Seat Léon 1.8T 20V 4x4
Der neue Seat León auf Spanisch Löwe soll so gut sein wie ein Golf, nur preiswerter, denn unter seiner Karosserie steckt die Golf-Plattform. Mit diesem Trick kann die spanische VW-Tochter ihre Marktanteile in der Kompaktklasse vergrößern.
Als Schrägheck-Version der viertürigen Stufenheck-Limousine Toledo ist der Seat León nicht ausreichend beschrieben. Die Modellpalette beginnt zwar, wie in dieser Klasse üblich, mit einem 75 PS starken 1,4-Liter noch unterhalb der Toledo-Motorisierung.
In höheren Sphären nimmt der Neue dagegen wenig Rücksicht auf sein seit Herbst 1998 produziertes Schwestermodell. Als León 4 geht er mit einem 180 PS starken Vierzylinder- Turbomotor und Allrad-Antrieb auf große Fahrt zu den besseren Kreisen. Ist das nach Ibiza, Cordoba, Toledo und Alhambra fünfte Bein der spanischen VW-Tochter nun die automobile Umsetzung markenspezifischer Machismo- Attitüden? Immerhin könnten die groben Zacken des zum Markenemblem stilisierten S mit Zorros Peitsche gezeichnet sein, und die Modellbezeichnung León wurde bei europaweiten Kundenbefragungen mit Muskeln und Männlichkeit assoziiert. Das Design spricht dagegen.
Die Karosserie nimmt aus dem amerikanisch anmutenden Bug kaum Schwung mit. Flächen verlaufen glatt und schnörkellos zu einem Schrägheck mit hoher Abrisskante und gelungenen Leuchteinheiten, das seit dem Alfasud als klassisch und seit dem Lancia Delta als zeitlos modern gilt. Ein Blick unters Blechkleid wird Liebhaber iberischer Reize enttäuschen. Der León trägt deutsche Unterwäsche aus dem Wolfsburger Versandhaus-Katalog, nämlich die bewährte Golf IV-Plattform. Im León 4 verdichten sich die Bausteine zum Schmuckstück. Der quer eingebaute 1,8- Liter-Vierzylinder-Fünfventil- Turbo leistet wie im schwächeren Audi TT 180 PS.
Eine Mehrlenker-Hinterachse ersetzt die Verbundlenker-Achse der Frontantriebsmodelle, und die Haldex-Kupplung arbeitet wie in Golf 4motion und Audi A3 Quattro als Zentraldifferenzial für den Vierrad-Antrieb mit variabler Drehmoment-Verteilung.
In den Abmessungen nahezu identisch, wirkt der Schrägheck- León jedoch länger als der Steilheck-Golf. Drei Zentimeter mehr – 418 zu 415 Zentimeter – Außenlänge nutzte das europäische Design-Center des VW-Konzerns im spanischen Sitges beim León zu einer hinten sanft abfallenden Dachlinie und einer kräftigen Heckpartie. Für 180 Zentimeter große Fondpassagiere bleibt unter diesem coupéähnlichen Dach deswegen auch nicht viel Kopffreiheit über dem Scheitel. Das S auf dem kleinen, griffigen Sportlenkrad könnte als Etiketten-Schwindel durchgehen. Bis ins Detail wird im Innenraum Golf- beziehungsweise Audi A3-Ambiente nachempfunden. Von einzelnen Knöpfen, beispielsweise zur elektrischen Verstellung der Rückspiegel, über das Design des Armaturenträgers bis hin zur hochwertigen Qualitätsanmutung der Kunststoffe wirkt der León wie eine Werkskopie seiner teureren Schwestermodell.. Im Leerlauf und bei niedrigen Drehzahlen klingt der Motor so sportlich-kernig, wie es einer Marke zusteht, die zum dritten Mal in Folge die Rallye- Weltmeisterschaft der Kit Cars gewonnen hat.
Bei höheren Drehzahlen verliert sich dieser Ton hinter Turbolader- und Windgeräuschen, dafür legt das Triebwerk vehement an Leistung nach. Seat gibt für den León 4 eine Beschleunigung von null auf 100 km/h in 7,7 Sekunden und eine Höchstgeschwindigkeit von 224 km/h an, womit der kompakte Viertürer im Temperament dem gleich starken Audi TT entspricht. Das zwischen 2000/min und 5000/min konstante maximale Drehmoment von 235 Nm erlaubt, beim Schalten im eng gestuften Sechsganggetriebe schon mal einen Gang zu überspringen. Das Fahrwerk – mit zusätzlichem Querstabilisator hinten – reagiert auf Bodenunebenheiten nicht so ruppig wie ein Audi S3.
Im Fahrverhalten ist der León 4 zunächst untersteuernd ausgelegt, wobei in engen Kurven die starre Verbindung zwischen Vorder- und Hinterrädern für etwas mehr Schub über die Vorderräder sorgt.
Beim Gaswegnehmen vor und in Kurven zeigt sich eine Tendenz zu Lastwechselreaktionen. Der Kofferraum lässt sich – wegen einer Ladekante in Kniehöhe – leicht beladen. Durch den größeren Platzbedarf der Allrad- Hinterachse verringert sich gegenüber den Frontantriebs- Modellen der Standard-Kofferraum von 340 auf 270 Liter. Wegen des anderen Wagenbodens konnte immerhin der Tankinhalt von 55 auf 60 Liter vergrößert werden. Erste León-Modelle sollen im wichtigsten Exportmarkt Deutschland vor Weihnachten ankommen. Die Basisversion mit 75 PS starkem 1,4-Liter- Vierzylinder wird 27 350 Mark kosten, das Spitzenmodell León 4 wird für 40 990 Mark erhältlich sein. Außerdem werden in Deutschland noch 1,6- Liter- und 1,8-Liter-Benzinmotoren und zwei TDI-Triebwerke mit 90 und 110 PS angeboten.
Der León wird preislich also günstiger als vergleichbare Golf-Modelle angeboten. VW zeigt eben, dass bei Seat Technik und Preis auf Volkswagen- Niveau sind.