Kehrtwende im Motorenstreit
Die Motorenhersteller haben eine Kehrtwende gemacht. Sie wollen bei den Motoren ab 2021 nun doch nicht auf die MGU-H verzichten und mit der FIA weiter verhandeln. Das schließt den Einstieg neuer Hersteller aus und schafft ein gefährliches Kartell.
FIA-Präsident Jean Todt und die Formel 1-Chefs Chase Carey und Ross Brawn trauten bei der jüngsten Strategiesitzung am 4. Juli in London ihren Ohren nicht. Mercedes, Ferrari und Renault pochten bei der Diskussion um das Motorenreglement für 2021 nun doch wieder auf den Verbleib der MGU-H und damit der bestehenden Motorenarchitektur. Zuvor hatten sie sich schweren Herzens geistig bereits von der Elektromaschine im Auspufftrakt verabschiedet. Die FIA plädierte für einfachere und billigere Motoren, um Kosten zu senken und neue Hersteller in die Formel 1 zu locken.
Die Komplexität der MGU-H schließt das praktisch aus. Selbst Porsche käme nur auf der Basis eines abgespeckten Reglements. Alle anderen Autofirmen zeigen der Formel 1 die kalte Schulter. Es würde viel zu lange dauern und zu viel kosten, bis sie mit dem aktuellen Motorenreglement einigermaßen konkurrenzfähig wären. Honda ist da ein abschreckendes Beispiel. Die Japaner fassen erst jetzt, in ihrer vierten Saison, so langsam Fuß. Private Motorenhersteller sind von vornherein ausgeschlossen.
Die Augenwischerei mit der MGU-H
Die in der Formel 1 vertretenen Autofirmen verteidigen den Erhalt der 2014 eingeführten Motorentechnologie mit immer den gleichen fadenscheinigen Argumenten. Serienrelevanz, Kosten, zu viel Einheitstechnologie. Gerade die MGU-H wird es nie in die Großserie schaffen und eine Technologie für Hypercars und Industriemaschinen bleiben. Die „heiße“ Elektromaschine zwackt überschüssige Energie im Auspufftrakt ab und wandelt sie in Strom um. Dazu muss aber auch unter Volllast gefahren. In Ländern mit Tempolimits kommen die Serienmotoren nie in diesen Bereich. In Deutschland stehen die Autos die meiste Zeit im Stau. Die MGU-H als grüne Technologie zu bezeichnen, ist ohnehin eine Augenwischerei. Auf den Spezialprüfständen, auf denen die MGU-H separat mit Auspufftrakt und Turbolader getestet wird, verbrennen die Hersteller mehr Benzin als mit zwei Autos in der gesamten Saison.
Die Autofirmen behaupten, dass die Neukonstruktion eines Motors ohne MGU-H zu viel Geld kosten würde. Dabei bauen sie auch so jedes Jahr einen neuen Motor. Das Problem einer doppelten Entwicklung im Jahr 2020 wollte die FIA damit aus der Welt schaffen, die aktuellen Motoren im letzten Jahr des Regelzyklus einzufrieren. Das aber stieß auf Widerstände bei den Herstellern, die das Gefühl haben, noch auf Mercedes und Ferrari aufholen zu müssen.
Selbst wenn die Konstruktion eines neuen Motors ein Jahr lang mehr Geld kostet, würde es die Hersteller in den Folgejahren billiger kommen. Weil der Entwicklungsaufwand wegen der einfacheren Technik geringer ist. Die Hersteller wehren sich auch gegen zu starke Einschränkungen beim Turbolader und gegen die Plug-in Idee, die ihnen die Anlenkpunkte für Chassis und Getriebe vorschreiben sollte, um Teams einen Wechsel des Motorenlieferanten zu vereinfachen. Mercedes-Teamchef Toto Wolff verteidigt seinen Standpunkt: „Die FIA bog im letzten Moment mit einem Boost-Limit und einem vorgeschriebenen Verdichtungsverhältnis für den Turbolader um die Ecke. Der Umbau der Motorarchitektur zum einfacheren Austausch unterschiedlicher Komponenten würde von allen komplett neue Motoren verlangen. Das kostet richtig viel Geld“
Die Hersteller kaufen sich Zeit
Mit ihrem Veto gegen die Pläne der FIA und von Liberty haben sich Mercedes, Ferrari und Renault wieder drei bis vier Monate Zeit gekauft. Das reicht, um ein neues Motorenreglement für 2021 abzuwenden. Die Frist, um bis zu dieser Saison einen neuen Motor zu entwickeln, ist eigentlich schon abgelaufen. Auch für Hersteller, die an der Formel 1 interessiert wären.
Das F1-Management glaubt inzwischen, dass Mercedes, Ferrari und Renault ganz andere Interessen haben. Man will sich abschotten, um die FIA und Liberty abhängig von den Herstellern zu machen und nicht umgekehrt. „Die haben Angst davor, ihr Herrschaftswissen aufzugeben und dass dann Porsche oder irgendein anderer Hersteller kommt und ihnen um die Ohren fährt“, sagt einer. Die Kehrtwende schließt nicht nur neue Kandidaten auf dem Motorenmarkt aus. Sie setzt auch die Teams finanziell unter Druck.
Die würden zwar Motoren für 10 Millionen Euro pro Saison geliefert bekommen, doch das definiert nur einen Teil der Kosten. Die Hybrid-Monster verlangen wegen der aufwendigen Kühlung und der Unterbringung der vielen Elemente und Steuergeräte viel komplexere Chassis. Das geht einerseits ins Geld, lässt die Schere zwischen den großen und kleinen Teams immer weiter aufgehen und macht es potenziellen Neueinsteigern unnötig schwer. Wer heute in die Formel 1 einsteigen will, muss sich wie HaasF1 mit einem Hersteller verbünden. Möglicherweise ist dieses Modell genau das, was die Autokonzerne anstreben. Volle Kontrolle.
Red Bull könnte 2021 ohne Motor dastehen. Honda bleibt nur in der Formel 1, wenn sie mit Red Bull Rennen gewinnen. „Wenn wir 2021 ohne Motor dastehen sollten, wer gibt uns dann einen? Wir werden bei Mercedes und Renault nicht betteln gehen. Die drei Hersteller haben es dann in der Hand, wem sie welchen Motor zuschanzen“, fürchtet Red Bull-Teamchef Christian Horner. Bevor das passiert, steigt Red Bull mit zwei Teams aus. Man muss sich nicht nur um Red Bull und Toro Rosso Sorgen machen. Auch bei Force India, Williams und McLaren kriselt es. Und Ersatz steht nicht vor der Tür.