So funktioniert der Startsensor
Sebastian Vettel war noch nach dem Rennen überzeugt: Valtteri Bottas hat einen Frühstart gemacht. Der Startsensor belegt das Gegenteil. Der Mercedes von Valtteri Bottas bewegte sich 0,06 Sekunden vor dem Erlöschen der Ampel. Aber im legalen Bereich.
Valtteri Bottas sprach vom Start seines Lebens. Sebastian Vettel zweifelte das an. Schon im Cockpit meldete der Ferrari-Pilot einen Frühstart seines Konkurrenten. Die Rennleitung untersuchte den Fall und meldete 31 Minuten nach dem Start: „No further action.“ Vettel wollte es auch dem Rennen nicht glauben: „Meiner Meinung nach hat Bottas zu früh gezuckt.“
Auch als man ihn mit der Reaktionszeit von Bottas konfrontiert, blieb Vettel bei seiner Meinung: „Das glaube ich nicht.“ Niki Lauda feuerte zurück: „Wenn es ein Frühstart gewesen wäre, hätte der Sensor angeschlagen. Hat er aber nicht. Also ist es sinnlos, darüber zu diskutieren.“
Die Reaktionszeiten von Bottas und Vettel wurden im Live-Bild auf den TV-Schirmen eingeblendet. Bei Bottas sollen es 0,201 Sekunden gewesen sein, bei Vettel 0,369 Sekunden. Wer sie gemessen hat, war zunächst nicht klar. Die FIA war es nicht. Sie ist nicht an Reaktionszeiten interessiert. Später gab ein Sprecher der FOM zu, dass man anhand der Sensor.eldungen die Reaktionszeiten berechnet und sie als Zusatzinformation für die TV-Zuschauer eingeblendet hat.
Reaktionszeiten sind irrelevant
Reaktionszeiten sind bei der Frage Frühstart oder nicht irrelevant. Theoretisch wäre auch eine Reaktionszeit von 0,0 Sekunden legal, auch wenn kein Mensch dazu in der Lage wäre. Über einen Frühstart entscheidet allein das Signal zwischen dem Transponder im Auto und einem im Asphalt eingelassenen Bewegungssensor. Würde ein Fahrer zocken und auf gut Glück exakt in dem Sekundenbruchteil anfahren, in dem die Lichter ausgehen, wäre er immer noch im legalen Bereich.
Der letzte dokumentierte Frühstart stammt aus dem Jahr 2012 von Pastor Maldonado beim GP Belgien 2012. Er hatte sich vor Erlöschen der Ampel über die erlaubte Toleranz.Distanz bewegt. Diese Toleranz hält die FIA geheim. Wäre sie bekannt, würden die Teams das einkalkulieren und die Starts dahingehend optimieren. Sie soll sich im einstelligen Zentimeterbereich bewegen. Eine geringe Bewegung ist deshalb erlaubt, weil die Autos beim Einlegen des ersten Gangs gerne eine kleinen Ruck nach vorne machen.
Startsystem hat noch nie versagt
FIA-Rennleiter Charlie Whiting hat uns die Starttechnik erklärt: „Wir setzen sie seit 20 Jahren ein, und sie hat nicht ein einziges Mal versagt. Weder in die eine Richtung, noch in die andere.“ Wenn das Auto in seiner Startbox steht, wird die Signalstärke zwischen Transponder und Startplatzsensor gemessen. Die kann schwanken, weil die Transponder wegen der unterschiedlichen Länge der Autos nicht immer an der gleichen Stelle platziert sind, und weil die Autos nicht zentimetergenau parken. Der Transponder befindet sich vor dem Start räumlich auf jeden Fall immer hinter dem Sensor.
In dem Augenblick, in dem das fünfte rote Licht auf der Startampel erscheint, wird eine Zeitlinie gezogen. Man spricht von der roten Linie. Geht die Ampel aus, dokumentiert der Computer eine zweite Zeitachse, genannt die grüne Linie. Die sind auf der xy-Achse mit zwei vertikalen Strichen gekennzeichnet. Eine horizontale Linie über dem Nullstrich kennzeichnet den zurückgelegten Weg. Also die geheime Toleranz.
Bei jeder Bewegung in dieser Zeitspanne wird die Signalstärke zwischen Transponder und Sensor gemessen. Fährt das Auto an, wird das Signal stärker, weil sich der Transponder auf den Sensor zubewegt. Im dem Moment, in dem Transponder und Sensor auf einer Höhe liegen, ist der Ausschlag am höchsten. Dann fällt der Graph, der die Signalstärke darstellt, auf Null zurück.
Bottas rollt 0,06 Sekunden vor Ampel-Aus an
Ein Computer berechnet anhand der Signalstärke vor dem Ausgehen der Ampel den Weg, den das Auto im „verbotenen“ Bereich zwischen roter und grüner Zeitachse zurücklegt. Liegt dieser über der erlaubten Distanz, spricht man von einem Frühstart. Man sieht das auf dem Diagramm daran, dass der Bewegungs-Graph die horizontale Linie vor Erreichen der grünen vertikalen Linie überschreitet. Die Reaktionszeit lässt sich aus dem ersten Anstieg des Graphen bis zu seinem höchsten Ausschlag berechnen.
Und was war bei Valtteri Bottas? Der Finne ist tatsächlich 0,06 Sekunden vor dem Erlöschen der Ampel angerollt. Der Graph, der den zurückgelegten Weg dokumentiert, trifft die grüne Zeitlinie klar unterhalb der horizontalen Toleranz.inie. Und warum hat die FIA 29 Minuten gebraucht, bis sie Entwarnung gab? Weil zwischendurch das Computernetz zusammenbrach. Beim Überspielen der Startdaten von der FOM an die FIA fielen plötzlich alle Zeitmonitore aus. Mercedes-Rennleiter Ron Meadows erfuhr die gute Nachricht über das Intercom-System, das ihn mit der Rennleitung verbindet.
Bottas hätte bei einem Frühstart eine Durchfahrtstrafe geblüht. Dabei hätte er 14,5 Sekunden verloren. Das hätte den Finnen mindestens auf Platz 4 zurückgeworfen. Weil sich selbst Mercedes nicht sicher war, ob der Start im legalen Bereich lag, gab man Bottas das Kommando, so viel Vorsprung wie möglich herauszufahren.