Lexus LFA im Fahrbericht
Einen Sportwagen wie den Lexus LFA wird es nie mehr geben, zumindest nicht aus dem Toyota-Konzern. Also verabredeten wir uns mit dem 571 PS starken Renner für letzte Runden auf dem Fuji Speedway.
Als „heiliger Ort und Quelle künstlerischer Inspiration“ steht man über den Dingen. Und kann seinen Kopf dann auch schon mal in die Wolken stecken, selbst wenn zu seinen Füßen Großartiges, vielleicht sogar Weltbewegendes passiert – zumindest aus der Sicht eines vielleicht etwas rückwärtsgewandten, aber bedingungslosen Autofans. Der Fuji jedenfalls, höchster Berg Japans und vulkanischer Grund für das Verfassen unzähliger Gedichte (keine Sorge, das bleibt Ihnen erspart, liebe Leser), versteckt sich, schart dunkle Kumuluswolken um seinen Gipfel, die Regen verkünden.
Lexus LFA mit der Aura eines Türstehers
Und Regen ist genau das, was heute höchst unerwünscht wäre. Geht es doch darum, sich endgültig von einem einzigartigen Automobil zu verabschieden. Bitte nicht falsch verstehen: „Einzigartig“ ist nicht synonym zu verwenden mit „dem besten aller Zeiten“. Doch in seiner Ausprägung dürfte der LFA der erste und letzte Sportwagen seiner Art von Lexus, nein, vom gesamten Toyota-Konzern mit all seiner weltbeherrschenden Größe sein.
Der Lexus LFA selbst hingegen schert sich wenig darum, rollt recht gemütlich durch die Pforte zur traditionsreichen 4,563 Kilometer langen Rennstrecke, bergauf zum Parkplatz diesseits der Boxengasse. Der Fanshop hat bereits geschlossen, es ist später Nachmittag, Devotionalien gibt's also keine. Dafür einen kalten grünen Tee aus dem Automaten, und, na klar, Sprite gäbe es auch, doch in Bayern trinkt man ja auch kein Beck's Bier.
Leuchtend gelb parkt der Lexus LFA im Fahrbericht daneben, beileibe nicht unschuldig, denn sein Kohlefaser-Heckflügel und die Flaps an der Frontschürze kontrastieren technikverliebt mit der Lackierung, verleihen dem kantigen Zweitürer die Aura eines Türstehers: Du kommst hier nicht rein. Zumindest nicht jeder. Denn zu unserer Abschiedsgeschichte schickt Lexus extra die Variante mit Nürburgring-Paket, mit von 560 auf 571 PS leistungsgesteigertem V10-Triebwerk und in Richtung Abtrieb optimierter Aerodynamik. Lediglich zehn Prozent der auf 500 Einheiten limitierten LFA-Produktion wurden damit ausgeliefert, für einen Aufpreis von 75.000 Euro.
Absurder Grundpreis für den Lexus LFA
Der Grundpreis? 370.000 Euro, hoppala. Und dieses Exemplar kann ohnehin niemand bezahlen, Prototypstatus, da können noch so viele Oligarchen oder Scheiche mit Scheinen wedeln. Übrigens: Die Ziffer 714 auf dem Kennzeichen weist subtil auf die Nordschleifen-Rundenzeit des Lexus LFA mit Nürburgring-Paket hin. Hier auf dem Fuji Speedway würde ein Profi irgendwas unter zwei Minuten benötigen. An den Bridgestone-Potenza-RE070-Reifen, straßenzugelassen natürlich, soll es nicht liegen, denn deren Temperatur passt.
Der Berg Fuji steckt seinen Gipfel weiterhin in die Wolken, als ob er wüsste, was nun passiert. Das 4,8-Liter-Triebwerk bellt nach hellem Singen des Anlassers kurz auf, läuft dann vibrationsfrei, aber bedrohlich tief singend im Leerlauf, willens, den knapp 1,6 Tonnen schweren Lexus LFA unbedingt zu beschleunigen. Pleuel und Ventile aus Titan, Leichtbau-Kurbelwelle, Trockensumpfschmierung, Einzeldrosselanlage, zweistufiges Ansaugsystem – allein diese Aufzählung erfüllt zweierlei: die Erklärung des absurden Kaufpreises, teilweise zumindest, und des LFA-Charakters.
In sechs Zehntelsekunden schnellt die Drehzahl aus dem Leerlauf auf 9.000 Umdrehungen, in Worten: neuntausend, in Zahlen auch. Dabei von Ansprechverhalten zu reden, wäre mit banal nur unzureichend umschrieben, denn das Triebwerk sabbert, giert, wimmert geradezu um jeden Gaspedalbefehl, um ihn mit einer offen zur Schau gestellten Gier, ja Wut, umzusetzen, Leistung zu liefern, den Sportwagen zu beschleunigen.
Lexus LFA schnalzt in 11,2 Sekunden auf 200 km/h
In 3,7 Sekunden von 0 auf 100 km/h schafft der Lexus, in 11,2 Sekunden demütigt er die 200-km/h-Marke, sport auto hat's nachgemessen, damals, 2012. In diesem V10 kehrt nie Ruhe ein, er bleibt immer hellwach, immer bereit, seinem Nutzer die Brillanz eines Saugmotors vor Augen zu führen – und auch vor Ohren.
Das Aggregat donnert, trompetet, schreit, wütet geradezu, tobt, ohne dabei im Fahrbericht nennenswerte Vibrationen auszusenden, dem Zylinderbankwinkel von 72 Grad sei Dank. Die Leistungsentfaltung? Eine Art Referenz für das Attribut „linear“, denn über das gesamte Drehzahlband lassen sich definitiv keine Berge und Täler erkennen, der massive Leistungseinsatz erfolgt kontinuierlich, unerbittlich, bis eben bei 9.000/min der animierte Drehzahlmesser rot aufblinkt und den Fahrer anbrüllt, jetzt gefälligst den Gang zu wechseln.
Dafür wiederum ist ein automatisiertes Schaltgetriebe im Lexus LFA verantwortlich, jener unglückliche Brückenschlag zum Doppelkupplungsgetriebe, der eigentlich nur in einem Sportwagen richtig funktioniert, und zwar dann, wenn kein Schaltkomfort gefragt ist – also jetzt.
Gangwechsel in 0,2 Sekunden
Mit einem herrlich metallisch-mechanischen Klick gibt die rechte, starr am Lenkrad montierte Wippe den Befehl, und innerhalb von 0,2 Sekunden führt ihn das Getriebe aus. Erneut opfert das Triebwerk jegliche turbogeladene Drehmomentgewalt auf dem Altar der Drehfreude, tobt wieder die endlose Skala des Drehzahlmessers empor. Wieder 9.000/min, jetzt knallen die Kolben mit einer Geschwindigkeit von 25 m/s durch die Zylinder. Zum Vergleich: Der nicht minder brillante V10 des Porsche Carrera GT kommt auf 20,3 m/s.
So viel Gewalt will dosiert werden auf dem Fuji Speedway, was in Anbetracht der langen Start-Ziel-Gerade sowie der scheinbar nur mild geschwungenen Streckenführung unterhalb davon kein Problem darstellen sollte. Doch der LFA ist schnell, verdammt schnell, das Gripniveau liegt hoch, die daraus resultierende Querbeschleunigung will erst einmal verdaut werden.
Und das Kurvengeschlängel aus dem Tal hinauf zur engen Rechts auf Start-Ziel lässt sich auch nicht eben im Vorbeifahren erlernen, erfordert Konzentration, viel Gefühl bei der Gangwahl und einen präzisen Einlenkpunkt.
Das ESP bleibt besser an
In einem schwachen Moment deaktiviert die rechte Hand ganz lässig die Traktionskontrolle, ein kurzer Tastendruck reicht, keine sicherheitsgetriebene Tipp-Choreografie. Allerdings wird schnell klar: Das mögliche Tempo ist zu hoch, um einen furchtbar teuren Prototyp dieses Kalibers guten Gewissens über die Strecke zu treiben, also bleibt das ESP an. Leider fehlt der Elektronik eine wirklich feinfühlige Zwischenstufe, sobald allerdings der V10 brüllt, verkommt das zur Nebensache. Vielmehr verdeutlicht der Lexus LFA in jeder schnell durchfahrenen Kurve – beispielsweise gegenüber von Start und Ziel – mit jeder Faser seines Carbonchassis die Steifigkeit seiner Konstruktion.
Nicht nur die Torsionssteifigkeit, sondern auch jene um die Längsachse ist offensichtlich, adelt den Lexus LFA zum Präzisionsgerät, nein, ehrlicherweise zur Präzisionswaffe, die mit jedem Tritt in die massive stehende Pedalerie abgefeuert wird. Das gilt natürlich ebenso für die gewalttätige Bremse mit Carbon-Keramik-Scheiben, die brachialer verzögert, als es das Gehirn registrieren kann.
Fahrer will sich voll den V10-Klängen des Lexus LFA widmen
Die Flut der Rückmeldung und Informationen, die der Fahrer – eingezwängt in einen optional positionierten Schalensitz – verarbeiten muss, nimmt kein Ende, verwirrt, würde er sich doch gerne voll und ganz am Klang des V10-Saugers des Lexus LFA berauschen, ihn einfangen, abpacken und für absurde Summen verkaufen.
„Vermutlich würden wir den LFA heute genau so wieder bauen, auch wenn wir bei seiner Präsentation bereits als rückständig beschimpft wurden“, sagt der inzwischen pensionierte Entwicklungsleiter Haruhiko Tanahashi – und grinst verschmitzt. „Natürlich haben Downsizing- Konzepte ihre Daseinsberechtigung, sie sind clever. Doch wenn alles clever wäre, könnte es schnell langweilig werden, oder?“, fragt Tanahashi herausfordernd.
Recht hat er. Dennoch, da ist er sich sicher, wird es nie wieder einen Sportwagen wie den Lexus LFA geben. Doch immerhin ließ er die Konzernverantwortlichen umdenken. „Früher sprach man bei Lexus vom Motorengeräusch, das es zu minimieren galt. Heute dagegen reden die Ingenieure vom Klang der Motoren, der optimiert werden muss“, weiß Tanahashi.
Dem Berg Fuji hingegen wird es egal sein. Etwas Gewaltigeres als die Fanfaren des LFA-V10-Aggregats wird er künftig jedenfalls kaum zu hören bekommen. Zumindest nicht von einem straßenzugelassenen Sportwagen. Und vermutlich auch keinem aus dem Toyota-Konzern.
Toyota will Spaß
Immerhin 80 Millionen Japaner besitzen einen Führerschein. „37 Prozent davon sind für uns potenzielle Kunden“, erklärt Koji Tanaka, verantwortlich für das Marketing sportlicher Toyota-Modelle. Daher will der Konzern zeigen, dass Autos Spaß machen, und vermarktet den GT86 sowie die G's getauften Sportvarianten diverser Großserienmodelle vom Hybrid-Kleinwagen Aqua bis zum Van Vellfire über spezielle Händler, die auch jede Menge Zubehör anbieten.
Zudem organisiert der Hersteller Veranstaltungen, bei denen die Besitzer ihre Autos richtig rannehmen können, sperrt dafür auch schon mal eine Passstraße. Osamu Futakata ist Geschäftsführer einer jener 282 Area-86-Betriebe. „Wir haben immer umgebaute Vorführwagen zur Verfügung“, sagt er. Teure Auspuffanlagen können Interessenten auch schon mal eine Woche kostenlos an ihrem Fahrzeug testen – so sollte es doch mit der Kundenbindung klappen, oder?