Nachhaltiger Pionier weiter aufgewertet
Der Technologieträger filtert die Luft und sammelt Strom. Das Konzept soll den Lieferverkehr in der Stadt umweltfreundlicher machen, viele der Sustaineer-Ideen in den Alltag einfließen. Jetzt wurde das Konzept mit weiteren Innovationen aufgepeppt.
Auf Basis des eSprinters hat Mercedes-Benz Vans den Technologieträger Sustaineer entwickelt. Der Name kombiniert "Sustainability" und "Pioneer" – der Sustaineer soll also ein Nachhaltigkeitspionier sein. Der Kastenwagen mit Elektroantrieb soll den Lieferbetrieb der Zukunft für Stadtbewohner weniger belastend machen. Viele Details könnten ihren Weg in den Alltag finden. Erstmals vorgestellt wurde das Konzeptfahrzeug im Oktober 2021. Im September 2022 hat Mercedes weitere Innovationen ergänzt.
Mobilisationssitz
Langes sitzen in der immer gleichen Haltung kann gesundheitliche Schäden von Rückenschmerzen bis hin zu psychischen Beeinträchtigungen wie Ermüdung und Senkung der kognitiven Fähigkeiten verursachen. In den Mobilitätssitz hat Mercedes Luftblasen eingearbeitet, die gezielt aufgepumpt und entlüftet werden können. So lässt sich der Körper des Fahrers mit verschiedene Ablaufsequenzen in Rotation versetzen. Dadurch kann Muskelsteifigkeit im Rücken reduziert werden und sich ein positiver Effekt auf die hohe körperliche Belastung der Fahrer einstellen.
Driver Coaching App
Die gemeinsam mit WITTE:digital entwickelte App soll zu einer reichweitenoptimierten Fahrweise animieren. Mithilfe von verschiedenen weiteren Bausteinen – etwa zur Lade- und Routenplanung, der ERP-Einbindung und dem Frachtpapier-Handling – lässt sich die App auch personalisieren und an die jeweiligen Bedürfnisse anpassen.
Optimierte Aerodynamik
Eine verbesserte aerodynamische Effizienz bedeutet mehr Reichweite. Der Sustaineer ist dazu mit zwei Innovationen bestückt. Neben der vollflächigen Unterbodenverkleidung verfügt der Van auch über eine automatische Kühlerjalousie, die sich ab einem Tempo von 60 km/h automatisch schließt und so den Luftwiderstand reduziert.
Feinstaubfilter
In Zusammenarbeit mit Mann + Hummel haben die Ingenieure von Mercedes ein Filtersystem entwickelt. Davon gibt es zwei Stück beim Sustaineer. Den Feinstaubfilter am Frontmodul platziert Mercedes hinter dem Kühlergrill. Den zweiten im Heckbereich am Unterboden des Fahrzeugs. Der Frontmodulfilter reinigt die Luft während der Fahrt und beim Laden. Der hintere fängt verschmutzte Luft vom eigenen Fahrzeug und von anderen Autos ab. Im Lieferbetrieb eines Paketdienstleisters reduziert sich der ökologische Fußabdruck laut Mercedes um 50 Prozent. Dabei gehen die Ingenieure von 15-20 Stopps am Tag aus. Den Wechselintervall der Filter gibt Mercedes mit sechs bis zwölf Monaten an.
Solarpaneele
Für ein Elektrofahrzeug wie den Sustaineer bietet es sich an, Solarenergie zu nutzen. Auf dem Technologieträger hat Mercedes oberhalb der Frontscheibe und auf dem Dach Solarpaneele montiert. In einer sonnenreichen Region wie Sevilla gewänne der Sustaineer auf das Jahr gesehen 3.800 Kilometer an Reichweite. Für die 3D-geformten Solarzellen oberhalb der Frontscheibe hat Mercedes beim Sustaineer das Dach ausgeschnitten und das Paneel von innen geklebt.
Digitale Außenspiegel
Keine bahnbrechende Innovation sind die digitalen Außenspiegel am Technologieträger. Für den Actros-Lkw von Mercedes sind diese bereits im Einsatz. Im Bereich der Nutzfahrzeuge sind diese gesetzlich (noch) nicht zugelassen. Trotzdem will Mercedes zeigen, welche Vorteile digitale Außenspiegel bringen. Die Fläche verglichen mit konventionellen Außenspiegeln reduziert sich um 80 Prozent. Auch das Gewicht verringert sich um 50 Prozent. Die OLED-Displays sind oben links und oben rechts in der Frontscheibe des Kastenwagens angebracht. Gefehlt hat bei der Präsentation des Technologieträgers der Tot-Winkel-Assistent für die Außenspiegel. Laut Mercedes ist das geplant, war aber software-seitig während des Projekts nicht darstellbar – die Entwicklung dauerte nur rund sieben Monate. An einem Reinigungssystem für die Linsen der Außenspiegel arbeiten die Mercedes-Entwickler gerade. Ebenfalls digital ist der Innenspiegel des Sustaineer. Dafür verbaut Mercedes im dritten Bremslicht am Heck eine Kamera. Der Fahrer kann somit auch bei beladenem Frachtraum das Verkehrsgeschehen hinter sich sehen.
Verschleißarme Bremsen
Die Bremsscheiben des Sustaineer sind aus Grauguss gefertigt, statt wie sonst aus Aluminium. So sollen die Bremsen weniger schnell verschleißen und vor allem weniger Feinstaub emittieren. Gleichzeitig erhöht das Material die Lebensdauer und ist umweltfreundlicher als das gewöhnlicher Bremsscheiben. Die Reifen sind rollwiderstandsarm, was das Fahrzeug leiser macht. Mercedes verpasst dem Technologieträger zudem eine Stahlfelge. Diese ist laut der Ingenieure verglichen mit einer Alufelge erstaunlicherweise leichter und umweltfreundlicher in der Produktion. Die Radzierblenden sorgen für einen günstigen Luftstrom, der Energie spart und somit eine höhere Reichweite ermöglicht.
Speed-Delivery-Tür
Die Speed-Delivery-Tür auf der rechten Seite ersetzt die klassische Schiebetür. Sie funktioniert automatisch und öffnet sich per Lichtschranke. Die Doppelschwingtür bringt mehrere Vorteile. Zum einen spart der Fahrer Zeit, indem er nicht mehr das Paket extra absetzen muss, um die Schiebetür zu schließen. Zum anderen entlastet die Tür den Fahrer körperlich. Entfernt er sich vom Auto, schließt sie wiederum automatisch. Mercedes spricht von einer Lärmverringerung der Speed-Delivery-Tür verglichen mit einer konventionellen Schiebetür. Allerdings wirkte das Türenschließen beim Technologieträger kaum leiser als klassische Schiebetüren. Ebenfalls ein Kritikpunkt ist die wegen der Speed-Delivery-Tür veränderte Form des Fahrzeugs. Um Platz zu schaffen, schnitt Mercedes einen Teil der Seitenwand aus dem eSprinter und die Tür ist zurückversetzt. Aerodynamisch bringt das einen Nachteil. Das fällt bei einem Lieferfahrzeug allerdings weniger ins Gewicht, da die Geschwindigkeit meistens gering ist. Zusätzlich gibt es einen Monitor im Laderaum, der dem Fahrer anzeigt, ob sich jemand in der Nähe der Türe befindet. Das erhöht die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer beim Öffnen der Türe.
Recycling-Materialien
Im Sustaineer verwendet Mercedes verschiedene Recycling-Materialien. Das Lenkrad im Technologieträger ist mit einem veganen Lederbezug bespannt. Das Steuer unterscheidet sich weder optisch noch haptisch von einem gewöhnlichen Lederlenkrad. Im Laderaum verkleidet Mercedes den Sustaineer mit Holz und recycelten Strohplatten. Für die Unterbodenverkleidung verwendet Mercedes recyceltes Polypropylen, biobasierten Kunststoff aus Hausmüll und Reifenreste. Mercedes will zukünftig weg von der Wertschöpfungskette und hin zum Wertschöpfungskreislauf, der nachhaltiger ist. Außerdem will Mercedes ab 2022 sukzessive Batteriezellen ihrer Vans reparieren und einzeln austauschen, anstatt die gesamte Batterie zu ersetzen.
Körpernahe Heizung
Als innovativ bezeichnet Mercedes sein Klimatisierungskonzept. Ein beheizbarer Sitzgurt kombiniert mit der Sitzheizung und dem beheizbaren Lenkrad sollen für die richtige Temperatur beim Fahrer sorgen. Dieses körpernahe Heizen ist effizienter. Ein Elektrofahrzeug kann nicht auf die Abwärme des Motors zurückgreifen, wie ein gewöhnlicher Verbrenner. Durch das körpernahe Heizen spart der Sustaineer Energie und erhöht die Reichweite. Im Alltag eines Paketzulieferers bringt der beheizbare Sitzgurt vermutlich weniger. Während des Auslieferns im Winter zieht er die Jacke sicher nicht bei jedem Stopp an und aus und die isolierende Jacke lässt die Gurtwärme erst spät durch. Neben dem Sitz, dem Lenkrad und dem Sicherheitsgurt sind im weiterentwickelten Sustaineer auch Oberflächen an der Fahrertür, im Fußraum und an der Lenksäulenverkleidung elektrisch beheizbar. Die Flächenheizelemente bestehen aus einer elektrisch leitenden Silber‑Carbon‑Beschichtung, die auf ein Vlies gedruckt wird.