Mercedes eine Macht in Abu Dhabi
Es war eine Machtdemonstration des Weltmeisters. Mercedes ließ weder Red Bull noch Ferrari eine Chance in der abendlichen Qualifikation von Abu Dhabi. Red Bull büßte in allen Sektoren ein. Und sieht sich auch für das Rennen nur in der Außenseiterrolle.
Lewis Hamilton blieb vor dem Zeitenmonitor stehen. Der Mann, der in seiner Karriere inzwischen 88 Pole-Positions eingefahren hat, studierte für ein paar Sekunden das Ergebnis, während sich Valtteri Bottas und Max Verstappen für die Pressekonferenz platzieren. Man merkte es Hamilton an. Der Weltmeister genoss den Moment. Hamilton genoss seine erste Pole-Position seit dem GP Deutschland.
Das ist vier Monate her. In der schnelllebigen Formel 1 ist das eine Ewigkeit. Vor allem für einen, der in der Qualifikation alle Rekorde gebrochen hat. „Es fühlt sich wie meine erste Pole an, und nicht wie die 88. Vielleicht liegt es daran, dass es schon so lange her ist“, erklärte der sechsfache Titelträger. Zum fünften Mal startet Hamilton vom ersten Startplatz in der fast abgelaufenen Saison. Teamkollege Valtteri Bottas heimste genauso viele Pole-Positions ein. Ferrari-Pilot Charles Leclerc sogar zwei mehr.
Woran liegt es, dass der Quali-König dieses Jahr geschlagen wurde? „Ich war in der Quali einfach nicht immer eins mit dem Auto. Und meine Gegner waren sehr stark. Als ich das letzte Mal die Chance hatte, hat sie mir Valtteri geklaut. Und in Japan hatte ich auch die Möglichkeit, doch da drehte Ferrari plötzlich auf.“ Hamilton verspricht: „Ich habe aus dieser Saison gelernt. Das werde ich 2020 anwenden.“ Das klingt fast wie eine Drohung an die Konkurrenz.
Lange Runde hilft Mercedes./strong>
Hamilton gelangen im dritten Qualifikationsdurchgang zwei Runden auf hohem Niveau. Selbst der um ein halbes Zehntel langsamere erste Versuch hätte noch für die Pole-Position gereicht. Teamkollege Valtteri Bottas sprach dagegen nur von ordentlichen Runden. Der Finne büßte 0,194 Sekunden ein. „Die Pole hätte mir sowieso nichts gebracht. Durch den neuen Motor starte ich sowieso von ganz hinten. Ich habe mich in den Trainings deshalb auf die Rennabstimmung konzentriert“, berichtete der Finne. Die Ingenieure ergänzen. „Das Setup von Lewis und Valtteri unterscheidet sich nicht groß.“
Max Verstappen wird acht Meter nach hinten versetzt von Hamilton starten. Red Bulls Sperrspitze profitiert von der Rückversetzung bei Mercedes. Sie verhindert die sechste erste Startreihe in Serie für das Weltmeisterteam in Abu Dhabi. Trotzdem unterstrich Mercedes, dass der Yas Marina Circuit wie gemalt für die silbernen Autos ist.
Es kommen mehrere Faktoren zusammen. Die Runde ist mit 5,554 Kilometern relativ lang. Es gibt viele Kurven. Und die meisten davon, nämlich elf Stück, bilden den letzten Sektor. Kein Auto versteht es so, die Reifen zu Beginn der Runde bereits auf Temperatur zu haben und ohne Überhitzung über die Runde zu bringen.
Die Richtungswechsel entscheiden
Red Bull wurde bestätigt. Das Team hatte schon vor dem Rennwochenende erwartet, in Abu Dhabi hinter Mercedes die zweite Kraft zu sein. In allen drei Streckenabschnitten war Hamilton schneller als Verstappen. In Summe trennte das dunkelblaue Auto mit dem gelben Stier 0,360 Sekunden vom Silbernen. „Uns fehlt einfach Grip“, erklärte Verstappen. Der erste Umlauf in Q3 saß besser als der zweite. „Meine Runde war wirklich anständig. Ich sehe nicht viel Luft nach oben. Es gab nichts, was ich hätte ausrichten können gegen Mercedes. Sie sind superstark im letzten Sektor. Da kommen sie besser durch die überhöhten Kurven“, sagte der WM-Dritte. Dem Team ist doch ein kleiner Fehler aufgefallen. In Kurve 17 hätte Verstappen schneller sein können. Dann hätte es vielleicht sogar für Bottas gereicht. Wobei das aufgrund der Strafversetzung eigentlich irrelevant ist.
Es gibt auf dem Yas Marina Circuit zwei spezielle Stellen, wo Mercedes den Red Bull überlegen ist. Dort, wo die Autos schnell die Richtung wechseln. Zwischen Kurve acht und neun und vor allem am Eingang des letzten Sektors zwischen den Kurven 11,12 und 13. Auf den Geraden war Red Bull leicht schneller. Obwohl man selbst bei der Messung der Höchstgeschwindigkeit im Hinterfeld landete. Verstappen war vor Kurve acht 322,6 km/h schnell, Hamilton 1,5 km/h langsamer.
Ferrari nur mit 15 Kilowatt mehr
Ferrari grüßte mal wieder vom anderen Ende, hatte aber auf eine Runde das Nachsehen. Vor allem im Vergleich mit Mercedes. Sebastian Vettel und Charles Leclerc erreichten 329 und 327,2 km/h. „Sie sind verdammt schnell auf den Geraden. Das gibt ihnen ein Auto, mit dem man im Rennen überholen kann. Deshalb dürfen wir sie nicht abschreiben“, meint Mercedes.Teamchef Toto Wolff. Auch sein Starfahrer sieht Ferrari als Gefahr. „Schaut euch Leclercs Rundenzeit auf dem Medium-Reifen in Q2 an. Da war er schneller als Valtteri und ich.“ Verstappen will Ferrari auch nicht abschreiben. „ Sie werden da sein.“ Der Holländer sagt aber auch: „Ich mache mir keine Sorgen, und werde auch nicht schlecht schlafen wegen ihnen.
Trotz der hohen Topspeeds erdrückte Ferrari seine Konkurrenten auf den Geraden abermals nicht. Seit dem GP USA, seit den beiden Technischen Direktiven, stellen weder Mercedes noch Red Bull den vorher wundersamen Powerschub von mehr als 50 PS fest. Ob es tatsächlich mit den Technischen Direktiven zusammenhängt, ist unklar. Ferrari bestreitet es. Laut Red Bull ist das Power-Defizit in der Spitze auf 15 Kilowatt geschmolzen. Das sind knapp mehr als 20 PS. “Wir haben festgestellt, dass Ferrari nicht mit maximalem Anpressdruck fährt„, sagen Red Bulls Ingenieure. Weniger Luftwiderstand gleich höhere Topspeeds.
Langer Weg für Bottas
Die Longruns vom Freitag und das Qualifying bestimmen einen klaren Favoriten: Mercedes. Bei der Reifenwahl herrscht Chancengleichheit. Mercedes und Red Bull starten auf dem Medium-Reifen. Deshalb sieht der Rennstall aus Milton Keynes nur Außenseiterchancen. “Wir müssen realistisch sein. Sie haben auch ein sauschnelles Rennauto„, weiß Verstappen. Aus dem Team heißt es: “Unsere großen Chancen sind der Start und die Strategie. Vielleicht können wir dranbleiben und sie mit einem früheren Boxenstopp in die Knie zwingen.„
Bottas hat einen langen Weg nach vorne vor sich. “Im Normalfall wird er Sechster mit zwei Ferrari, zwei Red Bull und Lewis vorn. Sollte Valtteri in die Top fünf vordringen oder sogar unter die besten vier, wäre er ein sehr gutes Rennen gefahren„, sagt Teamchef Wolff. “Es wird eine Herausforderung. Es wird wahrscheinlich aber auch ziemlich spaßig„, frohlockt Bottas.
Bleibt noch eine Frage. Wieso fuhr der Finne das gesamte Qualifying und muss deshalb auf dem gebrauchten Medium-Reifen starten. “Wir wollten ihm die Möglichkeit geben, viele Runden zu fahren und sich einzuschießen. Das ist auch wichtig für seinen Kopf. Und für uns wichtig für den Leistungsvergleich„, erklärt Wolff. Die Strategen liefern noch eine zweite Erklärung. Man wollte Alexander Albon im Red Bull zwingen, sich auf den weichen Reifen für Q3 zu qualifizieren. Damit hätte Bottas im Rennen bessere Aussichten gehabt, den Thailänder zu kassieren. Doch Albon kam auf dem Medium-Reifen in den letzten Teil. Der angefahrene Reifensatz wird Bottas etwas am Start kosten. Und er verkürzt die Laufleistung im ersten Rennteil.