Trainingsanalyse GP Aserbaidschan 2018
Wenn der Freitag der Sonntag gewesen wäre, hätten die Red Bull-Fahrer mit 20 Sekunden Vorsprung gewonnen. Die Vorstellung von Red Bull bereitet Ferrari und Mercedes Kopfzerbrechen. Mercedes hat wieder Fragezeichen zu den Reifen.
Bei Mercedes blickte man in viele ratlose Gesichter. Ferrari wirkte gefasst. Doch die Red Bull-Show ging auch an den Roten nicht spurlos vorüber. „Das ist ja unglaublich, wie viel Grip die Autos haben. Blasen die neuerdings den Heckflügel an?“, fragte Sebastian Vettel. Die Technik sollte ihm vertraut vorkommen. Auch Ferrari nutzt den Auspuffstrahl um Abtrieb zu erzeugen. Der Gewinn ist aber nach Expertenmeinung viel zu gering, um den großen Vorsprung der Red Bull zu erklären.
20 Sekunden Vorsprung für Red Bull
Der fällt im Longrun noch eklatanter aus als auf eine Runde. „ Wir waren im Schnitt drei bis vier Zehntel besser als die Ferrari“, rechnete Motorsportdirektor Helmut Marko freudig vor. Die Mercedes.Simulation ergab ein ähnliches Bild: Wenn der Freitag der Sonntag gewesen wäre, dann hätten die Red Bull-Piloten mit 20 Sekunden Vorsprung gewonnen. Diesmal waren Daniel Ricciardo und Max Verstappen auch auf eine Runde konkurrenzfähig. Ricciardo schlug Kimi Räikkönen im schnelleren der beide Ferrari um 0,069 Sekunden. Die Mercedes lagen über sieben Zehntel zurück.
Red Bull-Teamchef Christian Horner warnte jedoch: „Ferrari und Mercedes sind heute mit reduzierter Power gefahren. Wenn die morgen aufdrehen, wird es bestimmt enger. Wir müssen im Sektor 2 das gutmachen, was wir auf der langen Geraden im letzten Sektor verlieren werden.“ Marko ergänzte: „Weder Vettel noch Hamilton hatten optimale Runden.“ Red Bull wird seine Fahrer im Training möglicherweise im Doppelpack auf die Strecke schicken: „Wenn wir einen guten Windschatten auf der Geraden kriegen, stehen wir diesmal in einer der ersten beiden Startreihen“, glaubt Marko. Das Körnen auf den Hinterreifen stört die Red Bull-Ingenieure nicht. „ Das haben alle, die einen mehr, die anderen weniger. Das wird bis zum Sonntag verschwunden sein.“
80 km/h Wind am Sonntag
Im Duell um den besten Platz hinter Red Bull liegt Ferrari leicht vor Mercedes. Sebastian Vettel landete nach drei Ausrutschern in den Notausgang diverser Kurven in seiner besten Runde mit 1,3 Sekunden Rückstand zwar nur auf Platz 11, doch der WM-Spitzenreiter machte sich deshalb keine großen Sorgen: „Die ersten Schüsse waren nichts. Dafür lief es im Longrun umso besser.“ Auf den Supersoft-Reifen ist der Abstand zu den Red Bull geringer als auf der weichsten Mischung von Pirelli. Das Bild passt zu den ersten drei Rennen. Kein Auto aus dem Spitzentrio schont die Reifen so wie der Red Bull und ist auch noch schnell dabei. Bei Mercedes dagegen rätselte man, warum die Silberpfeile wie schon in China bei tiefen Temperaturen nicht ins Reifenfenster fanden. „Wir haben noch viel Arbeit vor uns“, stöhnte ein Ingenieur.
Die Mercedes.Piloten teilten sich wie ihre Kollegen bei Ferrari die Arbeit auf. Da Valtteri Bottas und Sebastian Vettel nur eine Garnitur Soft in ihrem Kontingent haben, musste der Teamkollege den Soft-Dauerlauf abspulen. Kimi Räikkönen lag dabei mit 1.47,070 Minuten über sechs Runden nur 0,055 Sekunden vor Lewis Hamilton. Auf den Utrasoft-Sohlen fiel der Rückstand der Silberpfeile größer aus. Auch das kennen wir von den ersten drei Grand Prix. Umso weicher die Mischung, umso größer das Problem bei Mercedes.
Niki Lauda genervt vom Reifenfenster
Niki Lauda grollte: „Wir haben wieder das verdammte Problem mit dem Reifenfenster und schaffen es einfach nicht, von Anfang an schnelle Runden zu fahren. Ich kann aber versprechen, dass es in der Qualifikation besser läuft.“ Lauda rechnet damit, dass mehr Power vom Motor auch den Reifen beim Aufwärmen hilft. Und das die Ingenieure das Setup der Autos nachbessern. Das gleiche kann aber auch Ferrari sagen.
Am Morgen bei wärmeren Temperaturen lief es für Mercedes besser. Doch das Wetter soll zum Renntag hin eher noch kühler und windiger werden. Für den Sonntag sind Stürme von bis zu 80 km/h angesagt. Auch Regen ist nicht ausgeschlossen. Rennstrecken-Designer Herman Tilke kennt die Wetterverhältnisse in Baku. Er weilte während der Planung der Strecke oft in der Stadt am Kaspischen Meer. „Der Wind fängt sich in den Häuserschluchten und ändert dort seine Richtung. An manchen Stellen packt dich eine Böe, an anderen ist es windstill.“
Neue Leitbleche beflügeln Force India
Im Mittelfeld gingen die Teams mit unterschiedlichen Strategien in das zweite Training. McLaren suchte Topspeed und den Speed auf eine Runde. Fernando Alonso lag mit 1.43,700 Minuten nur neun Zehntel hinter Ricciardos Bestzeit. Dafür fiel die Rennsimulation nicht so vielversprechend aus. Auf Ultrasoft-Reifen landete der Spanier nur auf Rang 12, auf den Supersoft-Gummis auf Platz 7. In beiden Fällen deutlich hinter den Renault.
Eine kleine Modifikation an den Leitblechen vor den Seitenkästen brachte Force India zurück auf die Spur. Sergio Perez und Esteban Ocon berichteten von einem deutlich besseren Fahrverhalten. Eigentlich hatte man sich bei dem WM-Vierten darauf eingerichtet, dass die Probleme mit dem instabilen Heck erst beim GP Spanien gelöst sein würden. Dann sollen neue Seitenkästen und eine Modifikation am Unterboden eine bessere Anströmung des Hecks garantieren. „Das wird dann einen richtigen Ruck nach vorne geben“, ist Sportdirektor Otmar Szafnauer überzeugt. „Den brauchen wir aber, weil auch alle anderen Teams um uns herum neue Teile bringen.“
Neues Aero-Paket bei Renault
Renault packte sein Aero-Paket mit neuem Unterboden, Heckflügel und Leitbleche schon in GP Aserbaidschan aus. Auch mit positivem Effekt. Beide Autos sprangen in die Top Ten. Obwohl Nico Hülkenberg von Bremsproblemen berichtete und vorgab, mit dem Auto noch nicht ganz zufrieden zu sein. „Ich bin trotzdem optimistisch, dass wir morgen zulegen können. Da ist noch Luft nach oben.“ Die Rennsimulation deutet an, dass sich die Renault vor allem im Renntrimm stark verbessert haben. Mit einem Schnitt von 1.47,338 Minuten über fünf Runden auf den Supersoft-Reifen lag Hülkenberg im Bereich von Hamilton. HaasF1 rüstete nach dem ersten Training wieder auf den bewährten Flügel für viel Abtrieb zurück. Und wanderte prompt in der Zeitentabelle nach oben. „Der kleinere Flügel gab uns zu wenig Abtrieb. Da wollten auch die Reifen nicht auf Temperatur kommen“, berichtete Teamchef Guenther Steiner.
Sauber hatte im zweiten Training nur ein Auto für die Vorbereitung zum Rennen. Marcus Ericsson stieg nach neun Runden wegen Getriebeproblemen aus seinem Auto aus. Trotzdem ist der Schwede zuversichtlich: „Der Longrun von Charles war richtig gut. Die Strecke passt uns, weil es kaum mittelschnelle und schnelle Kurven gibt. Wenn einer von uns morgen ins Q2 kommt, sind am Sonntag Punkte möglich.“