Audi R8 R-tronic gegen Porsche 911 Carrera 4S PDK
Showdown mit Vieren: Als Carrera 4S fordert der neue Porsche 911 den Audi R8 nun mit dessen ureigenen Mitteln heraus. Eine von Allradantrieb, Direkteinspritzung und automatisierten Schaltgetrieben gezeichnete Sportwagen-Dramaturgie.
Die Drehbücher müssen neu geschrieben werden. Der Gejagte wird zum Jäger, der Verfolgte zum Verfolger. Wobei sich am Ende beide nun auf der gemeinsamen Flucht befinden. Denn vergleichbarer als nach der jüngsten Auffrischung des Carrera standen sich der traditionelle Platzhirsch Porsche 911 und der ursprüngliche Herausforderer Audi R8 noch nie gegenüber. Nun betritt die Neuauflage der Stuttgarter Sportwagen-Ikone als 4S-Derivat sozusagen ureigenes Ingolstädter Terrain.
Der bayrische R-tronic mit einem Aufpreis von 7.400 Euro
Mit Allradantrieb gewappnet und Direkteinspritzungs-Technologie gerüstet konzentriert sich das einstige Image-Duell zweier Sportwagen-Interpretationen zum tatsächlichen Showdown für die Pole Position im identischen Revier. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit gleichwertig gewetzten Klingen – sogar was die möglichen Getriebe-Optionen betrifft. Ob scharf gezeichneter, extrovertierter Mittelmotor-Recke oder wollüstiger Heckmotor-Verfechter – beide nehmen sich die Freiheit, herkömmliche Schaltgassen ad acta zu legen. Während sich die Systematik, die jeweils hinter dieser, sagen wir, fahrerischen Erleichterung steckt, technisch unterschiedlich aufbereitet zeigt. Bei der bayerischen R-tronic, die immerhin nach opulenten 7.400 Euro Aufpreis verlangt, handelt es sich um ein in seiner Arbeitsweise herkömmliches, jedoch elektrohydraulisch angesteuertes Sechsganggetriebe. Im Carrera hingegen übernehmen zwei getrennt agierende Kupplungen das verschliffene Mit- und Ineinander von sieben möglichen Gangradpaarungen. Was zumindest theoretisch dazu führt, dass sich der Carrera 4S dank PDK auf dem Getriebesektor mit dem vermeintlich modernsten Stand der Technik präsentiert. Und der muss nicht zwanghaft teurer sein: Der dafür aufgerufene Obolus von 3.510 Euro stellt sich sogar vergleichsweise günstig dar.
Frei von lästigen Zugkraftunterbrechungen und gesegnet mit einer perfekt vorgetragenen Launchstart-Funktion verhilft die Doppelkupplungs-Technologie dem Carrera 4S zu einem Sprintvermögen, das mit traumwandlerischer Sicherheit und in unantastbarer Perfektion vollzogen wird. Sind die dafür notwendigen Stellhebel justiert – Stabilisationssystem aus, Sport Plus-Taste aktiv –, verlangt das System nur noch nach einem einzigen manuellen Zutun: Vollgas. Mit traktionsbedingten Nachteilen haben, gemäß der technischen Gegebenheiten, weder der Elfer noch der R8 zu kämpfen. Abgesehen von der in beiden Fällen variablen Momentenverteilung tut die per se hecklastige Gewichtsbalance ein Übriges, um Schlupf zu einem nichtigen Thema zu degradieren. Wobei der Audi – obwohl mit einem günstigeren Leistungsgewicht aufwartend –, den Porsche längsdynamisch ziehen lassen muss. Zum einen, weil die Kupplung beim Spurt aus dem Stand nicht derart digital zuschnappt wie beim 4S. Und zum anderen sind die im Sportmodus vorhandenen Pausen beim Nachschießen der jeweiligen Fahrstufen nicht von der Hand zu weisen.
Der V8-Motor zur Schau gestellt
Eine leicht nickende Besatzung gehört also zum Beschleunigungsprozess des R8 dazu. Trotzdem generiert die R-tronic auch Vorzüge, die nicht nur beim manuellen Eingriff in die jeweiligen Getriebeeinheiten offenkundig werden. Zwar fordert der R8 eine gewisse Warmlaufphase, um der Kupplungsarbeit die Ruppigkeit zu nehmen. Danach beschreitet die R-tronic im normalen Automatikprogramm ihre Arbeit mit einer nachvollziehbaren Plausibilität und bar jeglicher Übermotivation. Zupass kommt dabei die Tatsache, dass der unter Glas zeremoniell zur Schau gestellte, mit penibel verarbeiteten Kohlefaser-Komponenten eingerahmte V8-Motor kraft seines Volumens ein breit gefächertes Leistungsrepertoire zur Verfügung stellt. Analog zur großen, nutzbaren Drehzahlspanne webt sich auch ein phonetisch ausladender Klangteppich zusammen. Nie aufdringlich zwar, aber vom ersten Zünden bis zur 8.000er-Marke ein hochfrequentes markantes Merkmal des R8.
Der subjektive Eindruck ist auch objektiv darstellbar: Die Messergebnisse weisen den Audi mit den besseren Elastizitätswerten aus. Im Boxer ist einfach ein höherer Arbeitstakt vonnöten, um mit der Schrittfolge des V8 mitzuhalten. 4.000 Touren minimum, dann wird der Sechszylinder spürbar munterer und kerniger. Über 6.000 Touren zeigt er seine altbekannte Vollmundigkeit dann in ganzer Größe. Darunter raubt ihm die Direkteinspritzung den akustischen Biss. Darüber ist er also auch im Wortsinn voll bei der Musik. Während die abgelegten Getriebemodi dazu angetan sind, die Stärken des neu entwickelten Sechszylinders auch entsprechend herauszuarbeiten. In der Praxis wird dies von einem übereifrigen Zurückschalten des PDK reflektiert – zumindest im Sport- beziehungsweise Sport Plus-Programm.
Im Normalmodus konzentriert sich das System zunächst auf eine spritsparende Arbeitsweise und sucht die siebte Gangstufe zuweilen übertrieben früh auf. Was wiederum zur Folge hat, dass bei jeder noch so kleinen Änderung der Gaspedalstellung wieder heruntergeschaltet wird. Vor der möglichen Flucht, manuell ins System einzugreifen, steht zunächst ein eingehendes Studium der Schaltmimik. Deren Bedienung, sowohl am Wählhebel als auch am Lenkrad, für einen Sportwagen allerdings nicht gerade plausibel ausfällt. Und im Extremfall, auf der Rennstrecke beispielsweise, kann eine engagierte Lenkarbeit schonmal zu einem unbewussten Tastendruck führen. Der eigentlich ungewollte Gangwechsel folgt ansatz- und humorlos. Ein Lob also auf die, wenn auch kleinen, Schaltwippen am Lenkrad des R8. Was die verständliche Gangwahl betrifft geht‘s klar definiert rechts rauf und links runter. Dass dabei auch im Audi-Umfeld ein Drücken des Wählhebels den nächst höheren Gang befehligt und nicht ein Ziehen, ist somit zu verschmerzen.
Der Audi mit Abrollkomfort
Überhaupt scheint es in der Natur des Bajuwaren zu liegen, seinem Fahrer das Leben so angenehm wie nur irgend möglich zu gestalten. Dabei ist die Rede nicht nur vom großzügig bemessenen Innenraum. Fraglos bietet die durch optionale Kohlefaser aufgepeppte Kommandozentrale einen stilvollen und sportlichen Rahmen zugleich, um sich der Lust am Limit in einem ergonomisch einwandfreien Umfeld hinzugeben. Aber auch die Eroberung des Grenzbereichs selbst geht in einer unaufgeregten Selbstverständlichkeit vonstatten. Zwar hat der R8 nicht jene extreme Einlenk-Direktheit des Carrera im Repertoire. Andererseits nimmt im Audi das leichte Spiel mit dem Gaspedal dem zarten Einlenkuntersteuern den Wind aus den Segeln. Das somit künstlich heraufbeschworene Drängen des Hecks nimmt jedoch zu keiner Zeit hektische oder unberechenbare Züge an. Der 4S hingegen – am Kurveneingang mehr der Neutralität verschrieben –, erfordert bei Lastwechseln eine erhöhte Alarmbereitschaft.
Auch im 18-Meter-Slalom sind die zackigen Übergänge von der Haftin die Gleitreibung schnellstens zu parieren. Dabei erkauft sich der Carrera seine ab dem ersten Meter präsente Sensibilität und Direktheit durch eine im Vergleich äußerst straffe Grundabstimmung des Fahrwerks. Zudem trägt auch die Auslegung der elastokinematischen Elemente ihren Teil dazu bei, dass die Besatzung zu jeder Zeit über die Beschaffenheit der Fahrbahnoberfläche up to date ist. Dieses unfiltrierte Auftreten nur der flachen 19-Zoll-Bereifung zuzuschreiben, wäre zu lapidar. Schließlich rollen beide Kontrahenten auf identisch dimensionierten Reifen. So bleibt am Ende die subjektive Erkenntnis, dass der Audi den ausgeprägteren Abrollkomfort praktiziert, ohne sich dabei objektive Nachteile einzuhandeln. Ganz im Gegenteil: Auch wenn sich der Carrera 4S wie die schärfere Klinge anfühlt, auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim setzt der R8 dem einstigen Platzhirsch trotzdem die Hörner auf.