Technik-Analyse Mercedes SLS AMG
Mercedes belebt eine Legende wieder: Für 2010 soll die
Mercedes-Sportwagenschmiede AMG eine Neuauflage des Flügeltürers
auf den Markt bringen. Welche technische Innovationen sich unter
der langen Haube des 571 PS starken Supersportwagens
verbergen, zeigt die Analyse.
Ein weißes Blatt. Was für all jene, die von Berufs wegen zum Schreiben verdammt sind, zuweilen das Grauen schlechthin darstellt, birgt für in der Automobilindustrie tätige Entwicklungsingenieure ungeahnte Chancen und Möglichkeiten. Keine Zwänge, keine Dogmen, kein „das haben wir schon immer so gemacht“. Wie auch. Schließlich wurde es bei AMG noch nie gemacht. Die Rede ist von der eigenständigen Entwicklung eines komplett neuen Supersportwagens.
Wiederbelebung des legendären Mercedes-Flügeltürers
40 Jahre lang hat sich die in Affalterbach beheimatete Performance-Marke von Mercedes auf die Veredelung und das Feintuning der bei der übermächtigen Mutter vom Band laufenden Fahrzeuge konzentriert. Nun wird AMG-Chef Volker Mornhinweg, dem es in den vergangenen Jahren gelungen ist, mit seinen Black Series-Modellen an sportlichem Profil zu gewinnen, die Ehre zuteil, unter dem Namen SLS AMG den legendären Mercedes-Flügeltürer wiederzubeleben.
Fortsetzung der Markenhistorie mit V8-Saugmotor
Vorgaben in Bezug auf das Gesamtpaket wurden der Tochter von der hundertprozentigen Mutter dabei nicht gemacht. Einzig, dass das gute, voraussichtlich rund 150.000 Euro teure Stück auf einen großvolumigen V8-Saugmotor vertrauen sollte, stand von Anfang an fest. Das gebietet die Markenhistorie. Auch die kurzfristig aufgeflammte Idee eines reinrassigen Mittelmotorsportwagens wurde schnell verworfen. Das grundlegend überarbeitete, auf nunmehr 571 PS und bis zu 650 Newtonmeter Drehmoment vertrauende 6,3-Liter-Triebwerk hat hinter der Vorderachse Platz gefunden.
Die im Falle des SLS AMG gewählte Lösung des Frontmittelmotors nebst Transaxle-Anordnung des brandneuen, über sieben Gänge und vier Fahrprogramme verfügenden AMG Doppelkupplungsgetriebes garantiert nicht nur eine ideale Gewichtsverteilung von 48 zu 52 Prozent zwischen Vorderund Hinterachse, sondern ist auch ebenso markentypisch wie im Sportwagenbau allgemein bewährt. Siehe Ferrari 599 GTB.
Umfangreiche Modifikationen am 6,3-Liter-V8
Mittels einer sogenannten Torque Tube, einer fest mit dem Motorgehäuse verbundenen Röhre, in der eine mit Motordrehzahl rotierende Carbonwelle läuft, entsteht eine starre Verbindung zwischen Motor und Getriebe.
Das garantiert eine optimale Momentenabstützung. Bei der über 120 Bauteile betreffenden Modifikation des aus zahlreichen AMG-Modellen bekannten 6,3-Liter-V8 wurde die perfekte Kombination aus Leichtbau und Standfestigkeit gesucht. Schmiede- statt Gusskolben, eine verstärkte Kurbelwellenlagerung, ein in Vollaluminium-Bauweise ausgeführtes Kurbelwellengehäuse sowie eine verbesserte Schmierung mittels seitlich an den neuen Trockensumpf angeflanschter bedarfsgeregelter Hochleistungs-Ölpumpen sollen die aus der Leistungssteigerung resultierende höhere Triebwerksbelastung ausgleichen.
Der bei Mercedes AMG erstmals zum Einsatz kommende, die traditionelle Stahlbauweise ersetzende Aluminium-Spaceframe trägt seinen Teil dazu bei, dass das Gewicht des mit rund 4,60 Meter Länge und über 1,90 Meter Breite sehr stattlich geratenen Flügeltürers vergleichsweise moderat ausfällt.
Erklärtes Ziel der Entwickler sind 1.620 Kilogramm ohne Fahrer. Dies, die dank fehlender Ölwanne sehr tiefe Einbaulage des über eine neu konzipierte Ansaugluftführung verfügenden und in der Folge deutlich potenter gewordenen Motors, das Aluminium-Sportfahrwerk mit an doppelten Dreiecksquerlenkern mit Spurstange geführten Rädern, die breite Spurweite und der große Nachlaufwinkel von 11,5 Grad, sollen dem SLS AMG neue fahrdynamische Dimensionen erschließen. Maximaler Grip der üppig bemessenen Cup-Reifen und eine möglichst verlustfreie Übertragung der Antriebskräfte dank mechanischem Sperrdifferenzial an der angetriebenen Hinterachse inklusive.
Mercedes SLS AMG feiert auf der IAA Weltpremiere
Für das sichere Halten der flotten Fuhre zeichnen entweder die serienmäßige Verbund-Bremsanlage mit 390 und 360 Millimeter großen Graugussscheiben vorn und hinten oder die optional erhältliche Keramik-Bremse mit 402- und 360-Millimeter-Discs verantwortlich. Aber wer will in Anbetracht des viel versprechenden Gesamtpakets schon halten? Wir jedenfalls wollen erstmal fahren – beziehungsweise auf der IAA im September 2009 schauen. Dann nämlich wird der Mercedes SLS AMG gänzlich ungetarnt und in voller Pracht Weltpremiere feiern.