Rennanalyse GP Singapur 2017
Der GP Singapur verlor schon am Start drei seiner Protagonisten. Lewis Hamilton sagte Danke und schnappte sich seinen dritten Sieg in der Nacht von Singapur. In unserer Analyse geben wir Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Wer war schuld am Startunfall.
Für Sebastian Vettel, Max Verstappen und Kimi Räikkönen endete das Nachtrennen bereits in der ersten Runde. Vettel kam mit durchdrehenden Rädern aus der nassen Startbox und versuchte, Verstappen auf der Innenseite den Weg abzuschneiden.
Räikkönen wiederrum erwischte einen Raketenstart und setzte sich links neben den Red Bull mit der Startnummer 33. Die beiden Ferraris quetschten Verstappen ein. Es folgte ein Zusammenprall zwischen dem Niederländer und Räikkönen. Beide büßten die Kontrolle über ihre Autos ein. Räikkönen torpedierte Vettel und zusammen mit Verstappen in der ersten Kurve noch den McLaren von Fernando Alonso. Mit einem beschädigten Ferrari drehte sich Vettel auf dem Weg zur Kurve vier in die Streckenbegrenzung. Drei Topautos waren raus. Verstappen zeigte mit dem Finger auf die Ferrari-Fahrer. Vettel suchte weder die Schuld bei sich noch bei den anderen. Räikkönen sah für sich unglückliche Umstände. „Ich hätte es nur mit einem schlechten Start verhindern können.“
Die Sportkommissare sichteten das komplette Videomaterial und studierten es dutzende Male. Sie bezogen alle Perspektiven in die Unfallanalyse ein und sprachen mit den drei Fahrern. Die Schiedsrichter kamen zum Schluss, dass man keinem die ganze Schuld geben könne. Sie entschieden auf Rennunfall. Experten und ehemalige Rennfahrer nahmen am ehesten Vettel in die Pflicht. „Seb hat am stärksten die Spur gewechselt, aber unter der Voraussetzung, dass er nur Verstappen sehen konnte, war es eine normale Verteidigung“, meinte Mark Webber.
Martin Brundle befand: „Unter dem Strich war es ein typischer Startunfall. Wenn man eine Schuld verteilen will, dann trifft sie Vettel. Es macht keinen Sinn, so stark nach links zu ziehen. Selbst dann nicht, wenn Kimi gar nicht dagewesen wäre. Das Risiko, dass er Max dabei trifft, ist einfach zu groß. Er weiß doch, dass Verstappen immer dagegenhält. Max kann gar nichts dafür. Damon Hill teilt Brundles Meinung: “Seb hat die Situation falsch eingeschätzt. Er muss an die WM denken, nicht an seine Position in der ersten Kurve.„
War ein stehender Start die richtige Entscheidung?
Zum ersten Mal suchte Regen das Singapur-Rennen auf. Die Fahrer hatten bisher noch keine Runde auf nassem Asphalt auf dem Marina Bay Circuit gedreht. Trotzdem entschied Rennleiter Charlie Whiting, den Grand Prix mit einem ganz gewöhnlichen Start aufzunehmen. Sowohl Sieger Lewis Hamilton./span> als auch Daniel Ricciardo und Valtteri Bottas beurteilten die Entscheidung als richtig. “In der Startaufstellung war es nicht so nass„, meinte Hamilton. “Mit einem fliegenden Start wäre die Kollision wahrscheinlich nicht passiert„, sagte Ricciardo. “Aber so etwas geschieht nun mal in einem Rennen. Die Verhältnisse waren für alle in Ordnung„ Der Australier und Bottas freuten sich im Nachgang über ihren durchschnittlichen Start. “So konnten wir von hinten anschauen, was die vorne treiben und allen Trümmerteilen und Autos entkommen.„
Renaults Einsatzleiter Alan Permane warf ein. “Warum hat Charlie die Fahrer nicht drei oder vier Runden hinter dem Safety Car fahren lassen, bevor sie zum stehenden Start rollen. Das wäre ein guter Test gewesen.„ Was der Engländer meint: Das Regelwerk gibt der Rennleitung in diesem Jahr die Möglichkeit, im Regen das Safety Car so lange vor dem Feld fahren zu lassen, bis die Bedingungen nicht mehr gefährlich sind, und dann stehend zu starten. Früher war in diesem Fall ein fliegender Start Pflicht. Die neue Prozedur wurde in der Formel 1 noch nie ausgeführt und hätte in Singapur laut Permane geübt werden können. FIA-Technikleiter Marcin Budkowski erklärt, warum man darauf verzichtete: “Wir haben das bereits in Monza mit der Formel 2 im ersten Rennen durchexerziert. Da haben wir gesehen, dass unser Ablauf funktioniert. Und ohnehin gilt die Regel nur, wenn alle dazu verpflichtet sind, auf Vollregenreifen zu fahren. Das war nicht der Fall.„
Warum war Mercedes so schnell?
Bis zum Rennen war Mercedes nur die dritte Kraft. Hinter Ferrari und Red Bull. Nach dem Qualifying ging es für die Silberpfeile eigentlich nur um Schadensbegrenzung. Hamilton sollte so wenige Punkte wie irgendwie möglich auf Vettel verlieren. Das Team wünschte sich Regen oder zumindest Mischbedingungen. Das Schicksal spielte Mercedes in die Karten. “Ich wusste, dass bei diesen Bedingungen alles neu gemischt wird. Das ist wie ein Reset. Als Fahrer kann man bei diesen Verhältnissen einen Unterschied machen„, sagte Hamilton.
Die Zwischenfälle in der Startrunde spielten ihm alle Trümpfe zu. Der WM-Führende kam bestens mit den Intermediate-Reifen zurecht. “Selbst in der Runde vor dem Wechsel lieferten sie immer noch genügend Grip.„ Dass er ein Ass auf feuchter Straße ist, bewies Hamilton durch die Bank in seiner Karriere. Zuletzt im Qualifying zum GP Italien. In Singapur half zudem eine Erinnerung. “ Ich denke in solchen Situationen immer an Senna und wie er mal sein Auto in Monaco wegschmiss. Das soll mir nicht passieren.„
Egal ob auf Intermediates oder später auf den Ultrasoftreifen: Hamilton zog Ricciardo beim Restart wieder und wieder unwiderstehlich davon. Auf den Slickreifen half die grüne Strecke. Der Regen hatte sämtlichen Grip weggespült. “Da sind unsere Autos immer besonders gut„, sagt man bei Mercedes. Man sah es an Valtteri Bottas, der plötzlich auftaute.
Was war mit Red Bull.
Die Mercedes.Stärke ist aber auch auf einen schwächeren Red Bull zurückzuführen. Auf trockener Bahn war von der Longrun-Geschwindigkeit des RB13 aus dem Freitagstraining nichts mehr zu sehen. Das hatte seine Gründe. Es gab ein Problem mit dem Getriebe, das Öl verlor. “Das Team wies mich schon sehr früh im Rennen an, die Gänge nicht mehr auszudrehen, sondern früh hochzuschalten„, erläuterte Ricciardo. Es gab aber noch ein weiteres Problem, wie die Mercedes.Ingenieure berichteten. “Wir hörten im Boxenfunk, dass Ricciardo auch Schwierigkeiten mit den Bremsen hatte.„
Warum bremste Mercedes Hamilton./span> ein?
Rund 20 Minuten vor Rennende wiesen die Mercedes.Taktiker ihren führenden Schützling an, nicht ganz so schnell zu fahren. Innerhalb einer Runde verlor Hamilton zweieinhalb Sekunden auf Ricciardo. “Er hat uns ein bisschen zu wörtlich genommen.„ Hamilton klagte, dass er die Strategie nicht verstehe und sich unwohl fühle. Er nahm wieder Tempo auf. Allerdings holte er nicht alles aus seinem W08 heraus. Weil es die Strategen so wollten.
Sie erklären die Hintergründe. “Wir wollten nicht, dass die Abstände im Feld zu groß werden. Ansonsten hätte uns ein weiteres Safety Car in Schwierigkeiten bringen können. Dann hätte Ricciardo nämlich einen weiteren Stopp machen und uns zum Schluss mit frischen Reifen angreifen können. Ein solches Szenario wollten wir unbedingt ausschließen. Wir sahen etwas Ähnliches bereits in der zweiten Safety Car-Phase. Da konnte Ricciardo ohne Verlust die Intermediates tauschen. Als Führender bist du gezwungen, draußen zu bleiben. Wenn du reinkommst, bleibt dein Hintermann auf der Strecke.„
Wieso schied Hülkenberg aus?
Nico Hülkenberg scheiterte in der 48. Runde. “Ein Ölleck im Motor„, bedauerte Alan Permane. Der lange Rheinländer war bis dahin auf dem Weg zum vierten Platz. Ein Podest hielt man bei Renault für unmöglich. “Dafür waren Mercedes und Red Bull viel zu schnell.„ Den vierten Rang hätte man aber sehr gerne mitgenommen, um den Rückstand auf Williams in der Team-WM stark zu verkürzen. Position fünf ist das Saisonziel für Renault.