir hinken immer ein Jahr zurück. Mercedes hat auf das 2020er Getriebe keine Token verwendet, also kann man uns auch keine anrechnen." Das gleiche gilt für die Aufhängungen.
Würden Racing Point dafür Token angerechnet, wären sie in der Klemme. Sie müssten auf eine der beiden Übernahmen verzichten. "So geht es uns. Warum sollte Racing Point anders behandelt werden", ärgert sich Haas-Teamchef Guenther Steiner. Die Ferrari.Kunden stecken in der Falle. Sie müssen abwarten, wie sich der große Bruder entscheidet und dessen Wahl mittragen, sofern es sich um ein Teil handelt, dass sie einkaufen.
Angst vor starken Racing Point
Die Konkurrenz schäumt. Ferrari.Teamchef Mattia Binotto kündigt Gesprächsbedarf an: "Wir haben unsere Token bereits angemeldet. Ein Punkt in diesem Homologationsprozess muss aber noch angesprochen werden. Wir sind nicht glücklich damit, dass es Teams gibt, die ihr ganzes Paket von einem 2019er auf ein 2020er Auto verbessern dürfen. Das ist unfair gegenüber denen, die nur zwei Teile anfassen dürfen. Dieses Limit sollte für alle gelten." Ohne Namen zu nennen war klar, wen Binotto meint. Racing Point und zu einem Teil auch Alpha Tauri.
Renault-Tecxhnikchef Marcin Budkowski teilt die Sorgen von Ferrari. "Leider hat diese Regel ein Schlupfloch, das es zwei Teams erlaubt, von diesem System zu profitieren. Wir müssen das noch einmal mit der FIA und den anderen Teams diskutieren."
Das Problem liegt auf der Hand. Da schwingt die Angst mit, dass Racing Point über den Winter den größten Schritt aller Teams machen wird. Weil ihre Vorlage der beste Mercedes ist, den es je gab. Und weil der künftige Aston Martin-Rennstall dann noch Token zur freien Verfügung hat ohne für das Getriebe und die Aufhängung des 2020er Mercedes belangt zu werden. Unter den Voraussetzungen könnte Racing Point 2021 sogar Red Bull gefährlich werden.