„Schmutzig fahren kann ich nicht“
Der 19-jährige Lando Norris gilt als eines der größten Talente im Motorsport. Vor seiner F1-Rookie-Saison bei McLaren veriet der Formel-2-Vizemeister im Interview mit auto motor und sport, was er vom Einstieg in die Königsklasse erwartet.
Sie haben als Kind auf zwei Rädern mit Motorsport begonnen. Wie kam es zum Wechsel auf vier Räder?
Norris: Ein Grund dafür war ein heftiger Crash mit dem Bike als ich sechs Jahre alt war. Ich habe mir zwar nichts gebrochen, aber ich habe mich etwas gefürchtet erneut zu stürzen. Mein Vater hat mich und meinen Bruder dann erstmals zu einem Lauf der britischen Kart-Meisterschaft mitgenommen. Danach wollte ich sowas unbedingt selbst mal ausprobieren. Und so bekam ich ein paar Wochen später mein erstes Bambino-Kart. Damit bin ich bei uns zuhause im Pferdestall herumgedüst. Das hat mir mehr Spaß gemacht als das Bike. Und ich hatte es besser unter Kontrolle. Deshalb blieb ich dabei.
Sie haben dann einen Titel nach dem anderen gesammelt. In der Formel 2 hat es 2018 aber nur zum zweiten Platz gereicht. Warum?
Norris: Ich habe den Titel durch Fehler und fehlendes Vertrauen verloren. Nach einem guten Start in das Jahr haben die anderen Jungs schneller Fortschritte gemacht. Dazu kamen Rennstrecken, die ich noch nicht kannte. Da haben das Setup und das Reifen-Management nicht immer gestimmt. Ich musste meinen Fahrstil anpassen, fühlte mich aber einfach nicht wohl. Es fehlte das Vertrauen. Ich wusste nicht, wie ich in bestimmten Situationen reagieren muss. Auch meine F1-Trainingseinsätze haben nicht immer geholfen. Bis zum Qualifying war ich danach noch oft vorne dabei, dann ging plötzlich nichts mehr. Und ich habe wieder das Vertrauen verloren. Ich habe ständig Dinge verändert. Aber so richtig hat es nie zusammengepasst.
Fühlen Sie sich trotzdem gut auf die Formel 1 vorbereitet?
Norris: Die Reifen sind auch in der Formel 1 ein heikles Thema. Es gibt Strecken, wie zum Beispiel Mexiko, wo der Hypersoft nach nur einer Runde einbricht. Da ist es bei einem kurzen Trainingseinsatz schwer herauszufinden, wie man darauf reagieren muss. Aber aus irgendeinem Grund fühle ich mich im Formel-1-Auto viel wohler als in der Formel 2. Ich spüre besser, wenn ich mich am Limit bewege. Und ich kann Bereiche leichter identifizieren, in denen ich mich verbessern muss.
Konnten Sie sich bei McLaren etwas von Fernando Alonso abschauen?
Norris: Man lernt immer dazu, wenn man so nah dran ist und Einblick in die Daten bekommt. Die beiden McLaren-Piloten hatten unterschiedliche Fahrstile. Deshalb war es interessant zu sehen, wer in welchen Kurven schneller war. Das hat mir in meiner Vorbereitung auf die Formel 1 sicher geholfen. Aber Fernando hat mir nicht neu beigebracht, wie man Auto fährt. Ich werde auch nicht genau so fahren wie er. Es gibt immer Teile, die man sich von verschiedenen Fahrern abschauen kann, und die man dann am Ende für sich zusammensetzt.
Haben Sie konkrete Ziele für Ihre Rookie-Saison aufgestellt? Zum Beispiel Ihren neuen Teamkollegen Carlos Sainz zu schlagen?
Norris: Das wird doch von mir erwartet, oder? Was aber genau für Platzierungen und Punkte rausspringen, lässt sich nicht sagen. Wir müssen erst die Wintertests abwarten. Ich bin aber zuversichtlich, dass es besser werden sollte. Ansonsten lautet das Ziel, konstant schnell zu fahren und große Fehler zu vermeiden. Ich möchte einfach sauber durch die Saison kommen und mir Selbstvertrauen für die Zukunft erarbeiten.
Das Team befindet sich aktuell im Wandel. Spürt man das als Fahrer?
Norris: Man bekommt schon mit, was abgeht. Ich habe in der Fabrik gearbeitet und viele Leute kennengelernt. Ich glaube, dass die Basis jetzt passt. Alle haben Vertrauen ineinander gefunden und wissen, wie man das Auto verbessert. Ich weiß, dass wir das auch schon im letzten Jahr gesagt haben, aber wir haben seitdem viel Arbeit in das Verständnis des Autos gesteckt, um die Ursachen für die Probleme zu identifizieren. Es wird keine einfache Lösung über Nacht geben. Wir werden dieses Jahr sicher keine Rennen gewinnen.
Haben Sie keine Angst das gleiche Schicksal zu erleiden wie Stoffel Vandoorne?
Norris: Es ist für mich schwer zu sagen, woran es bei ihm lag und ob er seine maximale Leistung abrufen konnte. Ich konzentriere mich nur auf mich. Sollte mich Carlos im ersten Rennen schlagen, werde ich genau analysieren, in welchen Bereichen er stärker war. Ich habe eine ganze Saison um zu lernen und mich anzupassen. Da mache ich mir momentan keine großen Sorgen. Ich erwarte aber, dass ich von Beginn an direkt gut dabei bin.
Mit George Russell und Alex Albon steigen noch zwei weitere Formel-2-Piloten auf. Herrscht da eine besondere Rivalität?
Norris: Konkurrenzkampf ist immer da. Aber ich komme mit George und Alex gut aus. Wir sind Freunde. Es gab einige Duelle in der letzten Saison, die viel Spaß gemacht haben. Manchmal kommt es vor, dass ein ganzer Schwung guter Fahrer nach oben strebt. Wir sind praktisch alle zusammen aufgewachsen. Es ist doch schön, dass wir nun alle gleichzeitig den Schritt geschafft haben – auch für die britischen Fans. George und Alex haben starke Leistungen gezeigt und es auf jeden Fall verdient. Ich hoffe, dass wir uns nächstes Jahr wieder einige Duelle auf der Strecke liefern werden.
Sie wirken immer so nett und zurückhaltend. Können Sie auch mal sauer werden oder auf der Strecke mit schmutzigen Tricks kämpfen?
Norris: Schmutzig fahren kann ich nicht. Ich würde sogar sagen, dass ich auf der Strecke etwas zu freundlich bin. Ich war schon im Kart immer der „nice guy“. Das hat natürlich positive und negative Konsequenzen. Aber ich kann auch richtig wütend werden. Vor allem auf mich selbst. Wenn ich zum Beispiel einen Fehler in einer Quali-Runde mache, dann beschimpfe ich mich oft selbst.
Das klingt fast schon etwas langweilig. Was ist denn das Schlimmste, das Sie je angestellt haben?
Norris: Eigentlich habe ich bisher noch nichts Schlimmes angestellt.
Haben Sie nicht das Gefühl, in ihrer Jugend etwas verpasst zu haben?
Norris: Da gab es vielleicht ein paar Dinge. Aber am Ende bin ich lieber hier in der Formel 1, als dass ich vielleicht mal mehr getrunken oder gefeiert hätte. Es ist nicht so, dass es mich nicht interessiert, wenn ich etwas verpasse, aber ich nehme das gerne in Kauf.
Sie leben noch in England. Warum nicht in Monaco oder der Schweiz wie die meisten Fahrerkollegen?
Norris: Für meine persönliche Entwicklung und im Interesse des Teams ist es besser, wenn ich in den nächsten Jahren nicht umziehe. Ich muss schnell in der Fabrik sein und im Simulator sitzen, wenn es nötig ist. Zumindest in der Rookie-Saison muss ich nah bei den Ingenieuren sein. Ich wohne jetzt in Gilford, 20 Minuten von McLaren entfernt. Da kann ich vorbeikommen wann immer ich will.
Und was macht Lando Norris, wenn er mal nicht im Rennauto sitzt?
Norris: Dann sitze ich im Simulator. Ich habe eigentlich keine anderen Hobbys.