Land Rover Discovery 2.0 SD4 HSE im Test
Trotz Diät wiegt der neue Discovery noch immer rund 2,3 Tonnen, sein Laderaum fasst allerdings auch bis zu 2.500 Liter Gepäck. Ein Vierzylinder-Turbodiesel soll genügen, um die Fuhre effizient zu bewegen. Reicht er wirklich?
Lassen Sie stecken. Auch wenn die rechte Hand schon im Holster des schweren Offroad-Heimwerkergürtels den Ansaugluftschnorchel, die linke die Seilwinde umklammert – lassen Sie einfach alles stecken. Entgegengesetzt proportional zur Anzahl der Discovery-Generationen sinkt die Abenteuerlust des Land Rover. Wir zählen inzwischen Nummer fünf.
Woran das liegt? Weniger am Disco selbst, eher am Nutzungsverhalten der immer zahlreicheren Kunden. Hohe Sitzposition und so, die Begründungen für den Kauf eines SUV sind hinlänglich bekannt. Doch die Briten lassen sich von diesem Trend nicht einfach überrollen, liefern weiterhin eine Geländeuntersetzung, aktives Hinterachsdifferenzial und die sogenannte All Terrain Progress Control, mit der der Disco teilautomatisiert durchs Gelände krabbelt, eben auch bergauf, nicht nur bergab. Klappt das auch beim Testwagen?
Nein. Weil nichts davon in ihm steckt. Lediglich der Standard-Allradantrieb mit Torsendifferenzial kümmert sich um die Kraftverteilung von 42 zu 58 Prozent zwischen Vorder- und Hinterachse. Bei Bedarf schickt die Regelelektronik bis zu 62 Prozent nach vorne oder 78 Prozent nach hinten. Der Fahrsicherheit oder der Dynamik wegen, je nachdem. Überhaupt die Dynamik. Nun habe der Disco eine, frohlockt Land Rover, auch weil er ja so viel leichter sei, schließlich habe man sich auch vom Leiterrahmen verabschiedet, was eine Gewichtsersparnis von bis zu 480 Kilogramm ermögliche.
Sein Leben ist Verzicht
Und? Wie viel weniger wuchtet der Discovery tatsächlich auf die Waage? Verglichen mit dem Vorgänger-Testwagen 178 Kilogramm. Immerhin. Liegt aber eben auch am Verzicht auf schwere Offroad-Technik sowie die zwei Sitze in der dritten Reihe. Und ein bisschen sicher auch am Verzicht auf zwei Zylinder, denn die verbliebenen 2.283 Kilogramm muss ein Zweiliter-Vierzylinder-Aggregat schultern. Na dann, Startknopf drücken, der Drehknopf für das Achtgang-Automatikgetriebe fährt aus der Mittelkonsole empor, „D“ anwählen – und los.
Der Wandler schlupft eifrig, die Drehzahl steigt auf 3.000, kaschiert so einen Großteil der Anfahrschwäche des Biturbo-Aggregates. Dem Lader mit variabler Turbinengeometrie allein gelingt das also nicht, wenngleich er dafür sorgen soll, dass das maximale Drehmoment von 500 Newtonmetern bereits bei 1.500/min zur Verfügung steht. Der Abgasstrom, der den VTG-Lader verlässt, treibt einen Niederdrucklader an. Ab 2.800/min arbeitet er mit vollem Druck von 2,7 bar und sorgt so für die maximale Leistung von 240 PS bei 4.000/min – her damit!
Kick-down. Der 4,97 Meter lange SUV beschleunigt mit energischem Schub, wirkt wesentlich souveräner als erwartet, klingt oberhalb von 3.500/min jedoch angestrengt. Kein Wunder. Insgesamt arbeitet das drehwillige Triebwerk trotz des hohen Einspritzdrucks von 2.200 bar aber kultiviert, doppelt isolierte Motorlager und zwei Ausgleichswellen helfen. Und damit der fade Klang nicht allzu sehr am Status des großen Land Rover knabbert, wurde auch nicht an Geräuschdämmung gespart.
Also können sich die Insassen vom Meridian-Audiosystem berieseln lassen, auf mobilen Endgeräten herumdaddeln, die an sieben USB-Schnittstellen Energie finden, oder – ganz verrückt – sich einfach unterhalten. Der Geräuschpegel bei Kick-down liegt nämlich bei 69 dB(A), also zwei dB(A) weniger als beim Vorgänger mit V6-Motor. Eine angeregte Unterhaltung kostet möglicherweise sogar weniger Nerven als die Nutzung des Infotainments, denn mit einem handelsüblichen Smartphone (von diesem Laden, der sonst irgendwas mit Obst macht, Sie wissen schon) hängt sich das System schon mal auf.
Wenig Geschwindigkeit, mehr Sicherheit
Unbekannte Welten zu discov... entdecken, kann ebenfalls länger dauern, denn die Navigation kalkuliert die Routen offenbar mit dem Texas-Instruments-Taschenrechner aus Schulzeiten. Na ja, macht ja nichts, wirklich eilig sollte es der Discoverer am Steuer eh nicht haben, was jedoch weniger am kräftigen Vierzylindermotor liegt. Okay, bei der Beschleunigung von 0 auf 100 km/h reißt er krachend die vom Werk vorgegebene Hürde, benötigt 9,1 statt 8,3 Sekunden. Ist aber für einen SUV der Kategorie Mords-Trumm völlig in Ordnung.
Vielmehr fährt sich der Land Rover arg unhandlich – unhandlicher, als es allein aufgrund seiner Abmessungen sein müsste (2,02 Meter Breite!), da Richtungsänderungen einen hohen Lenkwinkel erfordern. Eine schluffige Lenkung also? Nein, einfach nur eine Idee zu indirekt. Die Rückmeldung hingegen stimmt, der Discovery lässt seinen Fahrer nicht auf der Seife stehen. Nur agil mag er einfach nicht, schlurft mit 110,9 km/h durch den doppelten Spurwechsel und im Slalom ... ach, egal.
Die wichtigere Erkenntnis in diesen Disziplinen findet sich bei der Fahrsicherheit, denn die liegt deutlich über der des Vorgängers. Der Neue schaukelt sich nicht mehr auf, rollt und wankt weit weniger ausgeprägt, knickt nicht mehr so stark über das kurvenäußere Vorderrad weg. Bevor die Entdeckungsreise ganz verrutscht, korrigiert das ESP durchaus bestimmt, muss aber nicht mehr brachial eingrätschen. Ganz abschalten lässt es sich übrigens nicht, zumindest nicht alle Unterfunktionen. Irgendwas bremst immer bei extremen Fahrmanövern.
Apropos: Bremsen, ja, das kann der Disco auch, endlich, kommt mit kalter Bremse schon nach 37 Metern aus 100 km/h zum Stillstand. Sommer- statt Ganzjahresreifen helfen eben. Jetzt aber Schluss mit der Hektik, lieber entspannt reisen, was ja so wunderbar gelingt auf den großen Vordersitzen, deren bequeme Polsterung mit einer Idee Seitenhalt abgeschmeckt ist. Da thronst du also in der ersten Reihe, genießt eine hervorragende Aussicht, freust dich über die gute Ergonomie. Du kannst viel Zeit damit verbringen, noch viel mehr Kleinkram im Cockpit unterzubringen, im riesigen Fach unter den Getränkehaltern könnten sich sogar quengelnde Kleinkinder verstecken.
Äußere und innere Größe
Großkram findet natürlich ebenfalls Platz, entweder bis zu 2.500 Liter oder 657 kg Gepäck, nun, besser: Fracht. Oder groß gewachsene Passagiere, im Testwagen eben nur vier weitere außer dir, die zwei Zusatzsitze kosten 1.625 Euro extra. Doch schon in Reihe zwei wird gemault, über die viel zu kurze Sitzfläche im Speziellen und die konturlose Bank im Allgemeinen.
Und der Federungskomfort? Na, Luftfederung, da geht was, oder? Ja, schon, lange Bodenwellen verarbeitet die Abstimmung zuverlässig, stabilisiert den 1,85 Meter hohen SUV schnell, unterbindet zu starke Vertikalbewegungen. Schlaglöcher und Querfugen retourniert das Fahrwerk ebenfalls gut, die 21-Zoll-Räder aber nicht. Sie poltern.
Das Automatikgetriebe schaltet unterdessen frühestmöglich in die höchste Stufe, schnell und sanft, harmoniert wunderbar mit dem kultivierten Motor, hilft ihm zudem beim Spritsparen. Auf der Eco-Runde reichen dem Discovery 6,9 l/100 km, im Testdurchschnitt kommt er auf glatte neun Liter, ergibt 855 km Reichweite. Da willst du die Harmonie auch nicht durch manuelle Eingriffe ins Getriebe stören, auch wenn die herrlichen Alu-Paddel locken – eines der wenigen hochwertigen Details. Sonst zeichnet die Materialien eher ihre Abwaschbarkeit aus. Schlimmer: die unexakt eingepasste Heckklappe.
Ein guter SUV also, der neue Disco, aber kein rundum überzeugender. Zumindest auf der Straße. Wen es ins Abseits zieht, der kann für 4.900 Euro das eingangs erwähnte Offroad-Zubehör bestellen. Und dann das Holster entsichern, in dem der Ansaugluftschnorchel steckt. Übrigens: Die Wattiefe liegt mit 900 Millimetern nun 200 Millimeter über der des Vorgängers. Serienmäßig.