Mercedes W09 für F1-Saison 2018

Mit dem Mercedes W09 will das Silberpfeil-Team in der Formel 1-Saison 2018 an die Erfolge der vergangenen vier Jahre anknüpfen. In Silverstone wurde das Auto am Donnerstag offiziell vorgestellt. Wir zeigen die ersten Bilder.
Mercedes hat sich an die Rolle gewöhnt. 2014 haben die Silberpfeile im ersten Jahr der Hybrid-Ära die Konkurrenz in Grund und Boden gefahren. Seitdem wird Mercedes gejagt. Abwechselnd von Red Bull und Ferrari, manchmal von beiden. Doch so richtig Konkurrenz bekam Mercedes erst im letzten Jahr. 15 Rennen lang hielt Ferrari dagegen, dann brach der Herausforderer ein.
Mercedes gewann zum vierten Mal in Folge Fahrer- und Konstrukteurs-Titel. Da ist man im fünften Jahr automatisch Favorit. Teamchef Toto Wolff warnt: „Man sollte sich da nie auf Gefühle verlassen. Letztes Jahr hätte ich vor der Saison auf Red Bull getippt. Dann war es Ferrari. Wir müssen alle ernst nehmen. Ich bin in diesem Jahr auch gespannt auf McLaren und Renault.“
Nicht einmal völlig neue Regeln brachten die Seriensieger aus dem Tritt. Mercedes gewann 2017 auch mit einem breiten Auto auf breiten Reifen. Doch die Silberpfeile taten sich lange schwer. Das Auto war extrem launisch. Einen Tag unschlagbar, dann wieder voller Rätsel. Für die Ingenieure war es jedes Mal wieder ein neuer Kampf, das Aerodynamik- und das Reifenfenster zu treffen. Deshalb stand eine Aufgabe ganz oben, wie Außenminister Niki Lauda erklärt: „Wir mussten unserem Auto die Formschwankungen abgewöhnen.“ Oder wie es Teamchef Toto Wolff ausdrückte: „Die Schwächen ausradieren und die Stärken behalten.“
Mercedes W09 Präsentation auf 80 Meter langem Laufsteg
Die Fachwelt war gespannt, was sich Mercedes diesmal einfallen lassen würde. Der Titelverteidiger lebte in den vergangenen vier Jahren nämlich nicht nur von seinem überlegenen Motor. Er zeigte auch regelmäßig das innovativste Design. Und er vertraute auf einem ganz anderen Konzept als die Gegner. Der Mercedes baute auf einen extrem langen Radstand und stellte sein Auto kaum an.
Deshalb lagen die Fragen vor der Enthüllung des neuen Autos auf der Hand: Ist der Mercedes wieder so lang? Sind seine aerodynamischen Formen wieder so kompliziert? Steht er hinten wieder tiefer als alle anderen Autos im Feld? Und welche neue Idee haben Chefdesigner Aldo Costa und seine Truppe diesmal aus dem Hut gezaubert?
Mercedes ging die Präsentation des neuen F1 W09 so nüchtern an wie im letzten Jahr. Es war für Fahrer und Ingenieure gleich ein halber Arbeitstag. Noch bevor man das Auto offiziell vorstellte, drehte es in Silverstone seine ersten Runden. Mit zwei Stunden Verspätung bei lausig kalten 5 Grad. Der erste Versuch wurde wegen nicht optimaler Daten abgebrochen noch bevor er begann.
Für die Präsentation hatte sich der Weltmeister etwas Besonderes einfallen lassen. In den Garagen unter dem Boxendach wurde ein 80 Meter langer Laufsteg aufgestellt. Auf der imaginären Ziellinie wurde das Motto des Tages auf eine Leinwand projiziert: „More than a machine“. Nachdem Mercedes in einem zweiminütigen Filmchen auf die sechs WM-Titel in den 50er Jahren und von 2014 bis 2017 erinnerte, fuhr Valtteri Bottas den Silberpfeil iim Blitzlichtgewitter auf seinen endgültigen Standpunkt. Da stand er nun spärlich ausgeleuchtet, und jeder versuchte ihm seine Geheimnisse zu entlocken.
Silberpfeil-Radstand blieb gleich lang
Das erste vorweg. Der Radstand ist gleich geblieben. Das bestätigte Toto Wolff. Der Anstellwinkel fiel ein bisschen größer aus, aber lange nicht so extrem wie bei Red Bull. Auch sonst haben wir viele Charakterzüge am neuen Mercedes entdeckt, die uns bekannt vorkamen. Manchmal etwas ausgeprägter, manchmal etwas gemäßigter.
Die Nase ist immer noch dünn und trägt zwei mächtige Schaufeln darunter. Die Vorderradaufhängung bindet die oberen Dreieckslenker immer noch über einen Steg weit oben an die Radträger an. Etwas weniger versetzt als beim Vorgängermodell. Der untere Dreieckslenker hat weiter die Form eines Y, aber der Teil zum Radträger hin ist nicht mehr so mächtig.
Aus den Flanken des Chassis wachsen weiterhin zwei Schwerter. Sie sind noch eine Spur länger und größer, genauso wie das Leitblech, das davor steht. Dafür sind die Kühleinlässe in den Seitenkästen nun endgültig zu Briefkastenschlitzen verkümmert. Nicht mal beim Red Bull sind sie so klein.
Die Seitenkästen bestehen wie gehabt aus zwei Teilen. Vorne ein kurzer Bauch, hinten eine superschlanke Taille. Natürlich darf auch der Mercedes-typische S-Schacht nicht fehlen. Das Gestrüpp aus Leitblechen, Finnen, Zungen und Zacken vor den Seitenkästen wirkt etwas aufgeräumter, doch der Eindruck kann täuschen. Wir haben das unbestimmte Gefühl, dass uns Mercedes nächste Woche in Barcelona noch überraschen wird.
Kommen wir zu den neuen Elementen, die diesmal etwas spärlicher ausfallen als üblich. Die Hinterachse übernimmt das Konstruktionsprinzip von vorne. Also Dreieckslenker verbunden mit einem Bein, das nach unten abgewinkelt am Radträger anlenkt. Das Prinzip wurde vom menschlichen Körper übernommen. Schauen Sie sich mal einen Hüftknochen an.
Der Airbox-Einlass ist wieder oval und bullig, wurde diesmal aber in vier statt drei Kanäle unterteilt. An der einteiligen Heckflügel-Stütze klebt neuerdings ein Mini-Flügel. Und jetzt noch ein Hinweis, was Mercedes nicht gemacht hat. Die Ingenieure haben darauf verzichtet, die Seitenkasten-Idee von Ferrari zu kopieren. So sind die Seitenteile beim Silberpfeile länger als bei den Konkurrenzprodukten.
Größte Änderungen unter der Haube
Die größten Änderung stecken unter der Verkleidung, verrät Lewis Hamilton, der sich gleich in sein neues Auto verliebt hat: „Es ist ein Kunstwerk.“ Toto Wolff bestätigt: „Wir haben die Komponenten im Auto kompakter verstaut. Die Statistik hat gezeigt, dass unser Auto im letzten Jahr das schnellste war. Wir haben es nur manchmal nicht richtig verstanden. Deshalb lag unsere Hauptaufgabe darin, das Auto besser zu verstehen. Das macht man am besten auf einer Basis, die man kennt.“
Die Anregung für das in Formel 1-Kreisen als „Packaging“ bezeichnete Unterbringung der Innereien lieferte übrigens ein Foto vom offenen Ferrari in der Startaufstellung zum GP Malaysia. Als die Ingenieure das Foto genauer studierten, fiel ihnen auf, dass Ferrari Motor, Getriebe, Kühler und Hinterachse viel kompakter verstaut hatte als man selbst.
Besonders wichtig bei der Entwicklung des F1 W09 waren diesmal die Fahrer. Lewis Hamilton erzählt, warum er mehr in den Designprozess eingebunden wurde als vorher. Es lag an den Launen des Autos, die nur der Fahrer richtig zu spüren bekommt: „Ich kann das Auto nicht bauen, aber ich kann die Daten, die wir generieren, in ein Gefühl übersetzen. Mein Job war es, den Ingenieuren die Schwächen des Autos zu beschreiben.“
Beim Concours d‘Elegance gewinnt der Mercedes diesmal keinen Preis. Das geht aber auch den anderen Autos so. Der Blick bleibt unwillkürlich am Halo hängen. Die FIA hat den Cockpitschutz gegen den Widerstand der Teams und Ablehnung einer kleinen Mehrheit der Fahrer durchgeboxt, weil sie damit den Kopf besser gegen umherfliegende Objekte schützen will.
Das Provisorium über dem Kopf raubt den Autos ihre Eleganz und Aggressivität. Der Helm des Fahrers verschwindet förmlich unter der Crashstruktur. Man wird ihn nur noch spärlich sehen. Wenn man es nicht besser gewusst hätte, war auf den ersten Blick nicht zu erkennen, dass Valtteri Bottas die ersten Runden mit dem neuen Auto drehte.
Und der Halo addiert inklusive der Befestigungspunkte am Cockpit weitere 14 Kilogramm auf ohnehin schon viel zu schwere Autos. Wolff sieht den Halo durchaus kritisch: „Wäre das Auto ein Puzzle, ich würde dieses Detail weglassen. Ich verstehe, dass die Sicherheit vorgeht, doch wir sollten uns da weiter um bessere Lösungen bemühen.“
Hamilton beruhigte die Schwarzmaler: „So schlimm sieht er gar nicht aus. Wir haben ihn so gut es ging in unser Auto integriert. Ich wette, in ein paar Rennen wird er uns gar nicht mehr auffallen. Dann werden wir uns Bilder der alten Autos anschauen und sagen: Mein Gott, wie altmodisch.“