Red Bulls Teamchef Christian Horner im Interview

Red-Bull-Teamchef Christian Horner kämpft dafür, dass die Motoren in der Formel 1 an Bedeutung verlieren. Chassis und Piloten sollen wieder stärker in den Mittelpunkt rücken. Im Interview erklärt der Brite, wie eine gerechte Lösung aussehen könnte.
Red Bull hat an vorderster Front für die Regeländerungen 2017 gekämpft. Wie bewerten Sie die Reform nach einem Jahr?
Horner: Wir sind 2017 zu Beginn an unseren Zielen vorbeigeflogen. Aber wir haben uns schnell erholt. Wenn man auf unsere Performance im letzten Drittel der Saison schaut, hatten wir wohl das stärkste Chassis zu dieser Zeit. Wenn man die Regeln im Ganzen betrachtet, muss man sagen, dass die Autos großartig aussehen. Sie sind viel schwieriger zu fahren. Man kann schon jetzt sehen, dass es wieder einen großen Schritt bei der Performance gibt. Wir müssen einfach dafür sorgen, dass sie noch besser klingen.
Was fehlt noch?
Horner: Ich denke, der Motor ist ein zu großer Faktor. Er bestimmt die Performance. Wenn wir einen Weg finden könnten, die Leistung anzugleichen, würde das die Rennen deutlich verbessern.
Haben Sie einen Vorschlag?
Horner: Es gibt ja schon Regeln und Vereinbarungen zwischen der FOM und den Herstellern. Es kommt nur darauf an, wie man sie anwendet. Es ist das fünfte Jahr der Hybrid-Ära. Da muss man doch hoffen, dass sich die Motorleistung irgendwann nivelliert.
Hat Mercedes nur den Motorenvorteil?
Horner: Sie haben über den Winter großartige Arbeit mit ihrer Power-Unit geleistet. Aber sie haben auch ein sehr gutes Chassis. Wir haben eine großartige Fahrerpaarung. Wir haben ein sehr starkes Chassis. Wir verschenken gegenüber Mercedes und Ferrari auf der Motorenseite. Man braucht drei entscheidende Elemente für den Erfolg: ein gutes Chassis, gute Fahrer und gute Motoren. Ansonsten holst du nicht das meiste aus deinem Paket.
Also hält nur der Motor Red Bull vom Titel ab?
Horner: Das wäre zu hart ausgedrückt. Aber der Motor ist sicher ein Teil des Pakets, der uns einschränkt. Hoffentlich kommen Entwicklungen in diesem Bereich in den nächsten Wochen.
Mercedes will die Motoren auch nach 2021 behalten.
Horner: Wenn ich Mercedes wäre, würde ich die Motorenformel bis 2050 haben wollen. Weil sie einen Vorteil haben, den sie natürlich schützen wollen. Dafür kann man sie nicht verurteilen. Aber die Teams sollten nicht bestimmen, wie die Regeln für Motoren und Chassis aussehen. Dafür gibt es die FIA und die Rechteinhaber.
Was ist das größte Problem der Motoren?
Horner: Sie sind zu komplex und zu schwer. Die ganzen Kühlaggregate, die es braucht, sind irrsinnig. Die Kühler kosten fast 250.000 Euro pro Auto. Das ist verrückt. Ohne den Lärm fehlen die Emotionen. Die Technologie kommt nicht beim Zuschauer an. Und auch nicht in der Automobilwelt. Dieser Motor wurde nur eingeführt, weil es um Relevanz für die Straße ging. Das ist einfach nicht der Fall. Wir könnten so viel vereinfachen und dem Fahrer eine viel größere Bedeutung verleihen. Motor und Chassis sollten in Einklang stehen. Also 50:50. Momentan macht der Motor etwa 70 Prozent der Performance aus. Mit den V8-Motoren lag das Verhältnis ungefähr bei 55 Prozent auf der Chassis.eite.
Würden Sie auch die Aero vereinfachen, weil es mit den Autos zu schwer ist, dem Vordermann zu folgen?
Horner: Wenn man das Chassis vereinfacht und den Motor nicht, kommt dem Motor eine noch größere Bedeutung zu. Man muss eine Balance finden.
Sollte die Formel 1 den V6 und die Hybridbausteine loswerden?
Horner: Persönlich würde ich gerne einen anderen Motor sehen. Mit mehr Zylindern, einem Hochdrehzahlkonzept und besserem Sound. Das würde den Fans gefallen. Dieser Hybridantrieb, den wir jetzt haben, hat keinerlei Relevanz für die Serienentwicklung.
Bringen die Hersteller aus Ihrer Sicht nur Scheinargumente vor, wenn Sie von Serienrelevanz sprechen?
Horner: Die Formel 1 ist für die Hersteller in gewisser Weise ein Marketing-Tool. Natürlich muss es für sie Schnittstellen geben. Aber den Motor herzunehmen, um seine Verhandlungsposition zu stärken und das große Bild zu beeinflussen, ist nicht richtig.
Warum drängt Red Bull plötzlich auf geringere Kosten? Vor ein paar Jahren war das kein Thema.
Horner: Uns geht es nicht perse um eine Kostenobergrenze. Wir wollen einfach, dass die Kosten gesenkt werden. Eine Viertelmillion pro Auto in Kühler zu investieren, ist Wahnsinn. Viele Kostentreiber finden sich in den Regeln. Einfachere, engere, klarere Regeln würden die Kosten eingrenzen und herunterfahren. Eine Kostenobergrenze kannst du schwer kontrollieren. Weil jeder Konzern eine unterschiedliche Struktur hat in verschiedenen Ländern. Ich weiß nicht, wie die FIA das überwachen soll.
Wäre ein Verbot des Windkanals eine Möglichkeit?
Horner: Es gibt viele große Bereiche, die man sich anschauen kann. Man muss zuerst auf die größten Kostentreiber schauen. Das sind in jedem Unternehmen die Angestellten. Warum brauchen wir so viele? Weil Forschung und Entwicklung so viel verschlingen. Dabei könnte man viele Teile standardisieren, die dem Fan auf den Tribünen überhaupt nichts bedeuten.
Wie teuer sollte ein Motor maximal sein?
Horner: Um die zehn Millionen Dollar. Aber die Motorkosten sind im Verhältnis zum Gesamtbudget nicht das Problem. Es sind die versteckten Kostentreiber. Wir geben Millionen dafür aus, an allen Ecken des Autos Gewicht einzusparen. Der Aufwand für die Kühlung. Dazu noch die operativen Erfordernisse.
Helmut Marko lernt schon ein paar Brocken Japanisch. Sie auch?
Horner: Er war schon immer talentiert in Japan. Er ist unser Japan-Maskottchen im Moment.
Fährt Red Bull 2019 mit Renault oder Honda?
Horner: Zum Glück haben wir Optionen. Renault wünscht sich, mit uns weiterzuarbeiten. Wir haben einen Sitz in der ersten Reihe, was Honda angeht. Wir können beobachten, wie sie sich entwickeln.
Wann muss die Entscheidung fallen?
Horner: In der Sommerpause.
Auch die Fahrerfrage ist offen: Gibt es eine Deadline für Daniel Ricciardo?
Horner: Spätestens in der Sommerpause sollte es eine Entscheidung geben. Wir wollen nicht ewig warten. Wir haben andere gute Optionen. Unsere Priorität ist es, mit Daniel weiterzuarbeiten. Wenn das nicht klappen sollte, werden wir die anderen Optionen ziehen.
Die wären?
Horner: Die offensichtlichste ist Carlos Sainz. Er ist bei uns unter Vertrag. Und dann gibt es noch ein paar Nachwuchsfahrer.