Saab 9-5 2.0 T im Test
Der neue Saab 9-5 soll die Zukunft der angeschlagenen Firma
retten. Wie stehen die Chancen auf Erfolg? Im Test die
Fünf-Meter-Limousine mit dem 220 PS starken Turbo-Benziner
unter der Haube.
Für alle, die wieder mal herumzetern, der neue Saab 9-5 sei kein echter Saab mehr, machen wir eine Rechnung auf: Seit 1947 entwickeln die Schweden Autos, und das letzte, das ohne fremde Hilfe entstand, war der 900 von 1978. Das ist jetzt 32 Jahre her: Die Tradition der reinen Saab ist mittlerweile also kürzer als die der Kooperationen. Die erste war übrigens der Saab 9000, der sich das Fundament mit dem Fiat Croma I teilte. Wer will sich da an der Verwandtschaft des neuen 9-5 mit dem Opel Insignia stören?
Saab 9-5 überragt seinen Vorgänger um 17 Zentimeter
Zumal sie nicht allzu offensichtlich ausfällt. Äußerlich erinnert nichts an den Cousin aus Rüsselsheim, dafür einiges an seine Ahnen, die der Saab 9-5 mit der steilen Frontscheibe und kleinen Fensterflächen zitiert. Bei den Abmessungen bricht er dagegen mit der Tradition. Obwohl Saab in ihrer Klasse immer recht kompakte Autos waren, überragt der neue Saab 9-5 den Vorgänger in der Länge um 17 Zentimeter. Ein Teil der sperrigen Maße erklärt sich damit, dass er ein wenig repräsentativer als der 4,83 Meter lange Opel Insignia sein sollte.
Mit schwer überschaubaren Folgen bei der Rundumsicht. Große Teile der Front- und Heckgebiete der Karosserie entziehen sich im Test dem Fahrerblick. In der Stadt lindern der Parklückendetektor mit Lenkanweisungen und die mutigen Parksensoren das grundsätzliche Handlichkeitsdefizit geringfügig, an dem auch der große Wendekreis schuld ist.
Saab bietet aufpreispflichiges Head-up-Display
Zu den Vorzügen der ausufernden Karosserie zählt das Raumangebot des Saab 9-5. Im Fond reisen Erwachsene oberklassig auf einer bequem ausgeformten Bank, mit üppiger Kniefreiheit und genügend Kopfraum trotz der flachen Dachlinie (nein, hier werden Sie nicht lesen, sie sei coupéhaft, das heißt es ja inzwischen sogar bei einem Volvo-Kombi). Vorn sitzt man nicht weniger bequem, aber weniger weitläufig. Das liegt an breiten, recht steilen A-Säulen und dem niedrigen, weit vorgezogenen Dach, was für jene Heimeligkeit sorgt, die ebenso zu den typischen Saabseligkeiten zählt wie die Cockpitgestaltung im Flugzeugstil. Obwohl der Autohersteller mit dem Flugzeugbauer Saab offiziell seit zehn Jahren nichts mehr zu tun hat, gipfelt die Jet-Folklore im Saab 9-5 in einem 1.000 Euro Aufpreis teuren Head-up-Display sowie einem einblendbaren Digitaltacho, der aussieht wie ein Höhenmesser.
Zweiliter-Direkteinspritzer ist aktuell der beste Opel-Benziner
Innen zeigt sich die Verwandtschaft zum Opel Insignia auf den ersten Blick an den Fensterhebertasten oder der knopflastigen Bedienung. Allerdings lässt sich bei Infotainment und Navigation das meiste über den berührungssensiblen Bildschirm erledigen. Zum Teil geht das auch über die Sprachsteuerung, doch man debattiert nur ungern mit dem begriffsstutzigen System. Kurzweiliger ist die Stimmenvielfalt der Navigation, bei dem sich drei Damen die Ansage-Aufgaben teilen.
Jetzt aber los. Druck auf den Startknopf - der sitzt wie früher das Zündschloss zwischen den Vordersitzen -, und der Motor faucht sich warm. Benziner? Vier Zylinder? Turbolader? Alles da, und damit drei Grundbedingungen von Saab-Fans an ein Triebwerk. Der Zweiliter-Direkteinspritzer ist aktuell der beste Opel-Benziner - was bei den oft wenig überzeugenden Qualitäten vieler GM-Ottos allerdings nicht allzu schwer ist. Er treibt den Saab 9-5 im Test mit stämmigem Schub, sachtem Wastegatepfeifen und hoher Laufkultur an.
Saab 9-5 mit ruckigen Schaltvorgängen
Für 2.200 Euro extra verkuppelt ihn Saab mit einer Sechsstufenautomatik. Solange der Saab 9-5 lässig über die Autobahn schnürt, kooperieren Motor und Getriebe harmonisch. Weniger überzeugend gelingt das auf Landstraßen. Da schaltet das Getriebe vor Kurven schnell noch in den hohen Gang, lässt den Wagen um die Ecke rollen und ruckt sich dann beim Gasgeben hektisch und wenig treffsicher durch die Stufen. Also unbedingt die Schaltwippen am Lenkrad für 150 Euro ordern - obwohl sie nur reagieren, wenn der Wählhebel in der manuellen Gasse ist.
Wenn wir gerade beim Bestellen sind: Das hervorragende adaptive Bixenonlicht (410 Euro für den Saab 9-5 Aero, sonst 1.350) muss mit, ebenso wie die adaptive Dämpferkontrolle namens Drive Sense. Sie hat drei Modi: Komfort, Intelligent und Sport. Sport ist genau drei Minuten lustig, nervt danach für immer mit ständigem Stuckern, zappeliger Lenkungskennlinie, giftiger Gasannahme und einer noch hektischeren Automatik. Dagegen verbessern die beiden anderen Abstimmungen den Federungskomfort erheblich. Mit dem normalen Fahrwerk mangelt es dem Saab 9-5 an Abrollkomfort, woran die 19-Zoll-Bereifung mit ihrem 40er-Querschnitt keineswegs unschuldig ist.
Saab 9-5 ist ein kompetenter Langstreckentourer
Drive Sense kriegt das in den Griff, lässt das Fahrwerk in Stellung Komfort sanft auf Unebenheiten ansprechen, den Saab 9-5 aber um Biegungen wogen. Das bleibt zwar ohne Einfluss auf die hohe Fahrsicherheit, doch auf Intelligent fährt der Saab 9-5 bei leicht strafferer Grunddämpfung agiler und kaum unkomfortabler. Wobei noch immer die rückmeldungstaube Lenkung stört. Der kann man im Test zumindest zugute halten, dass sie nicht zu sehr zickt, wenn der Ladedruckzeiger vor den roten Bereich zuckt und eine 350 Nm hohe Drehmomentwelle über die Vorderräder hereinbricht.
Es gibt noch ein paar Kritikpunkte: der hohe Verbrauch, das für die Klasse geringe Angebot an Fahrerassistenzsystemen oder eine unvollkommen funktionierende Verkehrszeichenerkennung. Aber der will kein perfektes Auto sein, sondern ein kompetenter Langstreckentourer - und ein wahrer Saab. Weil er beides ist, wäre es schon wegen ihm schade, wenn sich die Firma tatsächlich trollen müsste.