Mercedes schärft seine Waffen

In Frankreich präsentierte Mercedes seine neue Motorspezifikation. In Österreich bekam der F1W09 ein umfangreiches Aero-Upgrade. Das ist eine Kampfansage an Ferrari und Red Bull. Ferrari wird erst in Silverstone nachziehen.
Die Niederlagen von Monte Carlo und Montreal sind noch nicht vergessen. Mercedes gibt im Titelrennen noch mehr Gas. Zwar waren der Einsatz der neuen Motorspezifikation und das große Aero-Paket von langer Hand geplant, doch konnte der Zeitpunkt ihres Debüts kein besserer sein. Der Motor Spec 2.1 kam mit einem Rennen Verspätung. Doch er kam in einer leicht verbesserten Version als ursprünglich gedacht. Und er wurde abgesegnet, obwohl er zum Zeitpunkt des GP Frankreich erst 5700 Kilometer auf dem Prüfstand abgespult hatte. Normalerweise müssen Mercedes-Motoren 7500 Kilometer halten. Die Differenz erledigte man in der Zwischenzeit.
Das große Aerodynamik-Upgrade, das Mitte Mai angeschoben wurde, sollte irgendwann im Laufe des Grand Prix-Triples Frankreich, Österreich, England debütieren. Den Wunsch-Termin in Paul Ricard hat es nicht ganz geschafft, das eigentliche Ziel Silverstone um eine Woche unterschritten. Nach einem Kraftakt der Produktionsabteilung ist die Aero-Offensive nun schon für den GP Österreich bereit. Vielleicht besser so. Mercedes konnte auf diese Weise den Zeitgewinn durch den Motor leichter ausfiltern. „Der Fortschritt beim Motor ist spürbar“, lobte Valtteri Bottas und fügte hinzu: „Das in Rundenzeit umzurechnen fällt mir schwerer. Ich schätze mal, dass er uns ein Zehntel bringt. Das gleiche erwarte ich von unserem Aero-Upgrade.“
Ein bisschen Ferrari, ein bisschen Red Bull
Als der Silberpfeil am Donnerstagnachmittag zur technischen Abnahme rollte, da rieben sich die Spione der Konkurrenz die Augen. Das ist kein normaler Entwicklungsschritt mit ein paar Retuschen hier und dort. Das ist ein massiver Eingriff in das Aerodynamikkonzept des F1W09. Seitenkästen, Unterboden, Diffusor, Leitbleche, Heckflügel und Spiegelhalterung wurden deutlich verändert. Der Frontflügel und die vorderen Bremsbelüftungen erhielten nur kleine Modifikationen. Teamchef Toto Wolff bestätigte: „Das ist unser bislang größtes Upgrade in diesem Jahr, und auch ein bisschen eine Konzeptänderung.“
Der Österreicher meint damit nicht Schwerpunkt oder Aero-Balance. Die blieben gleich. „Wir haben diesmal einfach gewartet, bis wir ein größeres Paket zusammen hatten, statt immer nur mit kleinen Änderungen ein paar Punkte Abtrieb auf das Auto zu packen.“
Auffälligstes Detail sind die Seitenkästen. Der Kühleinlass ist nicht mehr ein Briefkastenschlitz, sondern runder. Damit schrumpfen die Seitenkästen vorne in ihrer Breite, was man recht gut am Abstand zu dem vertikalen Teil der Seitenkastenflügel erkennen kann. Oberhalb des Kühleinlasses hat Mercedes einen Flügel angebracht, der an den Ferrari SF71H erinnert. Unterhalb ist ein weiteres Flügelelement, das eher aus dem Red Bull-Baukasten stammt. Das Konstrukt ist jedoch keine direkte Kopie des Ferrari-Tricks, die Seitenkästen durch einen Vorbau zu verkürzen.
Die Kombination der Elemente soll helfen, die Luft effizienter um die Seitenkästen herum zu leiten. Die Luft trifft dann im Heck auf eine schlankere Taille, was wiederum den Diffusor-Effekt verstärkt. Damit nicht genug. Die Leitbleche und der Beginn des Unterbodens mussten den neuen Seitenteilen angepasst werden. Das Konzept der Heckflügel-Endplatten mit ihren langen Fransen in der Mitte und am unteren Ende haben wir schon bei McLaren gesehen. Der Diffusor bekam mehr Kanäle. Die Spiegelhalterung besteht nun aus drei Vertikalen, die natürlich Strömungsausrichter sind. Ein sichelförmiger Kühlauslauss in der Seitenverkleidung ersetzt die Kiemen neben dem Fahrerkopf.
Modifizierter Silberpfeil besser in langsamen Kurven
Das Debüt auf dem Red Bull-Ring könnte den Ingenieuren schon einen Fingerzeig geben, ob ihr Ansatz richtig ist. Der Kurs in der Steiermark eignet sich als Teststrecke, weil er mehr langsame Kurven hat als Silverstone. Wolff erklärt: „Dieses Upgrade ist dazu gedacht, unseren Schwächen in langsamen Kurven entgegenzuwirken.“ Technikern und Fahrer steht am Freitag viel Arbeit bevor. Valtteri Bottas warnt: „Ein so großes Paket bedeutet auch, dass wir uns vom Setup erst einmal wieder hin tasten müssen.“
Aus Sicht der Ingenieure ist es nicht ganz so dramatisch. „Der Einfluss des Streckenlayouts auf die Fahrzeugabstimmung ist größer als bei einer Ausbaustufe. Nur wenn du den Abtrieb nach vorne oder hinten verschiebst, musst du auch mit dem Setup größer nachjustieren. Das ist aber hier nicht der Fall“, beruhigt Chefingenieur Andrew Shovlin.
Mercedes hat also zu Beginn des zweiten Saisondrittels seine Waffen geschärft. Ferrari wird in Silverstone mit einer Aerodynamik-Evolution nachziehen. Und Red Bull freut sich beim Heimspiel in Österreich zum ersten Mal über den Party-Modus. In der Qualifikation gibt es auf Knopfduck 15 PS mehr. Lesen Sie unsere separate Geschichte.