Freie Reifenwahl für alle
In der kommenden Saison wird die umstrittene Q2-Reifenregel gestrichen. Damit haben dann auch die Fahrer, die unter den ersten Zehn der Startaufstellung stehen, die freie Reifenwahl. Bei Pirelli arbeitet man zudem noch an Ideen, um die Formel 1 umweltfreundlicher zu machen.
Mit der Q2-Klausel im Sportgesetzt hatten die Regelschreiber eigentlich die Absicht, die Rennen spannender zu machen. In der Theorie klang der Vorschlag ganz vernünftig: Wer in der Qualifikation in die Runde der ersten Zehn erreicht, muss am Start des Rennens den Reifensatz aufziehen, mit dem er in der zweiten Quali-Runde die persönliche Bestzeit gesetzt hatte.
Damit sollte die vordere Hälfte des Feldes ein künstliches Handicap verpasst bekommen. Die hintere Hälfte hätte in der Theorie mit der freien Reifenwahl und den frischeren Gummis einen Vorteil am Start. Doch in der Realität war davon nicht viel zu erkennen.
Stattdessen nutzten die Top-Teams durch ihren Speed-Vorteil regelmäßig die Möglichkeit aus, sich mit einer härteren Mischung für die letzte Q3-Runde zu qualifizieren. Mit einem längeren ersten Stint boten sich dann im Rennen mehr Strategie-Optionen. Die Verfolger auf der weicheren Mischungen waren im Nachteil.
Q2-Regel aus dem Reglement gestrichen
George Russell brachte es auf den Punkt: "Die Reichen wurden dadurch nur noch reicher und die Armen wurden dadurch ärmer, wenn die schnellen Autos den Speed haben, um mit härteren Mischungen in das Q3 zu kommen. Dann haben die Autos aus dem Mittelfeld nicht einmal mehr die Möglichkeit zu einem Fight. Es bedeutet Game over. Es wäre also das Beste, die Regel abzuschaffen."
Auch F1-Sportchef Ross Brawn kündigte an, die Q2-Regel noch einmal zu überdenken: "Wir müssen uns das für die Zukunft anschauen, ob der Start auf den Q2-Reifen die Rennen tatsächlich besser oder schlechter macht. Die Abschaffung sollte kein großes Thema sein."
Doch schaut man in das bereits veröffentlichte Sportliche Reglement für 2022, dann ist dort von der alten Q2-Regel schon jetzt nichts mehr zu sehen. Demnach bekommt jeder Fahrer ab der kommenden Saison die freie Reifenwahl am Start.
Auf Nachfrage verriet uns ein Teammanager, dass die Regeländerung bereits im Laufe der Saison 2019 mit einfacher Mehrheit der Teams beschlossen wurde. Es habe damals zwar ein paar Teams gegeben, die gegen die Abschaffung gestimmt haben, aber momentan gebe es keine Pläne, die alte Regel im kommenden Jahr doch noch weiterzuführen.
Pirelli-Pläne für weniger Reifensätze
Ross Brawn kündigte vor einigen Wochen außerdem an, dass man versuchen werde die Zahl der Reifensätze zu reduzieren, die jedes Team an einem Wochenende zur Verfügung gestellt bekommt. Damit wolle man einen Beitrag für die Umwelt leisten. Aktuell bringt Pirelli für jeden Piloten 13 Sätze Slicks, 4 Sätze Intermediates und 3 Sätze Regenreifen mit an die Strecke.
"Wir haben dazu schon einige Gespräche mit den Teams, der F1-Verantwortlichen und der FIA geführt", verriet Pirelli-Sportchef Mario Isola. "Es liegen einige Vorschläge auf dem Tisch, um die Anzahl der Reifen zu reduzieren. Das hätte einen positiven Effekt auf die Umwelt, weil wir weniger Reifen produzieren und transportieren müssten."
Ganz einfach ist das Vorhaben aber nicht. Die Show darf nicht darunter leiden: "Wir wollen das Ziel erreichen, ohne die aktuelle Situation zu verändert. Die Teams haben momentan noch die Wahl zwischen verschiedenen Mischungen. Daraus ergeben sich verschiedene Möglichkeiten bei der Strategie. Das ist also nicht so einfach. Wir haben aber ein paar Ideen, die wir schon nächstes Jahr an einzelnen Rennwochenenden ausprobieren können."
Wiederverwendung der Regenreifen
Wie diese Ideen aussehen, wollte Isola aber noch nicht verraten. Nur für die Intermediates und die Regenreifen gibt es schon konkrete Vorschläge, um die Nachhaltigkeit zu verbessen. "Wir untersuchen geraden, ob es möglich ist, die Regenreifen und Intermediates von der Felge auf- und abzuziehen und sie dann wieder zu verwenden", so Isola.
Aktuell müssen die profilierten Gummis noch regelmäßig ungenutzt entsorgt werden, wenn die Strecke an einem Rennwochenende trocken bleibt. Einmal von den Felgen abgezogen sind die Gummis unbrauchbar. Doch mit dem Wechsel auf das 18-Zoll-Format mit verstärkten Seitenwänden im Jahr 2022 könnten sich neue Möglichkeiten ergeben.
"Kommende Saison werden ja auch standardisierte Felgen eingeführt. Vielleicht ist es damit möglich", hofft der Reifenpapst. "Wir wollen auf jeden Fall unseren Beitrag leisten, wenn es darum geht, die Formel 1 zu einer nachhaltigeren Rennserie zu machen."