Die perfekte Elektro-Dosis?
Wie eine dunkle Wolke hing die Hybridisierung am Elfer-Horizont, jetzt hat das vermeintliche Unheil den Porsche 911 Carrera GTS erfasst. Die Folgen? Können nur verheerend sein, da waren sich die Traditionalisten einig. Doch wie so oft in der Modellgeschichte wird am Ende alles gut, wie unser Best Cars-Test zeigt.
Bevor wir zu der gar nicht mal so verblüffenden Erkenntnis gelangen, dass die 911-Welt durch die Einführung des T-Hybrid-Systems – entgegen der festen Gewissheit vieler – nun wieder nicht zusammenbricht, muss sich der Porsche schlechthin eine leicht provokante Frage gefallen lassen: nämlich wie es sein kann, dass ausgerechnet er, der seit Jahrzehnten Emotionen schürt wie kaum ein anderer, sich so schwertut, selbst welche zu zeigen.
Okay, der düstere Ersteindruck ist saisonal forciert, schließlich hat der Aufzug in Schiefergrau das Pech, mit einem passend gekleideten Dezember zusammenzutreffen. Doch auch drinnen steht das Elfer-Licht irgendwie un- term Scheffel. Ja, die Ergonomie ist formidabel, alles ist piekfein verarbeitet und von teils charmanten Details wie diesem durchgängigen Sims garniert, der nicht nur die Historie zitiert, sondern auch als Handgelenk-Auflage beim Bedienen des Infotainments dient. Dafür, dass in dieser Bude aber dermaßen der Punk abgeht, wenn der Heckmotor in die Vollen dreht, ist das Ambiente inzwischen einfach zu wenig Fanblock und zu viel Kanzlei.
Ein Tupfer guter Wille
Der rote Taster für die Sport-Response, die für 20 Sekunden alle Stellhebel auf Attacke knallt, wirkt wie ein Tupfer guter Wille in einem Meer aus Diskretion – zumal sich mit dem Zwischenschritt zum 992.2 nun auch zwei weitere Markenzeichen verdünnisierten. Erstens: der Drehzahlmesser, der nur mehr als Animation existiert. Herzlos? Fraglos! Immerhin hat Porsche bei seiner Gestaltung den Ton getroffen. Kein Sci-Fi-Firlefanz, sondern klare Ziffern mit einem Touch Ur-Elfer, plus als Liebesbeweis an die Traditionalisten: ein Arrangement im Stile alter Rennwagen, bei dem die 7.000er-Marke auf Punkt 12 Uhr fällt.
Weniger versöhnlich: der Starttaster. Er mag sich nach wie vor am rechten Fleck links des Lenkrads befinden, killt aber den sinnlichen Akt des Schlüsseldrehens, sodass das Anlassen des Boxers nun ungefähr so prickelnd ist wie ein Radiosenderwechsel.
Aber: Die Mucke passt! Das Hybridsystem braucht einen kleinen Augenblick zum Hochfahren, der Motor selbst zündet blitzartig, um einem in der Warmlaufphase gleich mal ordentlich was auf die Ohren zu hauen. Rassiges Röhren, krachledern, mit einem leicht rotzigen Unterton. Yep, der Ton wurde schärfer – ein Omen.
Über den Kippschaltstummel haben wir schon genug gemeckert, spannender ist hier, was sich im Inneren des serienmäßigen PDK abspielt. Bis dato hat der 992 die Parzelle für einen E-Motor in dessen Gehäuse leer herumgekarrt, im neuen wird sie nun ihrer Bestimmung zugeführt und befüllt. Die permanenterregte Synchronmaschine sitzt zwischen Getriebe und Motor, packt bis zu 150 Nm auf die Welle, ist aber nicht der einzige Faktor im T-Hybrid-System.
Der hat noch einen im T
Der andere kommt von Herzen: Während der Basis-Carrera am biturbogeladenen Dreiliter festhält, steckt dem GTS ab sofort eine echte Ausbaustufe unter dem Ausfahrbürzel. Eine um 6 mm vergrößerte Bohrung und 4,6 mm mehr Hub erweitern den Sechszylinder auf 3.591 Kubik, gleichzeitig wird das Aufladungskonzept von zwei auf einen einzelnen Lader umgestellt – und der hat’s in sich. Genauer: Auch er hat eine E-Maschine in sich. Sie ist zwischen Turbinen- und Verdichterrad positioniert, wird (wie der Antriebsmotor) aus der sogenannten Boost-Batterie gespeist. Die Idee dahinter: Der Turbo wird nicht nur durch den Abgasstrom, sondern auch durch die E-Maschine beschleunigt, was wiederum dazu führt, dass der Lader größer dimensioniert werden kann. Ergo: mehr Dampf macht. 485 PS schaufelt der mächtige Monoturbo aus dem verbreiterten Fundament, denen das Elektro-Duett noch mal deren 56 draufpackt. Endeffekt: eine ganze Horde Hummeln im Hintern – 541 PS, ein Plus von 61 gegenüber dem Ex-GTS, der auch im Drehmoment klein beigeben muss: 40 Nm mehr stehen 300 Touren früher auf der Matte.
Die Theorie – schlüssig. Aber nirgendwo kommt’s so sehr auf die Praxis an wie hier. Im Vorfeld kribbelt’s ein bisschen, doch mit dem Tempolimit fällt auch der Zweifel. Einfach wow! Oder wohl eher: pow! Selbst im Vergleich zum Vorgänger, der bestimmt kein Schlaffi war, wirkt der T-Hybrid-Kanon wacher, knalliger, direkter, saftiger. Vom Gummibandeffekt des Turboladers bleibt nur das Losschnalzen. Und damit nicht genug: Der GTS reagiert durch den doppelten Zuschuss wie ein richtig großer Sauger, legt mit Wums los, mächtig nach, bleibt dennoch filigran in seinen Reaktionen, dreht entfesselt bis 7.500 oder lässt sich in die hohen Gänge sacken, um auf seinem E-Polster mit 1.000 Touren dahinzugrummeln.
Übergänge im Zusammenspiel sind einzig und allein an der Anzeige zu erkennen, deren Balken im Stakkato zwischen Boost und Rekuperation hin- und herwetzen. Die Zielrichtung schlägt der Modus ein. Das Nass-Programm dämpft Antritt und Reaktion, "Normal" balanciert das (offensichtliche) Leistungsplus und die (leicht verbesserte) Verbrauchseffizienz in eine Win-win-Situation, "Sport" zückt die Krallen, "Sport Plus" lässt die Potenziale von der Leine, nutzt den Verbrenner in Teillastphasen als Ladegerät des Akkus und den E-Zuschuss zum Pulverisieren seiner Referenzwerte. Eine halbe Sekunde schneller auf 100 als der ehemalige GTS. Noch Fragen?
Nur noch eine! Die entscheidende! Wobei die Antwort eigentlich in der Urheberschaft dieses Apparats begründet liegt. Mag ja sein, dass man anderswo mehr Liebe ins Cockpitdetail investiert, die Benchmark für Fahrdynamik, die residiert jedoch nach wie vor in 70435 Stuttgart- Zuffenhausen – wenngleich ein bis zwei Etagen höher als bisher. Weil?
Gute Dosis der Hybridisierung
Der Punch der kumuliert 610 Nm ist gerade so heftig, dass die Traktion der 315er-Hinterreifen nicht aus den Fugen bricht – eine Erkenntnis mit Symbolcharakter, denn der Antrieb ist der Intention des 911 wie auf den Leib geschneidert. Der GTS kann weder elektrisch fahren noch am Kabel nuckeln, der Akku fällt mickrig aus, lässt sich über seine spezielle Lithium-Verbindung extrem schnell be- und entladen, ist demnach im Alltag kaum kleinzukriegen und erträglich in der Gewichtsbilanz: Ein Anstieg um 50 kg (nach DIN) mag ein weiterer Schritt in die falsche Richtung sein, aber erstens beinhalten sie auch den gesetzlich vorgeschriebenen Nachschlag an Assistenzsystemen, und zweitens sind sie nullkommagarnicht spürbar – dem wankstabilisierenden PDCC-Fahrwerk sei Dank. Es ist ins 400-Volt-Netzwerk eingebunden, dadurch reaktionsschneller im Aufbau von Gegendruck und modellgemäß gewürzt. Schmeicheleien sind ergo nicht zu erwarten, stattdessen federt der Elfer steif, dämpft derb, spannt sich dafür aber mit Schmackes ins Eck. GTS bestellt, GTS bekommen!
Die kommunikative Lenkung führt mit Messerschärfe, die kräftigen Schenkel drücken nach. Hier und da lässt die Hinterachslenkung einen Hauch von Unnatürlichkeit ins Handling huschen, außerdem meint man herauszuspüren, dass sich die Abstimmung einen Tick ins Konservative verschoben hat, was angesichts des größeren Antriebshebels aber nachvollziehbar ist. Dennoch: Der GTS treibt’s nach wie vor bunter, als er sich kleidet, kickt emotional wie physikalisch und wird durch das straffere Aktions-Reaktions-Geflecht noch intuitiver im Fahrverhalten – nicht trotz, sondern wegen der Komplexität, was dann die verblüffende Erkenntnis ist.