Mit dem Über-Cayman übers Eis
Der Tag, an dem Porsche uns freundlich die Fahrertür des 718 Cayman GT4 RS öffnet und zur Testfahrt lädt, steht aus. Aber Mitfahren, das geht schon jetzt. Mit Timo Bernhard als Chauffeur. Und Winterreifen mit Spikes an den Achsen.
Es ist dieses Rauschen, das berauscht. Das Rauschen leicht angetauten Schnees, aufgewühlt von Winterreifen mit Spikes, der in großen Mengen durch die Radhäuser zentrifugiert und in großen Schleppfontänen dem Auto folgt. Timo Bernard, unter anderem zweifacher Le Mans-Sieger und wahnsinnig genug, um im Porsche 919 in 5:19,546 Minuten über die Nordschleife zu fliegen, scheucht den neuen Mittelmotor-Helden mit ruhiger Hand über den Kurs. Im Rahmen des GP Ice Race darf sich der GT4 RS erstmals in Bewegung der Öffentlichkeit präsentieren, obwohl allzu viel Öffentlichkeit auch in diesem Jahr nicht möglich ist. "Wunderbar, wie der Motor Gaspedalbefehle umsetzt", schwärmt Bernhard, während er die lange Linkskurve, die zum Ende fies zumacht, anpendelt.
Gewohnt tief sitzen wir beide in den herrlichen Porsche.Vollschalensitzen, die selbst groß gewachsenen Menschen das Gefühl geben, wesentlicher Bestandteil des Fahrzeugs zu sein. Zweiter Gang, Drehzahl meist jenseits der 6.000/min. Schließlich handelt es sich bei dem Triebwerk mit Vierliter Hubraum um einen Saugmotor, worauf sie schon mächtig stolz sind bei Porsche. "Klingt der nicht irre?", wird Frank-Steffen Walliser später fragen, verantwortlich für die Sportwagen-Baureihen. "2005 haben wir das erste Mal einen Cayman mit GT3-Antrieb gebaut, endlich dürfen wir ihn auch bringen." Es scheint ein gewisses Politikum zu sein, der Abstand zum von den Fans heißgeliebten Motorsport-Elfer, wenn da so ein Mittelmotor-Apparat auf einmal dessen Umlaufbahn kreuze und überhaupt.
Manuelles Getriebe? Es gibt keins
Jetzt darf der 718, kaum schwächer (500 statt 510 PS aufgrund der durch die Einbaulage umgestrickte Ansaugluftführung), identisches Drehmoment (450 Nm), identische Drehfreude (bis 9.000/min). Und der 718 freut sich, dass er nun darf. Jedenfalls schreit das Aggregat mit der Einzeldrosselanlage im oberen Drehzahlbereich ambitioniert heiser, kippt kurz vorm Begrenzer ins Trompetende. Dann Gangwechsel, Frequenzwechsel ins Bassige – und wieder alles von vorn. Dazu direkt hinterm Ohr das leichte Schmatzen beim Gaswechsel, dazu Ansauggurgeln, die inzwischen viel zu selten aufgelegte große Oper der Verbrennungsmotor-Akustik. Der Rennfahrer jubelt den Cayman im dritten die Gerade herunter, zappt beim Anpendeln in die nächste links in den Zweiten. Manuelles Getriebe? Es gibt keines, dass sowohl mit dem Drehmoment klarkommt als auch in den 718er passt. Bleibt also ein Privileg des GT3. Beide Modelle eint neben dem Antrieb noch etwas: die hohe Nachfrage. Es gibt zwar keine im Vorfeld klar definierte Gesamt-Produktionszahl, doch weder GT3 noch GT4 sind die einzigen Varianten ihrer Baureihe. Also werden sich viele Kunden auf Wartelisten wiederfinden, die da nochmal vom Vertrieb gefiltert wird. "Dabei achten wir darauf, dass auch genügend Neukunden ein Auto bekommen", betont Walliser. Wie auch immer: Das Gemaule jener, die keinen bekommen, dürfte nicht zu überhören sein.
Und wie fährt sich der RS auf griffigem Untergrund im Vergleich zum Standard-GT4, Herr Bernhard? "Wenn ich jetzt sagen würde, dass es da keinen Unterschied gibt, klingt das böser als es gemeint ist. Entscheidend ist, dass die gestiegene Leistung beim RS durch die zahlreichen Detail-Modifikationen für den Fahrer beherrschbar ist und sich somit in bessere Rundenzeiten umsetzen lässt. Einfach mehr Power in so ein Auto packen, wäre schlicht zu kurz gedacht." Daher bekommt der RS eine umgekrempelte Aerodynamik, die den Abtrieb an Vorder- und Hinterachse erhöhen soll, visualisiert durch den großen, oben aufgehängten Heckflügel ("Es ist entscheidend, dass die Unterseite des Flügels möglichst glatt ist", sagt Walliser). Dazu kommt eine steifere Anbindung des Fahrwerks an die Karosserie sowie Komponenten aus Kohlefaser-Verbundwerkstoff zwecks Gewichtsreduzierung. Bernhard feuert den Cayman wieder im Drift aus der langen Links heraus, lässt das Sechszylinder-Aggregat kurz in den Begrenzer schraddeln, lädt den dritten Gang nach. Es rauscht wieder in den Radkästen.