Jaguar XF 2.2 D und Mercedes E 220 CDI im Test
Der Jaguar XF 2.2 D - ein sparsamer Vierzylinder-Diesel soll den Einstieg in die feine Jaguar-Welt erleichtern. Dabei könnte es ihm sogar gelingen, im Terrain des Mercedes E 220 CDI zu wildern.
Eine Luxusmarke muss ihr Ansehen lange erarbeiten – und ebenso gründlich gegen den Ruch des Unvernünftigen kämpfen. Genau das versucht Jaguar seit Jahren mit diversen Einstiegsmodellen, aktuell mit dem Jaguar XF. Den gibt es seit kurzem mit einem sehr vernünftig erscheinenden 2,2-Liter-Vierzylinder-Diesel samt serienmäßiger Achtgang-Automatik. Der 190 PS starke Jaguar XF 2.2 D kostet 44.900 Euro und damit sogar etwas weniger als ein Mercedes E 220 CDI mit 170 PS und optionaler Siebengang-Automatik.
Bei nahezu gleicher Höhe und Breite ist der Jaguar XF einige Millimeter länger, misst fast fünf Meter. Seine repräsentative Statur wirkt nach dem jüngsten Facelift an den Scheinwerfern noch sehniger und damit alles andere als stattlich – bei einem Mann ist dieses Attribut schließlich nur eine Verklausulierung für dick. Im Gegenteil: Der Jaguar XF scheint den Bauch geradezu einzuziehen mit dem Effekt, dass vor allem seine Rückbank deutlich weniger Platz bietet als die der Mercedes E-Klasse.
Eingeengt oder gemütlich - Definitionssache im Jaguar XF
Objektiv betrachtet ist das ein Nachteil, subjektiv aber auch ein typisches Jaguar-Merkmal: das gemütliche Geborgensein, das Hineinschlüpfen in die Behaglichkeit von einer Extraportion Leder, die sich an den Körper schmiegt. Wer im Jaguar XF sitzt, weiß, wo er angekommen ist – auch wenn er dafür beim Einsteigen den Kopf etwas mehr einziehen muss. Da fordert die schwungvoll auslaufende Dachlinie ihren Preis. Der Innenraum ist einzigartig und für Liebhaber moderner Architektur ein Genuss an schlichter Eleganz – wobei die Verarbeitungs-Akribie erst im Kofferraum mit labberigem Teppich nachlässt.
Die Skalierung der Instrumente könnte im Jaguar XF allerdings deutlicher sein. Vor diesem Hintergrund wirkt die E-Klasse zwar schlichter, aber bis ins Detail durchdacht und lässt sich nach Gusto individualisieren. In seiner dicken Aufpreisliste warten viele teure Verlockungen, darunter auch eine größere Auswahl an Assistenzsystemen als beim Jaguar XF. Wer allerdings zum Vierzylinder-Diesel greift, wird den Geldbeutel beim Thema Optionen wohl nicht allzu bereitwillig zücken. Schließlich liegt der zurückhaltenden Motorenwahl ein gewisser Eco-Gedanke zugrunde, zumal Jaguar ebenso wie Mercedes den Basistyp serienmäßig mit Start-Stopp-Automatik liefert.
In Sachen schwäbischer Sparsamkeit lässt sich der Mercedes E 220 CDI natürlich nichts vormachen, sowohl beim Minimal- als auch beim Durchschnittsverbrauch benötigt er spürbar weniger als der Jaguar XF. Dessen 20 PS mehr verhelfen ihm andererseits zu den etwas besseren Fahrleistungen – ohne dass er die Mercedes E-Klasse in der Realität abhängen würde. Die Unterschiede betreffen eher den Gefühlsbereich: Der Vierzylinder des Jaguar XF lässt sich etwas mehr Zeit, bevor er zur Sache geht, was sich dann dramatischer anfühlt als beim Mercedes. Dessen 2,1-Liter muss etwas weniger Luft holen, bevor er anschiebt, und entfaltet sein Drehmoment gleichmäßiger.
Jaguar XF 2.2 D fordert mehr Aufmerksamkeit
Gangwechsel finden nahezu komplett im Hintergrund statt, wie die E-Klasse generell ihren Fahrer pietätvoll in Ruhe lässt – würdevolles und entspanntes Fortbewegen. Deutlich mehr Aufmerksamkeit fordert der Jaguar XF. Negativ betrachtet fällt darunter das schwer erfassbare Bediensystem mit dem berührungssensiblen Bildschirm. Bis auf die Grundbedürfnisse wie Klimatisierung finden sich die meisten Elemente in Unter-Menüs, wobei sich nicht alle Funktionen ohne Studium der Anleitung auf Anhieb finden lassen.
Doch der Jaguar XF bindet seinen Fahrer auch positiv ins Geschehen ein: Das beginnt bei der Sitzposition – tief ins Auto integriert –, geht weiter bei den Lüftungsdüsen, die beim Öffnen quasi einen Salto schlagen, und endet beim ausfahrenden Gang-Drehsteller in der Mittelkonsole. Ein Schauspiel, das selbst bei wiederholter Aufführung den Reiz des Außergewöhnlichen behält. Wer möchte, kann sich einbringen, etwa die Fahrstufen per Paddelzug anfordern. Das ist zwar nicht nötig, denn abgesehen von etwas ruppigeren Gangwechseln in den unteren der acht Gänge sortiert der ZF-Automat die Zahnräder gewissenhaft. Aber es macht Spaß, vor allem dann, wenn der Fahrer querdynamischen Tatendrang entwickelt und vor Kurven manuell herunterschaltet.
Der leichtgängigen und dennoch präzisen Lenkung ist es zu verdanken, dass der schwerere Jaguar XF trotz riesigen Wendekreises handlicher als die E-Klasse erscheint. Dessen stoischer Geradeauslauf festigt das Bild der Reiselimousine, die mit satter Schwere über die Autobahn spurt und dabei Störfaktoren wie Wind- und Abrollgeräusche auf ein Minimum reduziert – ebenso übrigens wie die entbehrlichen Informationen über den Straßenzustand. Wer aus dem Jaguar XF in die E-Klasse umsteigt und die gleiche Strecke noch einmal absolviert, würde Stein und Bein schwören, dass der Fahrbahnbelag erneuert wurde.
Mercedes E 220 CDI für Genießer
Nicht dass ein Missverständnis aufkommt: Die Mercedes E-Klasse kann dem Jaguar XF selbst auf kurvigen Sträßchen auf dem Fuße folgen; allenfalls den in sich ruhenden Fahrer drängt es weniger danach. Er genießt stattdessen etwa die erstklassigen Sitze: Vorne nimmt man in großzügigen Sesseln Platz und steigt selbst nach Urlaubsfahrten ohne Rückenschmerzen aus. Selbst auf der Fondbank fühlt man sich jederzeit gut und sicher aufgehoben – auch angesichts der zahlreichen aktiven wie passiven Schutzsysteme. Bei jedem Motorstart etwa macht sich Pre-Safe mit einem Zupfer am Gurt bemerkbar.
Im Sicherheitskapitel offenbart sich der größte Abstand zwischen den Rivalen, denn speziell bei den Assistenzsystemen zeigt Jaguar noch Nachholbedarf. Der Jaguar XF erweist sich eher als stilvolle Alternative – schließlich vermitteln nur wenige Modelle dieser Klasse ihren Käufern das Gefühl, sich etwas Außergewöhnliches geleistet zu haben. Dass er ausstattungsbereinigt günstiger ist als die E-Klasse, bestätigt die Kaufentscheidung für den XF nur noch. Bei den laufenden Kosten zeigt sich allerdings schnell, dass ein Jaguar noch nie zum Sparen taugte: Sowohl die Versicherungsprämien als auch die Wartungskosten liegen deutlich über denen des Mercedes.
Nach Punkten ist die E-Klasse die klar bessere Wahl – beim Thema Vernunft sowieso. Doch noch nie war es weniger unvernünftig als jetzt, einen Jaguar XF zu fahren. Und: Einen besseren Jaguar gab es innerhalb der Oberen Mittelklasse ebenfalls noch nie.