Hyundai Ioniq Elektro gegen VW e-Golf im Test
Noch immer lahmt der Absatz von Elektroautos. Nun gibt es den VW e-Golf mit alltagstauglicher Reichweite – schafft er es, den Markt zu pushen? Und: Ist er dem Hyundai Ioniq Elektro mit ebenfalls hoher Reichweite überlegen?
Was seit jeher besonders auffällt am Golf, das ist seine Unauffälligkeit. Er steht immer parat, wenn man ihn braucht, drängt sich aber nie in den Vordergrund. So ist das auch bei der Elektroversion: Man muss dem e-Golf schon tief in die Augen blicken, um den Unterschied zu den Verbrennern festzustellen. Der Hyundai Ioniq Elektro dagegen fällt auf. Zwar gehört er nicht zu den rollenden Kuriositäten mit alternativen Antrieben, doch im deutschen Straßenbild zählt er zu den Hinguckern – einfach weil er markant aussieht und eine offensichtlich geschlossene Front trägt. Alleine das gibt schon einen Hinweis auf Elektrifizierung.
VW e-Golf mit neuer Batterie zu mehr Reichweite./strong>
Beide verstehen sich als Alltags- und Einzigauto, nicht als reiner Stadtbummler. Hyundai verspricht eine Reichweite von 280 Kilometern, VW hat beim e-Golf von ursprünglich 190 auf 300 Kilometer aufgestockt. Bei unveränderten Abmessungen soll der luftgekühlte Batterieblock jetzt 36 kWh Kapazität liefern (Ioniq: 28 kWh) – dank neuer Zellen, engerer Wicklungen und modifizierter Chemie.
Noch immer stehen die E-Autos unter Luxus-Verdacht, weshalb wir gleich zu Beginn die Preisfrage klären wollen: 35.900 Euro verlangt VW für den e-Golf, während der Ioniq Elek-tro mit 33.300 in der Preisliste steht. Abzuziehen wäre hiervon die Förderung von derzeit 4.000 Euro. Beide sind also nicht gerade günstig, verglichen mit ähnlich großen Kompaktwagen samt kräftigem Verbrenner aber auch nicht abgehoben teuer. Vorteil Hyundai.
Top 5 der Elektro-Fragen
Zweiter Dreh- und Angelpunkt der Elektromobilität: die geradezu ängstlich gestellte Frage nach der tatsächlichen Reichweite. Um diese zu ermitteln, schicken wir beide Elektriker auf unsere spezielle Testrunde durch die Stadt und über Land. Die Strecke wird eher gemütlich absolviert, etwa so, wie Verbrenner auf der Eco-Runde fahren. Ergebnis: Auf 100 Kilometer verbraucht der Ioniq im Schnitt 12,6 kWh, was einem CO2-Ausstoß von 70 Gramm entspricht – und einer Reichweite von 243 Kilometern. Der Golf zieht auf der gleichen Strecke 12,8 kWh aus seinem Akku (entspricht 72 Gramm CO2), kommt dafür aber 271 Kilometer weit (bei frühlingshaften Temperaturen). Vorteil VW.
Top 3 aller gestellten Fragen betrifft die Ladezeiten. auto motor und sport nutzt die eigenen Wallboxen in der Redaktions-Tiefgarage. Um maximal Energie zu ziehen, muss man für den e-Golf die CCS-Ladedose ordern (Serie beim Ioniq). Sie kostet zwar 625 Euro, doch erst mit ihr lassen sich Schnellladestationen an Raststätten nutzen. Um seine leeren Stromspeicher zu füllen, hängt der Hyundai 6,8 Stunden an der Wallbox (Golf 4,8). Obwohl der Ioniq ein sogenanntes Typ-2-Kabel mitbringt, lädt er an der Wallbox nur einphasig (Golf: zweiphasig). Wieder krallt sich der VW mehr Punkte.
Nächstes Thema: Garantie – wie lange stehen die Hersteller für die Batteriehaltbarkeit ein? Beide geben acht Jahre auf die Akkus. Hyundai gewährt fünf Jahre auf die angeschlossene Technik, VW zwei. Die Aussichten beim Wiederverkauf? Da hat der VW in Deutschland beste Karten. Doch dank hoher Reichweite sollte auch der Ioniq innerhalb seiner Garantiezeit gut zu veräußern sein. Die E-Technik steckt bei beiden übrigens unter der Fronthaube sowie unter dem Kofferraum. Einschränkungen für die Passagiere gibt es somit nicht, in beiden findet eine vierköpfige Familie Platz. Seine Länge münzt der Fließheck-Hyundai in mehr maximalen Laderaum um, schlägt den e-Golf hier. Dieser verliert im Vergleich zu seinen Verbrenner-Brüdern einen Teil des Fachs unter dem Ladeboden und damit Punkte.
Hyundai Ioniq Elektro punktet im Kostenkapitel
Bringt das Fließheck des Hyundai beim Beladen noch Vorteile – etwa weil die Heckklappe besonders weit aufschwingt –, so zeigen sich konzeptionelle Nachteile bei der Übersichtlichkeit nach hinten: Beim Rückwärtseinparken verstellt die C-Säule den Blick. Abzug.Gut, dass der Ioniq serienmäßig eine Rückfahrkamera besitzt. Ohnehin ist er bereits in der Variante Style hervorragend ausgestattet, kostet dann so viel wie der e-Golf, bringt aber Optionen im Wert von über 4.500 Euro mit, was ihm im Kostenkapitel viele Pluspunkte einbringt. Nachteil: Es gibt praktisch keine Extras, man muss sich für eine der drei gebotenen Ausstattungslinien entscheiden – wer Sitzheizung möchte, erhält sie nicht für die Basisversion.
Das Navigationsgerät ist beim Ioniq erfreulicherweise bereits serienmäßig, wenngleich das intuitive Bedienen nicht zu den Stärken gehört. Auch VW verdient hier Kritik: Das neue, große Infotainment-System ist im Vergleich zum Vorgänger ein Rückschritt. Es fehlen nicht nur die ausgelagerten Menütasten, sondern – viel schlimmer – der zweite Dreh-Drück-Knopf. Immerhin passt die Menüführung. Tipp: Beschränken Sie sich aufs kleine, deutlich günstigere Navi.
Multimedial betrachtet liegt der VW dennoch deutlich vor dem Hyundai; er kommt auf Wunsch mit einem WLAN-Hotspot, bietet ein DVD-Laufwerk und einen Antennenanschluss fürs Smartphone, erkennt zudem Parkhäuser und Verkehrszeichen. Und lässt sich hervorragend per Sprachsteuerung bedienen, um nur einiges anzuführen. Alleine das ergibt einen Punktevorsprung, der nicht mehr einzuholen ist.
Golf bleibt auch elektrisch Golf
Und wie fährt er? Nun ja, wie ein Golf eben. Das ist so banal wie erstaunlich. Denn immerhin schleppt er die schwere Elektrotechnik mit, was sich aber kaum negativ auswirkt. Der VW federt angenehm auf der Autobahn, absolviert Kurven auf der Landstraße zügig, stemmt sich an Anstiegen kraftvoll empor. Ein angenehmer, unauffälliger und leisetreterischer Begleiter durch den Alltag.
Der Hyundai macht das nicht viel schlechter, bleibt aber fast überall einen Hauch hinter der Finesse des VW zurück, setzt nur einzelne Glanzpunkte. Mit seinem größeren Kofferraum etwa. Oder beim Rekuperieren, das sich per Zug an den Lenkradpaddeln in vier Stufen steuern lässt – und den Spieltrieb weckt. Überhaupt zeigt der Ioniq, dass sich E-Auto und Fahrspaß nicht ausschließen müssen, gerade wenn man in den Sportmodus wechselt und der Motor williger mit dem Fahrpedal kommuniziert. Dazu die direkt reagierende Lenkung und das sanft eindrehende Heck, fertig wäre der Kurvenkünstler. Allerdings ist das kein Alleinstellungsmerkmal des Hyundai – der Golf zwirbelt ähnlich fröhlich übers Land.
Es muss schon frustrierend sein, in der Golf-Klasse anzutreten und hier einen übermächtigen Gegner vorzufinden. Doch mag der Ioniq auch in diesem Vergleichstest keine Chance auf den Sieg haben, so ist er trotzdem eine gute Alternative – für alle mit Golf-Aversion.