Obrist Hyper Hybrid Mark II
Ein Entwickler-Team aus Österreich ersetzt den Akku im Model 3 durch einen 17-kWh-Speicher, baut einen Verbrenner in den vorderen Kofferraum ein und behauptet: Das ist sinnvoller als ein reines E-Auto.
In einem Liter Benzin stecken 9 kWh Energie. Obwohl E-Autos einen mehr als dreimal so guten Wirkungsgrad haben als Verbrenner heißt das: Eine 100 kWh-Batterie entspricht einem nicht mal 30 Liter großen Tank. Alles nur ungefähr, aber die Größenordnung illustriert das Dilemma von rein elektrischen Autos: Um so eine Batterie von 5 auf 80 Prozent zu laden, sprich die Energiemenge von etwa 22,5 Liter Sprit nachzuladen, braucht selbst ein Schnellladesäule von Ionity (Ladestrom im Idealfall: 150 kWh) in der Praxis rund eine halbe Stunde, beim Verbrenner keine fünf Minuten.
Im wahrsten Sinne des Wortes erschwerend kommt hinzu: Das Gewicht der Akkus steigt mit ihrer Kapazität. Eine 100 kWh Batterie wiegt etwa 700 Kilogramm, ein Tank voll mit der Menge an Benzin, die eine ähnliche Reichweite erlaubt, nicht mal ein Zehntel. Darum sind batterieelektrische Autos mit großer Reichweite sehr schwer, was sich negativ auf die Effizienz auswirkt – und auf die CO2-Bilanz. Denn je größere der Akku, desto schwerer der CO2-Rucksack, den er dem E-Auto aufbürdet, eh das den ersten Meter gefahren ist.
Serieller Hybrid im Model 3
Hybrid- und Range-Extender-Konzepte versuchen diese Probleme zu lösen, indem sie für weitere Entfernungen einen Verbrennungsmotor an Bord haben. Auf kürzeren Distanzen fahren sie (überwiegend) batterieelektrisch, für größere Entfernungen oder hohe Lastanforderungen nutzen sie den Verbrenner. Modelle mit Parallelhybrid, wo Verbrenner und E-Motor auf den Achsantrieb einwirken können, hat inzwischen nahezu jeder Hersteller als Plugin-Hybrid (PHEV) im Programm (Audi, BMW, Hyundai ,Kia, Mercedes, VW…). Range-Extender nutzten der erste Opel Ampera und der BMW i3 REX, neuerdings setzt Mazda wieder auf so eine Lösung mit Wankelmotor (MX-30).
Aus dem österreichischen Lustenau am Bodensee kommt jetzt eine neue Variante des seriellen Hybrids: Die Obrist Powertrain hat den Prototyp „Mark II“ vorgestellt. Er basiert auf einem Model 3" itemprop="name" />Tesla Model 3. Aus dem haben die Österreicher alle Elemente der Energiespeicherung – Batterie, Batterie.teuerung etc. – ausgebaut. Nur der Elektromotor selbst wurde beibehalten.
Verbrenner bringt Reichweite ohne viel Gewicht
Der Tesla von Obrist speichert die Energie jetzt in einer sehr viel kleineren Hochleistungs-Batterie (17,3 kWh statt mindestens 50 kWh). Sie wiegt nur 98 Kilo statt 478 wie das 50 kWh-Aggregat von Teslas Model 3. Die Batterie wird zum Teil aus der Steckdose geladen, zu einem größeren Teil jedoch mit einem Generator. Den treibt ein optimierter Zweizylinder-Benzinmotor mit 40 kW aus einem Liter Hubraum an. Der Verbrenner erzeugt ausschließlich Strom für die Batterie (oder den E-Motor), er ist nicht mit dem Antrieb verbunden.
Deswegen läuft der Motor – wenn er in Betrieb ist – nur im optimalen Drehzahlbereich und immer mit einem konstanten Kraftstoff-Luftverhältnis von 1:14,5 (Lambda=1). Bei diesem sogenannten stöchiometrischen Verhältnis können alle Brennstoff-Moleküle vollständig mit dem Luftsauerstoff reagieren, ohne dass Sauerstoff fehlt oder unverbrannter Kraftstoff übrigbleibt – es kommt zu einer vollständigen Verbrennung. Daher soll der von Obrist entwickelte Zweizylinder keine Luftschadstoffe wie etwa NOx mehr ausstoßen. Das funktioniert, weil der Zweizylinder nie gedrosselt werden muss. Die Energie, die er erzeugt, puffert die Batterie.
Schonung für die Batterie, aber nicht lokal CO2-frei
CO2 emittiert der Antrieb aber natürlich schon – entsprechend der Menge verbrannten Sprits. Allerdings soll das Model 3 mit dem Zweizylinder im vorderen Kofferraum mit zwei Liter Benzin 100 Kilometer weit kommen. Das entspricht einem CO2-Ausstoß von 23 Gramm pro Kilometer, was weit unter den EU-Limits selbst für 2030 liegt.
Und wo ist der Unterschied zum Range Extender im BMW i3 beispielsweise (wo ebenfalls ein Zweizylinder-Benziner den Generator antrieb)? Im Obrist springt der Motor nicht erst an, wenn die Batterie.adung zur Neige geht. Schon gar nicht wird der Akku erst leergefahren wie bei klassischen Plugin-Hybriden. Vielmehr generiert der Verbrenner schon frühzeitig Strom, der bei Bedarf teils direkt in den E-Antrieb wandert, den anderen Teil speichert die Batterie. Für Geschwindigkeiten unter 65 km/h genügt die Energie im Akku, darüber schaltet sich der Verbrenner zu. Das hat Vorteile für die Batterie, denn ihr Ladezustand soll sich so nahezu immer im Bereich von 50 bis 70 Prozent bewegen. Das schont die Zellen und sorgt für mehr Lebensdauer.
Die berechnete rein elektrische Reichweite nach WLTP beziffert Obrist mit 96 Kilometern – was zum Energiegehalt der Batterie passt, aber angesichts des Konzepts schwer vorstellbar ist, weil im WLTP schneller als 65 km/h gefahren wird und der Batterie.adezustand ja nicht unter 50 Prozent fallen soll. Zunächst ist externes Laden nur mit 3,7 kW Wechselstrom vorgesehen – für die kleine Batterie genüge auch das langsame Laden. Zudem ist die Infrastruktur dafür einfacher einzurichten bzw. eher schon vorhanden. Sollte ein Kunde (Autohersteller) aber andere Lademöglichkeiten wünschen, ließen die sich genauso implementieren.
Benziner im Stationärbetrieb
Außerdem hat diese Arbeitsweise auch für den Verbrenner Vorteile, der speziell auf den Stationär-Betrieb ausgelegt ist. In bisherigen Konzepten am Markt arbeitete ein normaler Benziner, nicht stationär – und laut der Experten von Obrist weder effizient, noch leise oder komfortabel. Der von Obrist entwickelte Zweizylinder hat eine verschränkte Kurbelwelle sowie Ausgleichswellen und soll so besonders vibrationsarm laufen. Außerdem ist der Verbrennungsmotor thermisch gekapselt, so verliert er keine Wärme und damit Energie. Hinzu kommt: Der Kaltstart entfällt damit quasi. Und damit die Phase mit besonders hohen Schadstoffemissionen. Ein i3 mit Range Extender würde vermutlich allein schon deswegen die jüngsten Abgasnormen nicht mehr erfüllen können. Auch bei aktuellen PHEV-Modellen muss der Verbrenner nach einer elektrischen Stadtfahrt auf der Autobahn etwa anspringen und direkt hochdrehen.
Der gesamte Hyper-Hybrid-Antriebsstrang ist deutlich leichter, als allein die Batterie bei einem rein elektrischen Fahrzeug, aber wie in diesem sitzt das Gewicht zugunsten eines niedrigen Schwerpunkts weit unten im Fahrzeug. Die Gewichtsersparnis gegenüber dem Model 3" itemprop="name" />Tesla Model 3 soll 250 Kilogramm betragen, das Mittelklasse-Auto 1.600 bis 1.700 Kilogramm wiegen. Das hilft der Effizienz. Mit dem Alltagsverbrauch 2 l/100km laut Herstellerangabe schlüge der Hyper-Hybrid vergleichbare Hybridfahrzeuge um Längen, seine Reichweite von mehr als 1.000 Kilometern wäre der jedes E-Autos überlegen. Die Österreicher behaupten zudem, das Kostenniveau wäre deutlich niedriger als bei einem reinen Elektrofahrzeug, es liege auf dem Niveau eines heutigen Dieselantriebstrangs. Für den Generator kalkuliert Obrist rund 1.200 Euro, für die Batterie etwa 2.000 Euro. Ein Mittelklassefahrzeug könnte laut der Österreicher zu einem Preis von etwa 20.000 Euro angeboten werden.
Klingt alles nach Wolkenkuckucksheim? Vielleicht. Aber laut Obrist wurde das Konzept des Mark II bereits einmal lizenziert – es soll einen Hersteller geben, der 2023/24 einen Serienanlauf plant.
Erste Probefahrt mit dem Hybrid-Tesla
Um auszuprobieren, wie sich das Konzept des Hyper-Hybrid fährt, müssen wir jedoch nicht so lange warten. Wir durften schon im Dezember 2019 im Prototypen Platz nehmen und eine kleine Testrunde absolvieren. Dank Sonderzulassung konnten wir uns dafür sogar in den normalen Verkehr einreihen. Vorher galt es aber noch, sich mit dem Model 3 bekannt zu machen. Zwar wurde der Tesla äußerlich ein wenig umgestaltet, die Bedienung mit der Schlüsselkarte und dem großen Display inklusive Tacho in der Mitte bleiben aber unverändert. Trotzdem dient das Model 3 nur als technische Basis – wie ein späteres Serienfahrzeug aussehen könnte, ist noch völlig unklar.
Wir nehmen also hinter dem Steuer Platz, wählen die Fahrstufe „D“ und rollen leise los. Auf den ersten Metern fühlt sich erst einmal alles wie in einem reinen E-Auto an – keine Motor- und Fahrgeräusche und ausreichend Drehmoment aus dem Stand heraus. Kein Wunder, schließlich sind wir auch rein elektrisch unterwegs, da die Batterie.apazität bei etwa 90 Prozent liegt und wir noch langsamer als 65 km/h fahren.
Nach ein paar Kreuzungen ordnen wir uns auf der Autobahn ein und beschleunigen fix auf 100 km/h. E-Auto-typisch geht das schnell und ohne Schaltvorgänge oder dergleichen. Nachdem wir uns zwischen den anderen Fahrzeugen orientiert haben, fallen zum ersten Mal minimale Vibrationen am Lenkrad sowie leise Brummgeräusche auf. Allerdings legen wir es auch darauf an, den Verbrenner zu spüren, so konzentrieren wir uns voll auf kleinste Veränderungen beim Fahreindruck und haben das Radio ausgeschaltet. Beim nächsten Überholmanöver oder Gespräch mit den Mitreisenden treten die Eindrücke in den Hintergrund.
Nun stellt sich noch die Frage, wie viel Sportlichkeit und Dynamik in dem Konzept steckt. Laut den Entwicklern fährt der Prototyp bis zu 170 km/h schnell, der E-Antrieb leistet bis zu 120 kW. Wir wollen es genauer wissen, verlassen die Autobahn und biegen auf eine Nebenstraße, die uns in engen Kehren den Berg hinaufbringt. Ohne Mühe sammeln wir Höhenmeter, können aus jeder Kurve herausbeschleunigen und lassen den Fotografen in der nachfolgenden, potent motorisierten Limousine schnell zurück. Ebenfalls positiv: Beim Zu- und Abschalten des Verbrenners gibt es keinerlei Ruckeln.
Auf den ersten Eindruck gefällt der Hyper-Hybrid. Zwar ist beim Prototypen der Zweizylinder in einigen Situationen noch hör- und spürbar, das Thema Schallisolation spielte laut den Entwicklern bislang aber auch noch keine große Rolle. Bei einem späteren Serienfahrzeug dürfte das sicherlich anders sein, dann könnte der Fahrkomfort in puncto Akustik auf einem Niveau mit rein batterieelektrischen Modellen liegen. Zudem taugt das Konzept auch für größere Reichweiten – ohne schwere Batterie, die einen großen CO2-Rucksack aus der Produktion mit sich trägt. Zusammen mit synthetisch erzeugten Kraftstoffen könnte der Antrieb sogar CO2-neutral sein.