Hülkenbergs Reifen zerbröselt
Die letzten beiden Rennen liefen nicht nach dem Geschmack von Renault. In England erreicht der französische Nationalrennstall wieder Normalform. Nico Hülkenberg verlor abermals ein Qualifying-Duell gegen Daniel Ricciardo. Weil ihm im letzten Sektor der linke Vorderreifen einging.
Bei Renault war die Erleichterung nach der Qualifikation zum GP England zu spüren. Beide Autos im dritten Teil, Best of the Rest im Mittelfeld der Formel 1. Daniel Ricciardo sprach von einer wichtigen Kehrtwende. „Wir wissen jetzt wieder, dass nichts Grundsätzliches falsch ist mit unserem Auto.“ Nach dem schweren Heimspiel in Paul Ricard und dem punktelosen Rennen in Spielberg ist der französische Rennstall zurück in der Spur.
Renault muss es auch sein. Ansonsten zieht McLaren, das bislang einzig konstante Team im Mittelfeld, weiter davon. Nach neun Saisonrennen hat sich der britische Traditionsrennstall schon einen Vorsprung von 20 Punkten herausgearbeitet. In der Qualifikation hielt Ricciardo den papayaorangen Rennwagen von Lando Norris um eine Zehntelsekunde hinter sich. „Ich musste mich dafür ganz schön strecken.“
Mittelschnelle Kurven als Problem
Wieso hing Renault besonders in Österreich so durch und führt in Silverstone das Feld hinter Mercedes, Ferrari und Red Bull wieder an? „Österreich ist für uns ein Mysterium. So richtig können wir es uns noch immer nicht erklären“, sagt Nico Hülkenberg. Doch es gibt Erklärungsansätze. Es ist eine Kombination aus unterschiedlichen Faktoren: die niedrigeren Temperaturen, ein anderes Streckenlayout mit anderen Kurvenfolgen, ein angepasstes Setup. In Österreich quälten sich die Renault mit der Hitze und der dünnen Höhenluft. Die Verkleidung musste in der Hitze geöffnet werden, was Anpressdruck kostete. In England ist es bedeutend kühler, die Motorhaube darf wieder eng anliegen. Die Temperaturen liegen um die 20 Grad.Zu heiß wurde es auch im Alpenland unter der Haube nicht. „ Wir hätten noch eine Kühlstufe mehr“, sagt Chassis-Direktor Nick Chester.
Vielmehr schränkte die Streckenführung von Spielberg die gelb-schwarzen Rennwagen ein. In langgezogenen mittelschnellen Kurven leidet Renault mehr als andere Autos. „In Spielberg gibt es davon im Verhältnis mehr als in Silverstone“, wirft Teamchef Cyril Abiteboul ein. Die Fahrer beklagen in diesem Kurventyp Verschiebungen der Fahrzeugbalance vom Einlenken bis zum Rausbeschleunigen. „Front und Heck passen nicht zusammen“, schildert Nico Hülkenberg. „Dieses Problem schleppen wir seit Saisonbeginn mit uns herum.“
Renault versuchte in Österreich, es mit der Fahrzeugabstimmung zu minimieren. Dabei verirrte man sich im Setup-Dschungel. So sehr, dass Ricciardo sein Auto nicht wiedererkannte, auf das er sich in den Wochen zuvor immer besser eingestellt hatte. „Sobald wir vorne Anpressdruck draufgepackt haben, rutschte das Heck“, verrät Chester. Das große Aerodynamik-Upgrade von Frankreich hat die Schwächen des Renault R.S.19 nicht kuriert.
Update bringt eineinhalb Zehntel
Die Fahrer sprechen davon, dass Simulation und Windkanal mehr versprochen hatten, als auf der Rennstrecke ankam. Die Ingenieure berichten, dass Frankreich-Upgrade aus Frontflügel, Leitblechen unter der Nase, Unterboden und einer enger anliegenden Verkleidung habe eineinhalb Zehntelsekunden gebracht. „Mit dem Upgrades ist nichts falsch“, sagt der Teamchef. „Wir haben damit nur die Schwächen nicht abgelegt. Wir müssen unsere Philosophie überdenken, wie wir neue Teile ans Auto schrauben.“ In England passte Renault nur den Unterboden im hinteren Bereich etwas an. Vor der Sommerpause werden keine großen Neuteile erwartet. Der nächste große Rundumschlag soll erst danach erfolgen.
Ricciardo hat das Vertrauen ins sein Auto wieder zurück. Nach einem schwierigen Trainingsfreitag inklusive kapitalem Motorschaden kämpfte sich der ehemalige Red Bull-Pilot auf den siebten Rang. „ Ich hatte nach dem Freitag keine Panik. Ich wusste, wo wir uns verbessern können. Wir haben die richtigen Korrekturen vorgenommen. Heute war das Auto ab der ersten Runde, wie ich es wollte.“ Die gelben Rennwagen flogen auf den Geraden. Und sie spielten ihre Vorteile in den langsamen Kurven gegenüber McLaren aus. Keiner war auf der Hangar Straight schneller als Ricciardo (337,0 km/h) und Hülkenberg (336,7 km/h). „Da hat uns sicher ein bisschen der Windschatten geholfen“, meint Ricciardo. Dazu ein inzwischen kraftvoller Motor und etwas weniger Flügel. „Mit maximalem Anpressdruck ist bei uns der Luftwiderstand zu hoch.“
Sein Teamkollege haderte mit den Reifen. Hülkenberg sah sich auf Kurs, bis der linke Vorderreifen einknickte. So verlor er auf Ricciardo 0,204 Sekunden und startet drei Positionen hinter ihm. „ Ich hatte zu viel Untersteuern in Stowe“, berichtet der Le Mans-Sieger von 2015. „Unter der Belastung hat es den linken Vorderreifen zerbröselt. Das habe ich in den letzten drei Kurven zu spüren bekommen. Vor allem in der letzten Doppelrechts. Da hatte ich viel Untersteuern und konnte erst spät aufs Gaspedal.“ Hülkenberg führt es auf zu wenig Frontflügel zurück. Im Rennen will Ricciardo seine Position gegen Norris verteidigen. Sein Teamkollege will aufrücken. „Es wird sicher kein Spaziergang im Park. Aber unsere Longruns am Freitag sahen gut aus. Ich werde sicher schneller an Daniel dran sein, als es ihm lieb ist“, scherzt Hülkenberg.