Technik-Check Porsche 919 Hybrid für Le Mans 2016

Mit dem Porsche 919 Hybrid will der Zuffenhausener Sportwagenbauer 2016 die Krone im Langstreckensport verteidigen. Im Gegensatz zu Audi wurde das Konzept nur behutsam weiterentwickelt.
Aerodynamik:
Von außen sieht es kaum aus, als hätte sich etwas am Porsche verändert. Im Gegensatz zum Audi wirkt der 919 Hybrid regelrecht konservativ. Über eine breite Öffnung, die sich in der Front von Radhaus zu Radhaus erstreckt, wird Luft in die Karosserie geleitet. Die Durchströmung senkt den Luftwiderstand und generiert Abtrieb. So radikal wie Audi wird das Konzept aber nicht verfolgt.
Täuschen lassen sollte man sich von der auf den ersten Blick einfachen aber eleganten Konstruktion aber nicht. Die Ingenieure haben über den Winter keinen Teil der Verkleidung unangetastet gelassen. Mehr Abtrieb ohne eine Erhöhung des Luftwiderstands lautete das Ziel. Der Fortschritt ist vor allem an den Rundenzeiten zu erkennen.
Das deutlichste Unterscheidungsmerkmal zum 2015er Porsche sind die 30 Prozent leichteren Leuchteinheiten. 12 LED- und Reflektorpaare pro Scheinwerfer sind in sieben einzeln ansteuerbare Stränge für Fern- und Kurvenlicht aufgeteilt. In jedem Scheinwerfer sind zudem 20 RGB-LEDs verbaut, um die beiden Porsche 919 Hybrid farblich zu kennzeichnen. Der Wagen Nr. 1 leuchtet in Magenta, das Schwesterfahrzeug mit der Startnummer 2 leuchtet in Blau.
Antrieb:
In Sachen Antrieb blieb Porsche dem Zweiliter-Vierzylinder-Turbo-Motor treu. Er wurde in den Punkten Verbrauch und Gewicht allerdings noch einmal optimiert. Auch die Gewinnung der zusätzlichen Elektro-Power über die Rekuperation von Brems- und Abgas-Energie wurde leistungsfähiger und effizienter ausgelegt.
Gespeichert wird der Elektro-Saft wie bisher in Lithium-Ionen-Batterien. Während Audi 2016 erstmals in die 6 Megajoule-Hybrid-Klasse aufsteigt, bleibt Porsche wie bisher in der 8 MJ-Königsklasse. Damit darf Porsche 14 Runden-Stints in Le Mans fahren. Audi muss bereits nach 13 Runden an die Box.
Zuverlässigkeit:
Eigentlich hatte man erwartet, dass Porsche durch die behutsame Weiterentwicklung des Vorjahresautos einen Vorteil in Sachen Standfestigkeit haben müsste. Doch dem war in den ersten Rennen nicht so. Vor allem die Batterien sorgten für Ärger und längere Standzeiten. Ein Fertigungsproblem in der Fabrik in Shanghai ließ die Energiespeicher in Spa komplett abrauchen.
Um auf Nummer sicher zu gehen, entschlossen sich die Ingenieure zu einer drastischen Maßnahme. Zum Einsatz kommen wieder die bewährten Batterie-Pakete aus dem Vorjahr. Weil das Monocoque identisch ist, klappt der Rückschritt vom Packaging ohne Probleme. Inwieweit es sich nachteilig auf die Leistung auswirkt (Energie-Aufnahme, Gewicht etc..), ist allerdings noch nicht abzusehen.
Bei den letzten Tests hat sich die Notlösung bewährt. Größere Probleme waren nicht mehr zu erkennen. Und sollte doch mal etwas passieren, dann dürften die Porsche.Schrauber wenigstens etwas schneller arbeiten als bei Audi und Toyota. Das bekannte Antriebskonzept im Neuwagen hilft im Ernstfall bei der Fehlersuche und Behebung.
Porsche wird wie Audi und Toyota dieses Jahr aus Kostengründen nur noch mit 2 Autos in Le Mans an den Start gehen. Bei 3 Fahrzeugen war die Chance, dass einer ohne Zwischenfall über die Distanz kommt, natürlich höher.
Speed:
Eines kann man vor dem 24h Rennen in Le Mans mit Sicherheit sagen: Die Konkurrenz von Porsche hat aufgeholt. Einen Durchmarsch wie im beim Sieg im Vorjahr wird es für das Team aus Weissach nicht noch einmal geben. Bei dem Le Mans-Vortests hatte Audi sogar knapp eine Sekunde die Nase vorn. Allerdings war die Tabelle nicht ganz aussagekräftig, da die Sitzung wegen eines Unfalls vorzeitig abgebrochen wurde.
Einen klaren Vorteil hat Porsche allerdings. Fahrer und Ingenieure kennen ihr Auto am besten. Durch das bekannte Konzept können sie den Speed schneller abrufen. Die Konkurrenz braucht länger um in Schwung zu kommen. Vor allem bei ungewöhnlichen Bedingungen könnte das zur entscheidenden Trumpfkarte werden. Für das Qualifying ist der 919 dank spezieller Hybrid-Lade-Strategien in der Favoritenrolle.
Über die Distanz sehen Experten kaum einen Unterschied zwischen Audi und Porsche. Nur Toyota scheint einen Tick hintendran. Der 919 Hybrid konnte den Speed aus dem Vorjahr trotz der Restriktionen in Sachen Energiemenge halten. Dabei hätten sich die 8 Prozent weniger Kraftstoff theoretisch in einem Zeitverlust von 4,5 Sekunden widerspiegeln müssen. Die hat man aber komplett egalisiert. Von wegen konservative Entwicklung.
In unserer Galerie nehmen wir den Porsche 919 genauer unter die Lupe und zeigen Ihnen noch einige Unterschiede bei den Aero-Kits.