Mercedes G 400 CDI
Ein Auto am Vorabend seiner Seligsprechung: Der Mercedes G 400 CDI mit neuem Vierliter-V8-Diesel ist nicht in Würde gealtert, sondern zeitlos jung geblieben.
Ein sanft anschwellendes Vibrieren kündigt die Welle an. Zweieinhalb Tonnen Fahrzeuggewicht, ein schwergängiges Gaspedal und die spürbare Anfahrschwäche wollen überwunden werden. Aber dann reißen sagenhafte 560 Newtonmeter aus einem Vierliter-V8-Dieselmotor das Mercedes G-Modell vom Fleck. Beschleunigung und Durchzugsvermögen – ohne Mühe. Spielerisch. Humorlos.
Bemerkenswert auch die Geräuschkulisse: Unter der Motorhaube des G 400 wird mit metallischem Schnorcheln Frischluft angesaugt, kerniges Rasseln verrät den Selbstzünder, die Abgase entlässt der Drehmoment-Riese gepresst trommelnd vor dem linken Hinterrad. Wo der V8-Diesel im Limousinen-Schwestermodell S 400 CDI noch die Rolle der kultiviert-nachdrücklich anschiebenden Durchzugsturbine spielt, zeigt sich das Hubraum-Ungetüm im Mercedes G geradezu rau und urgewaltig.
Seine Drehmomentwucht stemmt die Schrankwand-Silhouette des G 400 CDI völlig ungerührt noch mit Reisetempo 160 über die Autobahn, zieht fleißig Mahagoni-Yachten oder auch Rennkamele und bügelt im Verbund mit der formidablen Geländetauglichkeit des bewährten Offroaders Geröllhalden zu Bundesstraßen. Der Testverbrauch hält sich mit 14,8 Litern auf 100 Kilometer dabei durchaus in Grenzen.
Aber der große Diesel deckt nicht nur die Haupteinsatzzwecke – Reisen und Ziehen – des Geländeklassikers ab, er hat mit seiner Schiffsdiesel-Art auch echten G-Charakter. Was ihm an Kultiviertheit fehlt, macht er durch ein gerütteltes Maß an Sinnlichkeit mehr als wett.
Genau diese maskuline Blech-Erotik der kantigen, von Zeitgeist und Windkanal ungebeugten Karosserie verspricht Robustheit und Charakterstärke. Und rettet damit die Mercedes-Tugenden der guten alten Zeit hinüber in eine neue, schnelllebigere Welt. Der G-Wagen ist nicht nur ein solider Geländewagen mit immensem Kletter-Potenzial, er ist auch eine Ikone.
Kein Wunder, dass die kürzlich erfolgte Modellpflege nur moderat ausfiel. Das Cockpit erhielt halbmondförmige Instrumente ähnlich denen in der Mercedes C-Klasse, die Mittelkonsole wirkt gegenüber der alten Schalttafel modern komprimiert, Fensterheber sowie elektrische Sitzverstellung sind nun logisch angeordnet und gut erreichbar in den Türen platziert.
Den Mittelpunkt des neuen Cockpits bildet im G 400 CDI serienmäßig das intuitiv bedienbare Comand-System: Navigation, Radio und CD-Player inklusive; Telefon, TV und CD-Wechsler können optional nachgerüstet werden. Das geraffte Interieur macht dem G-Modell auf alle Fälle keine Schande, die Modernität ist nicht mit Einbußen bei Funktionalität und Übersichtlichkeit erkauft worden.
Knapp 147 000 Mark kostet der lange, viertürige Station Wagon mit dem Diesel-V8, echten Gegenwert gibt es in Form guter Serienausstattung: Neben dem Comand-System kommt der G 400 CDI mit Leichtmetallrädern, Ledersitzen, Klimaautomatik, Regensensor, Tempomat, Metallic-Lackierung und Sitzheizung vorne. Auch gegen die hinterleuchteten Edelstahl-Einstiegsleuchten wird niemand etwas einzuwenden haben.
Und der Gelände-Dinosaurier zieht alle Karten seiner universellen Einsatzmöglichkeiten: Lastenverankerung im Gepäckraum, klappbare Fondsitzbank, permanenter Allradantrieb, zuschaltbare Geländeuntersetzung und drei Differenzialsperren. Der 480 Liter fassende Kofferraum zeigt echte Mitnehmerqualitäten, die Verarbeitung wirkt durchweg robust, das gesamte Konzept durchdacht. Irgendwie scheint das G-Modell sein Geld wert zu sein.
Mit Abstrichen. Wirklich komfortabel und leicht zu bedienen ist das Ungetüm nicht. Es ist in keine engere Parklücke zu kriegen, zu groß ist der Wendekreis, zu schwergängig die Lenkung, zu weit unten entschwindet die Realität aus Sicht des Fahrers hinter Ecken, Kanten und Reserverad.
Die Höhe wird auch sonst zum Problem: Mitfahrer mit engen Röcken oder alten Knochen brauchen zum Ein- und Ausstieg beinahe eine Leiter. Einmal erklommen tangieren jedoch selbst große Offroader vom Kaliber eines Jeep Grand Cherokee das Blickfeld höchstens in Schulterhöhe.
Allerdings fängt sich mit steigendem Tempo der Fahrtwind an der hochaufragenden Karosserie, die Windgeräusche erreichen Orkanstärke. Und der Geradeauslauf des charmanten Oldtimers lässt zu wünschen übrig. Die Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h wird zum schummerigen Schweinsgalopp, langgezogene Kurven erfordern dauernde, von spürbaren Vibrationen begleitete Lenkkorrekturen.
Die Käufer eines G-Modells sollten sich im Klaren sein, dass das hochbeinige Auto unter dem Aspekt der Fahrsicherheit überholt ist. ESP ist nicht verfügbar, und so stellt sich bei dem schweren Offroader im Grenzbereich eine Kipptendenz ein, die Mercedes lediglich mittels einer indirekten Lenkung zu entschärfen sucht. Nachteil der so gesenkten Lenkgeschwindigkeiten ist das schwammige Einlenkverhalten. Auf der sicheren Seite sind die Bremsen: Selbst volle Beladung quittiert der G 400 mit Verzögerungswerten auf Golf-Niveau und akzeptablem Fading.
Man braucht ihn nicht, den imposanten Riesen. Darüber können auch die sanfte Modellpflege und der charakterstarke Dieselmotor nicht hinwegtäuschen. Aber man kann ihn gebrauchen.