Rennanalyse GP Frankreich 2018

Lewis Hamilton hat sich die WM-Führung mit einem überlegenen Sieg beim GP Frankreich zurückgeholt. Sebastian Vettel zerstörte sein Rennen schon in Kurve 1. Die wichtigsten Fragen zum Comeback von Paul Ricard beantworten wir in der Analyse.
Alle Experten hatten vor der Rückkehr nach Frankreich ein langweiliges Rennen prophezeit. Doch dann ging es auf dem Circuit Paul Riciard plötzlich unterhaltsamer zur Sache als befürchtet. Schon in Runde 1 wurde viel Kleinholz produziert. Dank der Aufholjagden von Sebastian Vettel und Valtteri Bottas kam nie Langweile auf. Und auch nach der Zieldurchfahrt wurde viel diskutiert.
War die Strafe für Vettel zu niedrig?
Sebastian Vettels Rennen war nach 590 Metern praktisch schon zu Ende. Der Ferrari-Pilot fuhr sich am linken Hinterreifen des Mercedes von Valtteri Bottas den Frontflügel ab, musste nach einer Runde an die Box, startete von Platz 17 eine Aufholjagd und bekam beim zweiten Boxenstopp noch eine Fünfsekunden-Strafe aufgebrummt. Die Quittung war der fünfte Platz mit einem Auto, das gut für Rang 2 gewesen wäre. Lewis Hamilton fand, dass Vettel zu billig davongekommen ist. „Er hat das Rennen von Valtteri zerstört und kam trotzdem noch vor ihm ins Ziel.“ Max Verstappen meinte höhnisch: „ Man sollte ihn jetzt mal fragen, ob er seinen Fahrstil ändert.“
Vettel ging auf die Seitenhiebe der Kollegen nicht groß ein und erklärte den Unfall aus seiner Sicht: „Ich hatte einen guten Start, hing hinter Lewis im Windschatten und sah wie außen Bottas und Verstappen heranflogen. Als Bottas seinen Platz zurückholen wollte, saß ich in der Falle. Ich war zu dicht an Hamilton dran, verlor Grip und konnte nirgendwo hin.“ Vettel verstand das nicht als Ausrede, sondern als Erklärung. Er sagte aber auch: „Ich wüsste nicht, was ich anders hätte machen sollen. Du steigst nicht 200 Meter vor der Kurve auf die Bremse, nur weil es dort eng werden könnte.“
Die Stewards verhängten die kleinste von vier möglichen Strafen. Es gibt 5 und 10 Sekunden, eine Boxendurchfahrt und eine Stop-and-Go-Strafe im Angebot. FIA-Rennleiter Charlie Whiting erklärte: „Die Sportkommissare haben die Entscheidung zeitnah getroffen, und sie war konform mit ähnlichen Vergehen aus der Vergangenheit.“ Vielleicht wäre die Strafe anders ausgefallen, hätte man gewusst, dass der Täter am Ende vor dem Opfer ins Ziel kommt.
Warum war Mercedes so überlegen?
Lewis Hamilton musste nur bis zu seinem Boxenstopp in Runde 33 Gas geben. Danach verordneten ihm die Ingenieure Schongang. Erst als Max Verstappen bis auf 3,2 Sekunden aufschloss, warf Hamilton noch einmal kurz den Turbo an. Er zog mühelos wieder davon. Hätte ihm Sebastian Vettel ohne den Unfall beim Start gefährlich werden können? „Schwer zu sagen. Ich bin immer auf anderen Reifen als er gefahren“, meinte der Ferrari-Pilot. „Wir waren auf jeden Fall besser als in Barcelona und hatten keine Probleme mit den Reifen.“
Der Mercedes-Konter nach der Niederlage von Montreal hatte viele Gründe. Ganz oben steht der neue Motor. 10 PS extra machen mindestens eine Zehntel auf der Uhr. Minimale Aerodynamik-Upgrades verbesserten die Aero-Balance. Die Ingenieure fanden schon am Freitag die perfekte Abstimmung.
Wie in Barcelona kamen die Reifen mit der dünneren Lauffläche zum Einsatz. Wieder brachte Mercedes die Reifen ohne Probleme in ihr Fenster. Das kann kein Zufall sein, auch wenn Mercedes das Reifen.hema kleinredet. Die dünnere Lauffläche bewegt sich weniger. Das hält die Aerodynamik stabil. Sicher kein Nachteil. Dazu kamen das Mercedes-freundliche Streckenlayout und die moderaten Temperaturen im Rennen. So konnte Red Bull seinen Vorteil beim Reifen.erschleiß nicht ausspielen.
Wieso blieb Bottas im Mittelfeld stecken?
Vettel schlitzte dem Mercedes mit der Nummer 77 den linken Hinterreifen auf. Obwohl Bottas auf Anraten der Ingenieure im Schneckentempo zur Box zurückrollte, zerfledderten Gummifetzen den Unterboden rund um die Hinterräder. Damit fehlten die künstlich erzeugten Luftwirbel, die nötig sind um den Diffusor zu versiegeln. Das kostete Abtrieb im Heck.
Auf die reine Rundenzeit bezogen machte der Schaden nur 2 Zehntel aus. Doch weil die Aero-Balance komplett verschoben war, verlor der Fahrer das Vertrauen ins Auto. „Es war kriminell zu fahren. Ich spürte das Heck nicht mehr und kam nicht richtig aus den Ecken raus.“ Ein langsamer Boxenstopp kostete zusätzlich 6,3 Sekunden. Der Mercedes fiel vom hinteren Wagenheber. An Kevin Magnussen biss sich Bottas die Zähne aus. Wegen der schlechten Traktion musste der Finne seine Überholmanöver in die Kurven verlegen. Dort war der HaasF1 zu schnell.
Warum wurde so viel überholt?
Im Vorfeld hatten die Fahrer über die Schikane auf der Mistral-Geraden geschimpft. Sie befürchteten trotz 700 Meter DRS-Zone vor dem Bremspunkt eine weitere langweilige Prozession und forderten FIA-Rennleiter Charlie Whiting auf, im nächsten Jahr die Originalversion mit der 1,8 Kilometer langen Geraden zu wählen. Im Rennen kam alles ganz anders: 57 Überholmanöver sind Saisonrekord. Whiting schließt eine Änderung der Streckenführung nicht aus, will aber in Spielberg noch einmal mit den Piloten reden. „Mal schauen, was sie jetzt sagen.“
Es waren glückliche Umstände, die zu den vielen Positionswechseln führten. Nach einer Runde lagen die Mitfavoriten Vettel und Bottas am Ende des Feldes. Ihre Aufholjagd würzte den Grand Prix. Die Leichtigkeit, mit der sie nach vorne stießen, zeigte die Zweiklassengesellschaft im Feld.
Vettel, der mit 11 Überholmanövern die Rangliste anführte, nannte noch einen weiteren Grund: „Auf der Gerade blies ein kräftiger Gegenwind. Da hast du vom Windschatten auf dem zweiten Teil der Gerade profitiert. Mit Rückenwind wäre es sicher schwieriger geworden.“ Nico Hülkenberg ergänzte: „Bei Gegenwind leidet nur der Vordermann. Der Verfolger hängt im Windschatten. Damit wirkt der DRS-Effekt doppelt.“ Gute Nachricht für den GP Österreich: Die FIA installiert eine dritte DRS-Zone mit 700 Meter Länge zwischen den Kurven 1 und 3.
Welche Probleme hatten die Red Bull-Piloten
Red Bull holte 30 Punkte trotz technischer Schwierigkeiten. Max Verstappen rapportierte nach dem Boxenstopp lästige Vibrationen. Ein Auswuchtgewicht eines Vorderreifens hatte sich selbständig gemacht. „Die Vibrationen haben Max keine Zeit gekostet, aber sie waren störend“, berichtete Teamchef Christian Horner.
Daniel Ricciardo meldete in Runde 23 Abtriebsverlust an der Vorderachse. Beim Boxenstopp sahen die Mechaniker, dass am linken Frontflügel zwei Flaps fehlten. „Wahrscheinlich hat Daniel Trümmerteile getroffen“, vermutete Horner. Da Ricciardo nach dem Reifen.echsel aber auch auf der rechten Flügelseite Flaps verlor, könnte es sich auch um einen Montagefehler gehandelt haben. „Das hat mich das Podium gegen Kimi gekostet. Ich bekam immer mehr Untersteuern, und das hat die Vorderreifen ruiniert“, ärgerte sich Ricciardo.
Warum wurde Sainz langsamer?
Carlos Sainz lag bis zu 49. Runde auf Platz 6, als er plötzlich einen Leistungsverlust spürte. Die MGU-K meldete sich ab. Das erinnert an den Schaden von Ricciardo in Monte Carlo. Damit fehlten 163 PS. In Monte Carlo kann man seinen Platz trotz des Handikaps verteidigen, in Paul Ricard nicht. Magnussen und Bottas nutzten die Schwäche sofort aus. Sainz konnte sich bei der VSC-Phase wegen des Reifen.latzers von Lance Stroll bedanken, dass er nicht noch weiter abrutschte. Er rettete den achten Platz mit 4,8 Sekunden Vorsprung vor Teamkollege Nico Hülkenberg.
In der Galerie zeigen wir Ihnen noch einmal die Highlights des Rennens von Paul Ricard.