Skoda Scala 1.5 TSI, VW Golf 1.5 TSI
Gegen Konkurrenz aus Korea und Frankreich hat sich der neue Scala, der nach sechs Jahren den Rapid Spaceback ablöst, bereits gut geschlagen. Wie der kompakte Skoda gegen den VW Golf abschneidet und was das mit Oper zu tun hat, lesen Sie hier.
Aus der Kompaktklasse ist der fast 4,70 Meter lange Skoda Octavia trotz Golf-Basis eigentlich längst entwachsen, besonders der erfolgreiche Combi rangiert nach Platzangebot und Preis eher in der Mittelklasse. Darunter rangierte bislang der 4,30 Meter lange Skoda Rapid Spaceback mit Steilheck, der kürzlich vom Skoda Scala ersetzt wurde. In einem ersten Vergleichstest vereitelte letztlich nur sein höherer Preis, dass er sich vor Kia Ceed und Renault Mégane an die Spitze setzte.
Warum nun ein Kräftemessen mit dem VW Golf, dessen Nachfolger sich schon warm läuft? Weil für die Standortbestimmung in der Kompaktklasse gilt, was auch für jede Oper gilt: Es ist erst vorbei, wenn die dicke Frau gesungen hat. Will heißen: Was ein neuer Kompakter wirklich kann, zeigt sich erst im Vergleich mit dem Alltzeitmaßstab Golf. Der ist natürlich keine dicke Frau, aber natürlich – Stichwort Premium-Selbstverständnis – teurer als der Scala. Es könnte also spannend werden, wobei eines schon hier verraten sei: Applaus gibt es für beide.
Im Golf passt einfach alles
Warum so viele Golf auf unseren Straßen herumfahren? Die Antwort wird einem wieder bewusst, wenn man sich in die kommoden Highline-Sitze kuschelt, Lenkrad und Spiegel justiert, unter den vielen Möglichkeiten des volldigitalen Cockpits (510 Euro) die gerade genehme auswählt und dann einfach losfährt.
Es passt alles so herrlich in diesem Auto, von der tiefen, integrierenden Sitzposition über den gut gedämmten Klang des 150 PS starken Vierzylinders bis hin zum Schalten und Walten in den Bereichen Navigation, Tempomat, Klimatisierung oder Multimedia. Okay, das Multifunktionslenkrad strotzt vor Wippen und Tasten. Und dass unten kleine Symbole auftauchen und wieder verschwinden, wenn sich die Hand dem Navigationsmonitor nähert, muss gelernt und verstanden werden. Aber ein Auto fährt man ja gemeinhin einige Jahre, da bleibt genügend Zeit, um sich aneinander zu gewöhnen.
Der Scala bedient sich ja aus den gleichen Konzernkomponenten. Er geht aber durchaus eigene Wege, nicht nur, weil er auf der kleineren Polo-/Fabia-Plattform steht. Manche Kollegen finden es zum Beispiel einfach besser, dass der Abstandsregeltempomat (390 Euro, VW: 320 Euro) über einen separaten Hebel links vom Lenkrad und nicht im Lenkrad selbst gesteuert wird.
Das bleibt letztlich Geschmackssache, während die vielen cleveren Lösungen des Skoda einfach immer wieder Freude machen: Der Deckel des Wischwasserbehälters wird beim Öffnen zum Trichter, in der Fahrertür wartet ein Regenschirm, an der Windschutzscheibe gibt es eine Parkzettelhalterung und im Tankdeckel einen Eiskratzer. Einfach aufmerksam ist auch, dass man ein Kleinkramnetz unter der Kofferraumabdeckung gedacht hat, die wie beim Golf unter dem doppelten Ladeboden (Scala: 150 Euro Aufpreis) verschwindet.
Viel Platz im Skoda-Fond
Der Golf verzichtet auf die meisten dieser Goodies und kann auch nicht mit einer umklappbaren Beifahrersitzlehne dienen, die den Scala für 80 Euro extra zum Langholztransporter macht. Dafür kontert der VW mit einer Durchreiche in der Rückbanklehne, die es für den Skoda selbst gegen Aufpreis nicht gibt. Und im Innenraum gefällt der Golf – natürlich, möchte man sagen – mit mehr Anfass- und Anschauqualität, was angesichts des Preisunterschieds aber genau so sein muss.
So zeigt sich der VW mal wieder als rundum ausgewogener Kompakter, dem man auch beim Raumangebot nichts ankreiden kann – solange man nicht den Scala erlebt hat. Der ist zwar etwas schmaler geschnitten und bietet extralang gewachsenen Menschen nicht ganz so viel Platz hinterm Lenkrad. Dafür aber beeindruckt er hinten mit einem XXL-Beinraum, der das durchaus ordentliche Fondformat des Golf plötzlich eng erscheinen lässt.
Und wo es gerade um Raum geht: Fast 100 Liter mehr Stauraum bei aufgestellten Rücksitzen und sogar 140 Liter mehr bei umgeklappten Lehnen können schon entscheiden, welches Erst- und Einzigauto eine Familie kauft. Auch bei der Zuladung übertrifft der Scala mit seinen 522 Kilogramm den Golf um 45 Kilogramm.
Die zehn Zentimeter mehr Länge gegenüber dem VW hat Skoda also wirklich gut genutzt, wobei das Design des Scala durchaus leichter wirkt als das des stämmigen Golf. Der Rundumsicht kommt es ebenfalls zugute, weil die hintere Dachsäule viel graziler ausfällt.
Der Golf ist der Golf
Bis hierhin klingt alles so, als entwickele sich dieser Text zur Scala.Gala. Doch so leicht macht es der in Ruhe gereifte Golf dem neuen Herausforderer nun doch nicht. Denn beim Fahren gibt es durchaus Unterschiede, die nicht für jeden wichtig sind, feinnervigen Menschen aber auffallen und ihnen jeden Tag gute Laune bereiten.
So sind die Sitze des VW Golf Highline besser geformt und gepolstert als die durchaus guten Sportsitze des Skoda Scala (Dynamic-Paket, 490 Euro), die Motor-, Wind- und Abrollgeräusche zudem effizienter gedämmt. Hinzu kommt der geschmeidigere Federungskomfort, was unter anderem den adaptiven Dämpfern zu verdanken ist, die VW im R-Line-Sportpaket mitsamt einer direkter übersetzten Progressivlenkung für 1.100 Euro installiert.
So gerüstet, flauscht der VW Golf im Comfort-Modus sehr kompetent auch über Flickenteppiche, die sich hochstapelnd als Straße ausgeben, während der Scala.Testwagen mit seinem verstellbaren, nicht adaptiven Sportfahrwerk (390 Euro) da schon seine Abstammung vom – durchaus guten – Kleinwagen zeigt.
Dicke Pflöcke schlägt der Golf bekanntlich auch bei der Fahrdynamik ein. Während die leichtgängige Scala.Lenkung beim Rangieren angenehmer ist, gibt die des Golf mehr präzises Feedback. Und während der Skoda Scala beim schnellen Einlenken deutlicher wankt sowie früher ins Untersteuern und in den ESP-Regelbereich gerät, macht der breiter bereifte Golf einfach genau das, was der Fahrer will – sehr nahe an der Frontantriebsperfektion eben. Nur beim Kaltbremsen aus 100 Kilometer pro Stunde schneidet der Musterkompakte etwas schlechter als sein Konzernrivale ab.
Flott und sparsam sind beide
Kaum Unterschiede gibt es bei den Fahrleistungen. Der kultivierte, nicht sonderlich drehfreudige, aber elastisch antretende 150-PS-Benziner liefert hier wie da fröhliches Temperament. Etwas flotter kommt der Skoda Scala aus den Puschen, doch diese Dynamikvorteile sind wie auch der Minderverbrauch von 0,2 Litern eher akademischer Natur. Das leichtgängige und präzise Schaltgetriebe des VW Golf ist ebenso gut gelungen wie das serienmäßige Doppelkupplungsgetriebe des Scala, das dem jedoch durch den Komfortvorteil ein Extrapünktchen einträgt.
Leicht im Vorteil ist wiederum der VW Golf im Entertainment-Bereich, etwa durch ein CD-Laufwerk oder einen eigenen WLAN-Hotspot; auch bietet er eine kamerabasierte Verkehrszeichenerkennung, Ansätze teilautomatisierten Fahrens sowie serienmäßig Voll-LED-Scheinwerfer statt lediglich LED-Stand- und Abblendlicht. Der Scala ist zwar hier das konstruktiv jüngere Auto, doch das niedrige Preisniveau zwingt wohl auch bei der Integration hochwertiger Komponenten zu Mäßigung.
So holt der VW Golf, dessen Aufpreisgestaltung bei der Auswahl der richtigen Pakete durchaus Lob verdient, Punkt für Punkt auf, bis das Blatt sich in der Gesamtbilanz noch einmal dreht. Die dicke Frau hat gesungen, Vorhang, Applaus, Verbeugung, Vorhang, Verbeugung, Applaus – für beide wohlgemerkt. Denn der Scala macht seine Sache richtig gut im langen Schatten des Golf.