Turboloch bremst Verstappen
Red Bull bestätigt die Fortschritte der letzten Wochen. Auf der Angststrecke Silverstone büßte Max Verstappen keine zwei Zehntel auf die Pole-Position ein. Probleme mit dem Ansprechverhalten des Honda-V6 verhinderten eine mögliche Pole.
Im letzten Jahr noch bezog Red Bull in Silverstone Prügel. In der Qualifikation fehlten über sieben Zehntelsekunden auf die Pole-Position. 12 Monate später schrammt Max Verstappen nur um 0,183 Sekunden am besten Startplatz vorbei, den sich Valtteri Bottas im Mercedes angelte. Zwischen den Pole-Mann und den Niederländer schoben sich noch Lewis Hamilton im zweiten Mercedes und Charles Leclerc im schnelleren der beiden Ferrari.
Bei Red Bull herrschte ob des geringen Rückstands und trotz der vierten Startposition Aufbruchstimmung. Das Team bestätigte die Fortschritte der letzten Wochen, speziell die von Spielberg, als Max Verstappen den ersten Saisonsieg einheimste. „Eigentlich ist Silverstone eine Angststrecke für uns. Dass wir hier auf eine Runde so nah dran sind an Mercedes und Ferrari zeigt, dass wir beim Motor und mit dem Chassis immer besser werden“, freut sich Sportchef Helmut Marko. Angststrecke, weil Silverstone zu den Power-Strecken im Kalender zählt. Und da litt Red Bull in den letzten Jahren besonders.
Verstappen, der Ingenieur
Es hätte sogar mehr herausspringen können. Womöglich sogar die Pole-Position. Hätte Verstappens Auto nicht den ganzen Tag über ein Turboloch befallen, dass die Honda-Techniker dem aufgeladenen V6 einfach nicht stopfen konnten. Verstappen trat aufs Gas, doch es setzte erstmal keine Leistung ein. Fast wie in alten Turbozeiten Ende der 1970er und in den 1980er Jahren. „Das hat mich beim Rausbeschleunigen aus den langsamen Kurven eingeschränkt. Ich bin aufs Gas, und es kam erst einmal nichts. Dann setzte die Leistung plötzlich ein“, berichtete der WM-Dritte. Die langsamen Passagen sind in Silverstone die Kurven 3,4, 7, 16 und 17.
Verstappen glaubt, dass er ohne das Turboloch die Mercedes.Zeiten hätte fahren können. „Wir hätten um die Pole kämpfen können. Meine Runde war ansonsten wirklich gut.“ Für das Rennen wollen die Honda-Techniker das Problem über Feintuning der Software und Motorenkennfelder lösen. Doch auch so sollte sich ein verzögertes Ansprechverhalten im Rennen weniger auswirken. „Auf eine Runde mit der geringen Benzinmenge ist es schlimmer. Mit vollem Tank trittst du später und feinfühliger aufs Gas“, sagt Marko.
Sein Starpilot lag in allen drei Trainingssitzungen hinter dem Teamkollegen. Verstappen haderte mit seinem Auto, beklagte sich über die Instabilität im Heck. „Ich habe es mit mehr Flügel versucht, und trotzdem wurde es nicht besser.“ Änderungen am mechanischen Setup stabilisierten lauit Verstappen das Fahrzeugheck. Im Team selbst erklärt man sich die durchschnittlichen Trainingsleistungen anders. „Wir haben die ganze Zeit geglaubt, Max sei der Ingenieur“, führt Marko aus. „Er erklärte seinem Renningenieur, wie der das Auto abzustimmen hatte. Und sein Renningenieur erklärte ihm, wie er zu fahren habe. Eigentlich harmonieren die beiden sehr gut. Doch es brauchte an diesem Wochenende ein bisschen, bis sie zusammengefunden haben.“
Auf Geraden so schnell wie Mercedes./strong>
Der Red Bull RB15 ist in keinem Sektor das schnellste Auto, schwimmt aber in allen drei Streckenabschnitten vorne mit. Im Gegensatz zum Vorjahr, als eine Renault-Antriebseinheit anschob, verliert das dunkelblaue Auto nur noch wenig Zeit auf den Geraden. Verstappen schiebt es auf den richtigen Kompromiss zwischen Luftwiderstand und Anpressdruck. „Wir fahren weniger Flügel als Mercedes, sind in den Highspeed-Passagen aber trotzdem ordentlich dabei.“ Durch den kleineren Heckflügel gleicht Red Bull das Defizit aus, das der Honda-V6 beim Geradeausfahren gegenüber den Konkurrenzprodukten hat. Schauen wir auf die Höchstgeschwindigkeiten im Training. Da liegt Red Bull zwar im Hinterfeld, ist dennoch mit Mercedes auf Augenhöhe.
- Hamilton: 328,7
- Bottas: 328,2
- Verstappen: 328,2 km/h
- Gasly: 327,8 km/h
Dieses Mal war Red Bull kein Einmann-Team. Pierre Gasly reihte sich als Fünfter direkt hinter Verstappen ein. Der Franzose sprach von seinem bislang besten Rennwochenende seit dem Wechsel zu Red Bull. „Mir ist ein großer Schritt nach vorne gelungen. Wir haben gut zusammengearbeitet in den letzten Tagen in der Fabrik. Es mussten von meiner Seite Fortschritte gemacht werden, aber auch von Teamseite. Es sitzen nun mehr Puzzleteile an der richtigen Stelle. Ich würde aber noch nicht von einem Durchbruch sprechen. Dafür will ich erst das Rennen abwarten.“ Chef Marko zeigte sich zufrieden. „ Die drei Zehntel, die zu Verstappen fehlen, hatte auch Ricciardo verloren.“
Vorteil durch Medium-Reifen
Der Mann, der den zu Renault abgewanderten Daniel Ricciardo beerbte, hätte laut eigener Aussage noch näher heranrücken können an den Teamkollegen. „In Kurve drei und vier habe ich Zeit verloren. Außerdem hätte ich zwei Zehntel durch Windschatten gewinnen können. Dafür hätte ich nur näher an Leclerc dran sein müssen. Max hat das besser gemacht in Q3. Er war näher an mir, und hat davon profitiert.“
Dass Gasly sich nun besser im Team zurechtfindet, und besser mit dem RB15 klarkommt, zeigt allein die Tatsache, dass ihn Red Bull in Q2 wie den Teamkollegen auf den Medium-Reifen setzte. In den Rennen zuvor hatte man es dem 23-Jährigen nicht zugetraut, auf der härten Mischung ins Q3 einzuziehen. Beide Red Bull starten das Rennen auf der mittleren Mischung. Wie die Mercedes.
Ferrari hingegen wird den ersten Stint mit den weichsten Reifen fahren. Red Bull sieht sich im Vorteil. „Der Reifen hält besser. Und wir haben mehr Optionen bei der Strategie.“ Mercedes pflichtet bei. „Ferrari hat sich mit dem Softreifen auf eine Zweistoppstrategie festgelegt. Red Bull und wir sind dagegen flexibler. Wir können auch mit einem Stopp über die Runden kommen“, sagt Mercedes.Teamchef Toto Wolff. Red Bull will aufs Podest und träumt sogar insgeheim vom Sieg. „Im Rennen sollten wir noch näher heranrücken. Wir hoffen, dass Bottas den Start gewinnt. Dann muss ihn Hamilton angreifen. Im Zweikampf sollen sie sich die Reifen aufreiben“, hofft Marko. Sollte sich Hamilton hingegen in der ersten Runde an die Spitze kämpfen, dürfte es schwer werden. „Dann kann er Geschwindigkeit und Reifen managen.“