Fahrbericht Chevrolet Camaro 2.0 Cabrio (2016)
Der neue Chevrolet Camaro ist etwas kleiner und 100 Kilogramm leichter geworden – und es gibt ihn auch mit einem für US-Verhältnisse winzigen 2,0-Liter-4-Zylinder-Turbo. Ist das überhaupt noch ein richtiges Ponycar? Wir waren mit der Cabrio-Variante des Amis als 50th Anniversary Edition (Aufpreis: 5.600 Euro) unterwegs.
Beim Innenraum fällt der neue Camaro schon mal aus der US-Car-Rolle: Er bietet einen anständigen Qualitätseindruck. Alles wirkt viel hochwertiger, die Retro-Instrumenten-Einheit in der Mittelkonsole wurde durch stylische Riesen-Lüftungsdüsen ersetzt, über deren galvanisiertem drehbaren Rand-Ring sich komfortabel die Temperatur getrennt für rechts und links regeln lässt. Der Fahrer schaut links auf einen mechanischen Drehzahlmesser, rechts sitzt die ebenso mechanische Geschwindigkeits-Anzeige, dazwischen zeigen virtuelle Rundinstrumente das an, was dem Sportfahrer Spaß macht: Öldruck, Wassertemperatur, Tank-Füllstand und Turbodruck. Und weiche Alcantara-Pads an der Mittelkonsole sorgen dafür, dass die Knie von Fahrer und Beifahrer nicht an einer harten Plastikkante scheuern.
Chevrolet Camaro Cabrio (2016) bekommt mehr zum 50.
Die Ledersitze sind sowohl reise- als auch sporttauglich und unser besonders gut ausgestattetes 50th-Anniversary-Modell schmückt sich zudem mit Signaturen, die daran erinnern, dass der Camaro 2016 ein halbes Jahrhundert alt wird. Beim Cabrio sind im Editions-Modell unter anderem enthalten: 20-Zoll-Felgen mit 50th-Anniversary-Logo, orangefarbene Bremssättel vorne, Lederausstattung mit Velours-Akzenten, beleuchtete Einstiegsleisten und das sonst 2.600 Euro teure Komfort- und Technologiepaket, das wiederum unter anderem ein Head-up-Display, ein beheiztes Lenkrad und einen Totwinkelwarner enthält. Auch eine Ausparkhilfe inklusive Querverkehrs-Warner für hinten ist dabei. Parksensoren für vorne stehen allerdings nicht zur Verfügung.
Der Mittelkonsolen-Bildschirm sitzt ergonomisch gut oben am Armaturenbrett. Sechs permanent eingeblendete virtuelle Direktwahl-Knöpfe machen die Bedienung leichter. So sind die Menüpunkte Sound, Telefon, Navi, Ambiente-Licht und die Smartphone-Anbindung über Android Auto oder Apple Car Play mit einem Fingerdruck abrufbar. Während man im bulligen V8-Modell den Sound über mehrere Stufen bis hin zur brüllenden Track-Einstellung wählen kann, müssen beim Vierzylinder-Modell die Varianten „Auto“ und „Aus“ genügen. Also sind wir mit „Auto“ unterwegs – und höre da: Die wenig versprechende Einstellung macht auf der Landstraße richtig Spaß. Der Vierzylinder knurrt sportlich und brabbelt vorsichtig – für einen Motor mit nur zwei Litern Hubraum gibt es hier ganz schön was auf die Ohren.
Chevrolet Camaro mit fahrtauglichem Verdeck
Praktischerweise lässt sich das Verdeck des Camaro Cabrio bis zu einer Geschwindigkeit von 50 km/h öffnen und schließen – ein enormer Vorteil bei plötzlich einsetzendem Regen in Kombination mit der permanenten Unlust, jetzt rechts ranzufahren und anzuhalten oder auf 30 km/h runter zu müssen. Laut Chevrolet gibt es sonst kein Auto, das sein Verdeck auch noch bei so hohen Geschwindigkeiten schließen kann. Das Porsche 911 Cabrio konnte dies zwar schon 2012, was aber eher die Recherche-Leistung der Marketing-Abteilung, keineswegs aber die Arbeit der Chevrolet-Ingenieure schmälert.
Straff und agil
Das Stoffverdeck macht den Camaro nicht weich: Auf die nötige Steifigkeit wurde bei der Konstruktion der zudem für die Modelle Cadillac ATS und CTS verwendeten Plattform von vornherein geachtet. Auch sonst ist der Ami ganz gut trainiert: Straff nimmt er Kurven und Schlaglöcher, willig lenkt er ein und die elektrische Servo-Lenkung arbeitet immer mit dem richtigen Widerstand – die amerikanische Weichheit vergangener Tage ist Geschichte, dass zum Sport eine gewisse Härte gehört, haben die Amerikaner jetzt auch für Autos verstanden. Die Lenk- und Antriebs-Charakteristik lässt sich sogar per Wahlknopf zwischen Auto, Tour und Sport verstellen. Wer in der Kurve von Tour auf Sport umstellt, wird augenblicklich mit einer spürbar direkteren Lenkung belohnt.
Wer traut sich?
Ein kleinvolumiger Motor in einem Camaro – daran muss man sich erstmal gewöhnen. Immerhin hat Ford beim direkten Konkurrenzmodell Mustang diesen Schritt auch gewagt und mit dem 2.3 Ecoboost eine Vierzylinder-Variante auf den Markt gefahren. Im Camaro leistet der 2,0-Liter-Turbo 275 PS. Er hat europäische Wurzeln: Wir kennen ihn schon aus dem bis 2015 gebauten Opel Astra OPC (Generation J), wo er 280 PS leisten durfte. 400 Newtonmeter maximales Drehmoment wandern anders als beim Opel an die Hinterachse – bei 3.000/min. So geht der Ami schon von unten heraus gut ab und erledigt den Referenzspurt als Cabrio in manierlichen 6,1 Sekunden. Maximal sind 240 km/h drin. Die 275 PS liegen zwar bei 5.000/min an, aber bei höheren Geschwindigkeiten kommt das Triebwerk mit seinen vier Zylindern doch an seine Spritzigkeits-Grenzen. Schlimm ist das ganz sicher nicht – man muss bei einem Zweiliter-Aggregat eben auch ein bisschen realistisch bleiben. Und der mit 317 PS und 432 Newtonmeter gesegnete Ford Ecoboost 2.3 ist auch nicht so viel besser: Auf Tempo 100 spurtet er in 5,8 Sekunden (Camaro Coupé: 5,9 Sekunden), bei der für die German Autobahn durchaus relevanten Höchstgeschwindigkeit muss er sich mit 233 km/h um sieben km/h geschlagen geben.
Ein nettes Feature hat der Camaro übrigens von seinem Vorgänger aus der fünften Generation übernommen: die Lebensdauer-Anzeige fürs Motoröl. Die Lebensdauer des mitgeführten Benzins hängt natürlich vom Gasfuß ab: Auf dem Prüfstand werden im Schnitt 8,1 Liter pro 100 Kilometer fällig, bei unserer Testfahrt mit viel Autobahn und Landstraße leuchteten 10,6 Liter in der Anzeige.
Chevrolet Camaro immer mit Automatik
Geschaltet wird im Vierzylinder-Camaro immer mit einer Achtgang-Automatik, die manuelle Sechsgang-Schaltung ist dem V8-Modell vorbehalten, welches gegen Aufpreis aber ebenfalls die Automatik bekommt. Das Schaltwerk hält immer den richtigen Gang parat, das legendäre „Huntig for Gears“, also das entnervende Suchen der Automatik nach dem richtigen Gang, gehört der Vergangenheit an. Wer selbst Hand anlegen möchte, kann dies über die Schaltpaddles oder die manuelle Schaltgasse tun – Handbefehle setzt die Automatik ohne schuldhaftes Zögern um. Und trotz aller Liebe zu handbedienter Mechanik und dem dadurch verstärkten sportlichen Fahrgefühl: Der V8 ist mit seiner Automatik 0,2 Sekunden schneller auf Tempo 100 als die Handschalter-Version und verbraucht im Schnitt mindestens einen Liter Sprit weniger.