Ferrari-Pilot will aggressiver fahren
Zwei Mal stand Charles Leclerc in dieser Saison vor dem Sieg. Zwei Mal wurde er kurz vor dem Ziel abgefangen. In Spielberg schubste ihn Max Verstappen von der Strecke. Leclerc hat den Zwischenfall abgehakt. Der Monegasse bevorzugt hartes Rennfahren, und verlangt von den Rennkommissaren eine klare Linie.
Die 70. Saison der Formel 1 wird bislang geprägt von Mercedes. Und den Entscheidungen im Büro der Rennkommissare. Vier Mal in Folge gab es Kontroversen. In Monte Carlo verlor Max Verstappen nach einer Strafe ein Podest, nachdem er in der Boxenstraße mit Valtteri Bottas zusammengerumpelt war. Sebastian Vettel kostete eine Fünfsekunden-Strafe den Sieg beim GP Kanada. Der Ferrari-Pilot war ausgeritten und Lewis Hamilton vors Auto gerutscht. In Paul Ricard erwischte es Daniel Ricciardo, der neben der Strecke Lando Norris und Kimi Räikkönen überholte.
In Österreich verzichteten die Sportkommissare dagegen auf eine Strafe. In der vorletzten Runde schubste Verstappen in Kurve drei den Ferrari von Charles Leclerc von der Strecke. Ferrari schäumte, Red Bull jubelte, die Stewards untersuchten. Erst drei Stunden später stand das Ergebnis offiziell fest: Die vier Kommissare entschieden einstimmig und verzichteten auf eine Strafe gegen Verstappen. Der Niederländer behielt seinen ersten Saisonerfolg. Die Formel 1 atmete gewissermaßen auf: endlich mal keine Strafe.
Vettel gegen Strafen
Trotzdem sind nicht alle Ungereimtheiten beiseite geräumt. Wieso kommt Verstappen straffrei davon, während Vettel in Kanada durch eine Bestrafung um den Sieg auf der Strecke gebracht wird? Für Verstappen liegt der Fall klar. „Es war hartes Rennfahren. Charles hätte nicht außen mitziehen müssen. Er hat es nur gemacht, weil neben der Strecke asphaltiert ist. Da wusste er, dass nichts passieren würde. Er hat sogar eher mit einer Strafe gegen mich spekuliert, indem er mitzog. In Kurve vier hätte er das nicht gemacht. Da ist außen ein Kiesbett.“ Mit anderen Worten: Leclerc hätte aus seiner Sicht auch früher bremsen und ihn unterschneiden können.
Leclerc hat den Zwischenfall abgehakt. Der Monegasse spricht sich für ein hartes und gleichzeitig faires Gegeneinander aus. „Ich habe kein Problem mit dem Zusammenprall selbst. Ich kann damit leben und zum nächsten Rennen übergehen. Ich bin einverstanden, wenn wir in diesem Maß gegeneinander kämpfen können. Nur sollten wir wissen, was wir erwarten können.“ Der 21-Jährige, der die beinharten Duelle mit Verstappen aus gemeinsamen Kartzeiten kennt, mahnt an, dass die Formel 1 bei ihren Entscheidungen stringenter werden muss. „Es gab in dieser Saison schon Zweikämpfe, bei denen für weniger eine Strafe ausgesprochen wurde.“
Der WM-Fünfte schlussfolgert aus der Entscheidung der Sportkommissare in Österreich, dass die Fahrer in Zukunft wieder härter gegeneinander fahren dürfen. „Es wäre besser, wenn sie es offiziell verlautbaren. Trotzdem werde ich anhand der gemachten Erfahrungen ab jetzt aggressiver sein im Zweikampf.“
Sein Teamkollege unterstützt die lockerere Regelauslegung. „ Entscheidungen sollten zum Wohl des Sports getroffen werden, und nicht für den grünen Tisch“, meint Vettel. „Wir sind auf einer Rennstrecke und nicht im Kindergarten.“ Diese Meinung vertritt auch der Sieg.r, der nach seinem sechsten Karriere-Erfolg auf eine Feier verzichtete. Und das hatte nichts mit dem verspäteten Ergebnis zu tun. „Ich muss nicht immer feiern und Party machen nach einem Sieg. Ich habe lieber Netflix geschaut und bin ins Bett gegangen.“