Jaguar F-Type R (Facelift)
Aggressiver und inbrünstiger als der F-Type R haben bisher nur wenige Sportwagen gebrüllt. Klären wir also, was zum Facelift von Coupé und Cabrio aus seiner Spezialität wurde und was sonst so neu ist.
Am 27. Mai 2014 veröffentlichte die EU das Amtsblatt Nr. 540/ 2014. Ja, das könnte ein Papier zum Brexit sein, denn Premierminister Cameron hatte das Referendum im Januar 2013 angekündigt. Auf den 65 Seiten geht es aber um „Geräuschpegel von Kraftfahrzeugen und von Austausch-Schalldämpferanlagen“.
Für den F-Type sollte das ein eher unangenehmes Dokument sein, denn das war ohnehin immer ein Rätsel, wie die V6- und V8-Modelle überhaupt die Zulassung gepackt haben: Unfassbar, wie heftig deren Abgasanlagen feuerwerken. Bis 2022 sind jedoch nur neu homologierte Fahrzeugtypen betroffen, ergo ist der seit 2013 gebaute F-Type fein raus aus der Nummer.
Partikelfilter dämpfen Sound
Dann probieren wir mal, wie so ein R mit 575 PS (plus 25 PS) jetzt kaltstartet. Natürlich nicht im Silent-Modus, sondern die volle Dröhnung via Auspuffknopf und Dynamikmodus. Und? Die V8-Noten sind alle da, und leise ist er sicher nicht, aber mit dem Braveheart-Kampfschrei von früher hat das nichts mehr zu tun. Jaguar beschreibt den Sound als „erwachsener“. Ja gut, stimmt schon, besonders weil das auch nicht jedem so angenehm ist, wenn der Wagen ins Wohnviertel brüllt. „Erwachsener“ heißt aber viel eher, dass die Ottopartikelfilter (OPF) dem Amtsblatt längst vorgegriffen haben.
Bis hierhin nur so viel zum Maschinenorchester, jetzt zunächst die weiteren Updates: Die Stoßstangen sind neu, die serienmäßigen LED-Scheinwerfer viel schmaler und die Rückleuchten eine Neuinterpretation der alten Form. Innen ist der Analogtacho rausgeflogen, was nicht jedem schmeckt, aber wenn digital, dann doch bitte so. Über ein Menü ist das Layout gleich beim ersten Versuch genau konfiguriert: Zwei Rundinstrumente plus Navi in der Mitte? Nein, bitte einen zentralen Drehzahlmesser mit integrierter Gang- und Tempoanzeige. Was daneben angezeigt wird, ist egal.
Zumindest ist jetzt das in der Mitte wichtig, und da lässt sich die Drehzahl leicht ablesen, wenn der V8 mit der früheren SVR-Leistungsstufe Richtung roter Bereich hämmert. Und weil eben ein Kompressor die Luft verdichtet, gibt es keine Wartezeiten auf genügend Abgasladedruck: via rechtem Pedal blitzartig bis zu 700 Nm abfeiern – was ein Fest!
Trotz Allrad drückt das Heck
Dabei liefert das beim R P575 AWD serienmäßige Allradsystem mit aktivem Sperrdifferenzial reichlich Traktion, vergisst aber nicht das Wesen des F-Type: Maximal 30 Prozent der Kraft gehen an die Vorderräder, bis über 90 nach hinten. So drückt das Heck am Kurvenausgang immer leicht, keilt aber nicht unaufgefordert aus. Herrlich! Fahraktiv fühlt sich der R speziell im Komfortmodus der Stoßdämpfer an, in dem er sich zwar nicht viel, aber immerhin ein bisschen bewegen darf. Etwas ausgeprägter wäre sicher auch cool – etwa so wie beim Vierzylinder P300 mit Basisfahrwerk, denn da passt die Mischung aus Präzision, Komfort und Fahraktivität perfekt.
Klar, für die Performance wäre das nicht so toll, aber darum geht’s beim F-Type doch nicht. Auch nicht mit der jetzt R-spezifischen Gummimischung der Pirelli-Walzen, die nun einen Zentimeter breiter sind. Natürlich ist der R sauschnell: 3,7 Sekunden auf 100 km/h, Schluss ist bei 300. Primär ist der Kerl aber ein Rowdy für die Landstraße – da wird auch der Soundtrack emotional: Das Knallen und Fauchen bringt der Auspuff viel seltener und gefühlt höchstens halb so laut, aber der V8-Beat rockt trotzdem schwer. Dass der über die Lautsprecher angefettet wird, ist zum Glück nur im P300 offensichtlich, weil dessen Klang seltsam bassig ist.
In der Pressemappe stehen solche Details nicht – wohl aber, dass die Lenkungsparameter im P575 AWD auf dessen neue Stabis, Stoßdämpfer, Hinterachsbuchsen und die oberen Querlenker abgestimmt wurden. Der Charakter der elektromechanischen Lenkung bleibt jedoch der vertraute: Das Anlenkverhalten ist nicht zu sensibel, über die Mittellage lenkt es sich in Wechselkurven geschmeidig, und die Lenkkräfte wirken passend; nur das Feedback ist wenig detailreich.
V6 entfällt
Weitere Änderungen verrät die Preisliste: Das Handschaltgetriebe wurde gestrichen, in Europa zusätzlich die V6-Varianten. Beides ist bitter, besonders weil der Basis-V6 mit 340 PS ein guter Kompromiss war. Der Sprung vom Vierzylinder-Turbo zum nächsten Motor ist nun heftig: von 64.200 auf 92.500 Euro.
Der Preis entspricht also dem des bisherigen V6 S (380 PS), bleibt um 33.100 Euro unter dem des R. Dafür gibt es eine Variante des Fünfliter-V8 mit 450 PS – und Hinterradantrieb! Wie der P450 fährt? Tja. Als wir mit ihm dran waren, haben die Regenwolken richtig Gas gegeben. Bei Nässe übersteuert er natürlich schnell, wird im Sport-ESP aber nie giftig. In nicht ganz pitschnassen Ecken fühlt er sich ähnlich an wie der R, nur ist die Hinterachse eben noch verspielter. Klar, 575 PS sind besser als 450 – nur geht der Basis-V8 mit 580 Nm auch brutal vorwärts und kommt mit nur zwei Antriebswellen dem Fahrdynamik-Ursprung am nächsten. Gut, dass dafür noch kein EU-Amtsblatt existiert.