Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost im Interview
Pierre Gasly raste in Sao Paulo überraschend auf Rang zwei. Nach dem Rennen haben wir bei Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost nachgefragt, wie diese Glanzleistung seines Fahrers und seines Autos möglich war.
Was haben Sie denn mit Pierre Gasly gemacht nach seiner Rückkehr zu Toro Rosso?
Tost: Er ist nach Italien zu uns gekommen. Da ist natürlich die Luft gleich viel besser. Und auch das Essen ist in Italien leckerer. Das hat geholfen. Spaß beiseite… Er hat sich nach seiner Rückkehr gleich sehr wohl im Auto gefühlt. Er kannte das Team ja bereits sehr gut. Es gab keine Eingewöhnungsprobleme. Die Zusammenarbeit passte einfach von Anfang an. Er hat ja nach der Sommerpause schon einige gute Rennen gezeigt, wie zum Beispiel in Singapur oder Austin. In Brasilien war er das ganze Wochenende sehr schnell unterwegs. Im Qualifying hat er dann bewiesen, dass das Paket aus Auto und Fahrer gut genug ist, für einen Startplatz in den Top-Sieben. Das war der Grundstein für ein gutes Ergebnis im Rennen.
Aber hätten sie für möglich gehalten, dass es so weit nach vorne geht?
Tost: Der zweite Platz war natürlich glücklich. Das haben wir vor allem Ferrari zu verdanken. Ich muss zu Binotto gehen und ihm meinen Dank aussprechen. Aber auch ohne die Probleme der anderen wären wir zumindest auf Rang sechs gelandet.
Warum war das Auto hier so konkurrenzfähig?
Tost: Wir haben einen guten Kompromiss in Sachen Setup gefunden. Wir waren eines der schnellsten Autos auf der langen Geraden. Aber man darf auch das kurvige Infield nicht vergessen. Pierre fuhr da sehr clever. Er hat aufgepasst, dass die Reifen am Ausgang der Kurven 4, 6 und 11 nicht zu heiß werden. Vor allem zu Beginn des Rennens mit den weichen Reifen und vollem Tank war das nicht einfach. Da hat er wirklich seine ganze Reife bewiesen. Und immer wenn Kimi von hinten Druck gemacht hat, konnte Pierre antworten und hat das Tempo ebenfalls um ein paar Zehntel erhöht. Er hat Kimi damit gezeigt, dass es heute keine Chance zum Überholen gibt. Das war sehr clever. Mit Sicherheit war es eines seiner besten Rennen.
Was ging Ihnen durch den Kopf als Hamilton Albon umgedreht hat und Pierre plötzlich auf Rang zwei lag?
Tost: Ich habe einfach gehofft, dass es nicht noch eine weitere Kollision mit Pierre gibt. Das ging ganz eng zur Sache. Zum Glück haben sie sich nicht berührt.
Was sagen Sie zum Sprint in Richtung Ziellinie?
Tost: Das war wirklich sehr aufregend. Ich bin vor allem glücklich für Honda und gratuliere allen Kollegen in Sakura dazu, dass wir Mercedes in Sachen Power auf der langen Geraden schlagen konnten. Das war einfach fantastisch.
Gab es Überlegungen, Hamilton einfach vorbeifahren zu lassen und das Podium zu sichern?
Tost: Nein, absolut nicht. Wenn man um etwas kämpfen kann, dann muss man das auch tun. Bis zum Ende. Lewis hatte zwar frischere Reifen, aber sein Frontflügel war beschädigt. In solch einer angespannten Phase will man den Fahrer auch nicht stören. Man funkt keine Anweisung ins Cockpit, dass er ein anderes Auto vorbeilassen soll. Das kann der Fahrer nicht nachvollziehen, wenn er sich mitten im Zweikampf befindet. Deshalb haben wir es einfach laufen gelassen.
Die Strategie hat auch gepasst. War das Zweistopp-Rennen von Anfang an geplant?
Tost: Wir hatten vor dem Rennen eine lange Diskussion über die Taktik. Aber mir war relativ schnell klar, dass es für uns bei diesen Wetterbedingungen mit Asphalttemperaturen von 50°C unmöglich ist, mit einem Stopp über die Runden zu kommen. Das Risiko war einfach zu groß. Ich wollte von den Ingenieuren keine ständigen Ansagen an die Fahrer hören, dass sie ihre Reifen schonen müssen. Da hätten wir zu viel Rundenzeit verloren. Das hätte nicht funktioniert. So haben wir nur in einigen Kurven etwas aufgepasst und ansonsten richtig gepusht.
In der Teamwertung liegt Racing Point jetzt 16 Punkte zurück. Ist der sechste Platz damit sicher?
Tost: Da bin ich immer vorsichtig. Man weiß ja nie, was passiert. Wir haben nach vorne auch nur noch acht Punkte Rückstand auf Renault. Da könnten sich auch noch Möglichkeiten ergeben. Wir müssen jetzt einfach clever sein und in Abu Dhabi das richtige Setup finden. Die Strecke ist ja ganz anders als Sao Paulo. Ich hoffe, dass wir dort auch wieder konkurrenzfähig sind.
Im Laufe der Saison kam Toro Rosso immer besser in Schwung. Liegt das auch an der Red-Bull-Kooperation, die langsam ihre Früchte trägt?
Tost: Nein, die technische Zusammenarbeit mit Red Bull hat uns vor allem zu Saisonbeginn geholfen. Da haben wir zum Beispiel die Aufhängung von ihnen bekommen. Während der Saison gibt es bei der Entwicklung keine großen Synergie-Effekte. Das verbietet das Reglement. Die gute Entwicklung ist vor allem auf unsere Aero-Upgrades zurückzuführen. Und Honda hat einen großen Fortschritt gemacht. Der Spec-4-Motor und das neue Benzin haben uns wirklich sehr dabei geholfen, die Performance zu verbessern.