Rennanalyse GP Australien 2018
Mercedes hatte das schnellste Auto. Lewis Hamilton war der schnellste Mann in Australien. Und doch siegten Ferrari und Sebastian Vettel. Weil das ansonsten so zuverlässige Mercedes-Strategieprogramm versagte.
Was lief bei Mercedes schief?
Mercedes verlor in Australien ein Rennen, das man eigentlich nicht verlieren darf. Ausgerechnet die ansonsten so zuverlässig arbeitende Strategieabteilung patzte. Das Unheil begann in der 25. Runde. Romain Grosjean parkte seinen HaasF1 mit einem losen linken Vorderrad ausgangs Kurve zwei. Einen Umlauf später aktivierte die Rennleitung das virtuelle Safety Car. Das spielte Sebastian Vettel den entscheidenden Trumpf zu. Der Heppenheimer befand sich im letzten Streckenabschnitt unmittelbar vor der Boxeneinfahrt. Ferrari reagierte blitzschnell, bestückte den SF71H mit frischen Softreifen und brachte Vettel noch vor Hamilton zurück auf die Bahn.
In Melbourne kostet ein normaler Boxenstopp ungefähr 22,5 Sekunden. Durch die VSC-Phase sparte sich Vettel gut zehn Sekunden. Weil er günstig auf der Strecke platziert war und zwischen der ersten und zweiten Safety-Car-Linie kein Tempolimit herrscht. Dieser Abschnitt beginnt kurz vor der Boxeneinfahrt und endet kurz nach der Boxenausfahrt. Hamilton hingegen befand sich in den schnellen Kurven elf und zwölf und musste hart abbremsen. Danach bummelte er mit 120 Prozent des Renntempos weiter.
Vettel zeigte Killerinstinkt und die Ferrari-Mechaniker arbeiteten mit flinken Fingern. Der Aufenthalt in der Boxenstraße dauerte insgesamt keine 12 Sekunden. Trotzdem hätte Mercedes den Sieg nicht herschenken dürfen. Eine fehlerhafte Software führte die Strategen aufs Irrgleis. „Unser Strategieprogramm rechnete uns vor, dass wir maximal 15 Sekunden hinten sein dürfen“, erklärte Mercedes-Teamchef Toto Wolff. „Wir hatten also einen Puffer von drei bis vier Sekunden. Wir benutzen diese Software seit fünf Jahren. Entweder es gab einen Bug oder wir haben das Programm mit falschen Daten gefüttert.“ Hätte die Software den korrekten Abstand vorgegeben, hätte Hamilton locker ins Zeitfenster fahren können. „ Ich bin nur so schnell gefahren, wie es mir meine Jungs vorgegeben haben“, erklärte der Zweitplatzierte. „Es gab keinen Grund, schneller zu fahren. Lewis lag nach unseren Berechnungen ja im Fenster. Wir wollten nicht zu schnelle Rundenzeiten, weil die Reifen bis zum Schluss halten mussten“, erklärte Wolff. Hamilton ärgerte sich: „Es ist nie einfach wegzustecken, wenn man einen sicheren Sieg verliert. Es fühlt sich wie eine dunkle Wolke über mir an. Wir verlassen uns in dieser komplexen Formel 1 auf die Computer und die Daten. Ich würde mich in manchen Fällen lieber meinem Instinkt folgen.“
Bei der ersten wichtigen Entscheidung des Rennens waren die Strategen hingegen noch richtig gelegen. Man holte Hamilton in der 19. Runde an die Box, steckte ihm weiche Reifen auf und wehrte so erfolgreich den Undercut von Ferrari ab. Die Italiener hatten Kimi Räikkönen eine Runde zuvor benutzt, um Mercedes aus seiner Komfortzone zu reißen. Hätte Mercedes Hamilton./span> nicht zum Reifenwechsel gerufen, hätte der Finne die Führung übernommen.
Warum gab es überhaupt das VSC?
Die Rennleitung reagierte zunächst mit doppelt geschwenkten gelben Flaggen auf den stehenden HaasF1 von Grosjean. „Als wir gemerkt haben, dass die Bergung länger dauert, haben wir das virtuelle Safety Car ausgelöst“, erzählte Rennleiter Charlie Whiting. „Die Streckenposten bekamen das Auto aber nicht weggerollt. Vielleicht, weil das Rad lose war. Deshalb mussten wir schlussendlich das richtige Safety Car auf die Strecke senden.“
Wie ist die Rennpace der Top 3?
Mercedes holte die Pole, Ferrari den Sieg, Red Bull die schnellste Rennrunde. Das klingt nach einem ausgeglichenen Spitzenfeld, ist es aber nicht. Zwar schrumpfte der Mercedes-Vorsprung im Renntrimm, trotzdem waren die Silberpfeile überlegen. „Lewis hatte das schnellere Auto. Wir müssen Hausaufgaben erledigen“, weiß Vettel. Hamilton folgte Vettel nach dem Restart wie ein Schatten. Doch es gibt im Rennkalender nur eine Strecke, auf der es schwerer ist zu überholen als im Albert Park: in Monaco. In Australien brauchte es ein Speed-Delta von mindestens 1,8 Sekunden. „Ich war in den Kurven schneller. Aber der Ferrari ist sauschnell auf den Geraden“, bemerkte Hamilton. Das Rennen bestätigte das Qualifying: Ferrari hat einen kraftvollen Motor, aber Defizite in allen Kurventypen.
In den Turbulenzen des Ferraris verlor der Mercedes W09 an Anpressdruck. „Schon drei Sekunden hinter dem Vordermann spürst du Abtriebsverlust“, beschrieb Valtteri Bottas das Problem in Melbourne. Dennoch ließ sich Hamilton nicht abschütteln. Bis ihm in Runde 47 ein kleiner Fehler unterlief. Selbst danach robbte sich der Weltmeister nochmals heran. „Aber das Hinterherfahren hat die Reifen zum Kochen gebracht“, äußerte sich Wolff. Außerdem drohte die Antriebseinheit zu überhitzen. Hamilton erklärte: „Eigentlich spricht es gegen meine Philosophie als Racer. Ich gebe immer 120 Prozent, um zu gewinnen. Aber wir haben nur drei Motoren zur Verfügung. Mit diesen drei will ich durch die 21 Rennen kommen. Deshalb habe ich in den letzten Runden Tempo rausgenommen.“
Red Bull schob den Rückstand von sieben Zehntelsekunden in der Qualifikation auf den berühmten Mercedes-Power-Modus. Man behauptet, in den Kurven mindestens so schnell wie Mercedes zu sein. Die Ingenieure des Weltmeisters sehen es anders. „Nach unseren Berechnungen ist unser Chassis um eineinhalb Zehntel besser als das von Red Bull.“ Der Renault-V6 hat noch ein großes Leistungsdefizit. „30 PS. Wenn Mercedes die Power voll hochfährt, sind es wesentlich mehr“, sagt Red Bulls Helmut Marko.
Daniel Ricciardos schnellste Rennrunde bestätigt, dass Red Bull über die Distanz ein schnelles Auto hat. „Das war im Prinzip unsere einzig freie Runde. Und die Zeit haben wir uns nicht auf frischen Reifen erkauft“, sagt Red Bull.Teamchef Christian Horner. Toto Wolff meint: Drei Teams können Rennen gewinnen.„ Ob das nicht Schönwetter-Politik des Mercedes-Chefs ist.
Was passierte mit HaasF1?
HaasF1 hatte das viertschnellste Auto. Doch was nutzt es, wenn Schlampigkeiten zu zwei Ausfällen innerhalb von zwei Runden führen. Kevin Magnussen und Grosjean lagen auf den Positionen vier und fünf. Beide scheiterten, weil die Boxencrew nicht alle Räder sauber montierte. Im Fall von Magnussen das linke Hinterrad. Im Fall von Grosjean das linke Vorderrad. “Radnabe und Radmutter sind identisch zum Vorjahr. Die Schlagschrauber auch. Es ist einfach derselbe Fehler zweimal passiert. Die Mechaniker dachten, das Rad sei drauf. Sie drückten auf Grün und merkten erst beim Anrollen, dass das Rad wackelt„, sagte Teamchef Guenther Steiner.
Wieso drehte sich Verstappen?
Max Verstappen verlor seinen Red Bull am Eingang der ersten Kurve im zehnten Umlauf. Red Bull nahm seinen Fahrer in Schutz. “Er ist in der sechsten Runde über den Kerb von Kurve 12 gebrettert. Das hat den Diffusor beschädigt und einen großen Abtriebsverlust im Heck bewirkt„, erklärte Horner. Verstappen beklagte ein instabiles Heck. “Es bereitete mir vor allem in der Kurvenmitte Schwierigkeiten. Ich hatte massives Übersteuern.„ Die Pirouette warf ihn auf den achten Platz zurück. Bis ins Ziel machte er zwei Positionen gut.