Max Verstappens Husarenritt

Der GP Brasilien hatte zwei Helden: Sieger Lewis Hamilton und Max Verstappen. Weil Hamilton auf Regenreifen unantastbar war, pokerte Red Bull mit Intermediates. Das ging in die Hose, war aber der Beginn einer Heldentat, die Max Verstappen endgültig in den Olymp des Formel 1-Himmels hob.
Red Bull zockt gerne. Das Team ist auf Siege fixiert, nicht auf Ehrenplätze. Dafür opfert man gerne auch mal einen zweiten Platz und bekommt dafür nur einen dritten Rang zurück. Der Poker begann schon am Samstag. Red Bull setzte voll auf ein Regenrennen, was bei der relativ eindeutigen Wettervorhersage kein allzu großes Vabanquespiel war. Maximaler Abtrieb, maximaler mechanischer Grip. Bei einem Trockenrennen hätte Ferrari vermutlich davon profitiert. Mercedes sowieso.
Im Regen ist Red Bull in seinem Element. Das weiß man spätestens seit dem GP Monaco. Auf Regenreifen gleich schnell wie Mercedes, auf Intermediates schneller. Die Silberpfeile reagieren empfindlich auf die anderen Flanken der Intermediates und sie fressen den Gummi auf der Hinterachse zu schnell auf. „So ganz sind wir noch nicht hinter dieses Rätsel gekommen“, erklärt Chefingenieur Andrew Shovlin.
Mercedes bleibt deshalb in der Regel den Regenreifen so lange treu, wie man es verantworten kann. Red Bull tendiert eher zu dem Mischreifen. Auch diesmal packte der WM-Zweite seinen Joker aus. Gleich zwei Mal. Im ersten Teil des Rennens in Runde 13. Nach dem zweiten Re-Start in den Runden 40 und 43. Beide Male wurde der Regen danach stärker. „Nicht viel, aber es reichte um im dritten Sektor zu viel Zeit zu verlieren“, meinte Max Verstappen.
Red Bull verlor netto 23 Sekunden in den Boxen
Teamchef Christian Horner assistierte seinem Schützling bei der Erklärung für die am Ende verunglückte Strategie. „Auf Regenreifen hätten wir Lewis nicht schlagen können. Die einzige Chance auf Platz 1 war ein bisschen Risiko. Als wir Daniel auf Intermediates gesetzt hatten, ist er sofort schnellere Sektorzeiten gefahren. Deshalb haben wir auch Max hereingeholt. Unsere Rechnung ging so: Wenn wir die Intermediates schnell auf Temperatur bringen, sind wir deutlich schneller als alle anderen.“
Tatsächlich hat die Taktik auch bei besseren Bedingungen nicht viel gebracht. Red Bull gewann in Sektor 1, verlor in Sektor 2 und war in Sektor 3 unentschieden mit der Regenreifen-Liga. Bis der Regen wieder leicht stärker wurde. „Es war eine Gratwanderung auf Messers Schneide. Doch mit mehr Regen konnten wir das Risiko im dritten Sektor nicht mehr eingehen und wir mussten uns schweren Herzens dazu entschließen, in der SafetyCar-Phase zurück auf Regenreifen zu gehen“, bedauerte Horner.
Die beiden Reifen.echsel kosteten die Red Bull-Piloten zusammen 46 Sekunden. Die wegen der SafetyCar-Phase auf 23 zusammenschrumpften. „Das holst du bei der geringen Zeitdifferenz zwischen den beiden Reifen.ypen nie auf“, beharrten die Mercedes-Experten. Schlimmer noch: Ricciardo fiel auf Platz 13, Verstappen auf Rang 14 zurück. Mit 15 Sekunden Rückstand auf die Spitze. Und das 16 Runden vor Schluss. Nichts war an diesem Tag wichtiger als die Position auf der Strecke. Nico Rosberg atmete auf. „Als ich Max an die Boxen abbiegen sah, wusste ich, dass sie einen Fehler machen. Verstappen hat einen zweiten Platz geopfert.“
11 Überholmanöver in 16 Runden
Mit dem Re-Start in Runde 56 begann der Husarenritt des Max Verstappen. Der fliegende Holländer hatte seine Regenqualitäten schon mit den Überholmanövern an Kimi Räikkönen auf der Zielgeraden und an Nico Rosberg außen in Kurve 3 gezeigt. Doch jetzt ging die Post richtig ab. Bis ins Ziel überholte Verstappen 11 Autos. Außen, innen, auf der Strecke oder daneben. Auf der Zielgerade, der Gegengerade, in allen möglichen Kurven.
Der Reihe nach: Gutierrez (Runde 56), Wehrlein (57), Bottas (58), Ricciardo (59), Kvyat (60), Ocon (61), Nasr (62), Hülkenberg (65), Vettel (66), Sainz (67) und Perez (69). Die größte Gegenwehr lieferte ihm Hülkenberg. Horner staunte: „Trotz der Zweikämpfe fuhr Max schneller als Perez bei freier Fahrt.“
Natürlich profitierte Verstappen von den frischeren Reifen. Doch der Dritte des Rennens hat jedes seiner Manöver auch eiskalt geplant und durchgezogen. „Max ist gefahren wie im Kart. Er hat schon vorher alle möglichen Linien studiert und wusste immer genau über den Grip Bescheid“, lobte Horner. Auch Ricciardo hatte gegen seinen Teamkollegen keine Chance. Der Australier kämpfte mit einem beschlagenen Visier. „Ich habe Max erst bemerkt, als er schon an mir vorbei war. Kimis Crash habe ich erst im Fernsehen gesehen. Dabei ist er vor meiner Nase abgeflogen. Schade, denn bei mir lag mehr drin als nur der achte Platz.“
Verstappen spähte sich den besten Weg durch die Fluten bereits hinter dem SafetyCar aus. Zwei Beispiele. „Ich wusste genau, wo ich Kimi überholen würde. Und ich wusste, dass er es nicht verhindern würde, wenn er nicht auf dem gleichen Stück Straße fährt als ich.“ An Rosberg ging Verstappen außen in Kurve 3 vorbei. „Ich musste versetzt fahren, um zu erkennen, wo ich vorbeifahren kann. Deshalb habe ich alle möglichen Spuren ausprobiert.“
Der WM-Spitzenreiter wurde kurz vorher von seinem Renningenieur über Verstappens Geheimspur informiert. „Als wir es Nico sagten, flog Max schon vorbei“, grinsten die Mercedes-Techniker. „Hut ab vor Max“, meinte Rosberg fair. „Es war wirklich schwierig abzuschätzen, wo die Reifen noch Grip haben und wo nicht. Eine Zentimeter daneben konnte schon zu viel sein. Max hat einen tollen Job gemacht.“
Verstappen beschrieb seine Fahrt mit einem Wort: „Aufregend“. Auf der Ziellinie streckte das Wunderkind seinen rechten Arm aus dem Cockpit. „Das Gefühl war fast so schön wie bei meinem Sieg in Barcelona.“