Lügen kann teuer werden: Vorsicht vor vorgetäuschtem Eigenbedarf

In Deutschland wohnen über 50 Prozent der Menschen zur Miete – so viele wie in keinem anderen Land in Europa. Neben einer Mieterhöhung ist die Kündigung wegen Eigenbedarfs deshalb die größte Sorge der Mieter. Doch keine Panik – nicht jede Eigenbedarfskündigung ist rechtens. Und täuscht der Vermieter die Kündigung vor, kann der Mieter ggf. Schadensersatz geltend machen.
Unter welchen Voraussetzungen ist eine Eigenbedarfskündigung möglich?
Nur, wenn berechtigtes Interesse vorliegt, kann der Vermieter eine Kündigung wegen Eigenbedarfs aussprechen. Darüber hinaus muss er die gesetzlichen Kündigungsfristen einhalten.
Gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) liegt berechtigtes Interesse vor, wenn Familienangehörige wie Kinder, Eltern oder Geschwister sowie der Vermieter selbst die Mietwohnung in Zukunft benötigen. Zum begünstigten Personenkreis gehören auch Angehörige des Haushaltes, beispielsweise Pflege- oder Hauspersonal.
Zudem muss der Vermieter in seinem Kündigungsschreiben vernünftige, nachvollziehbare Gründe angeben, warum er die Wohnung benötigt. Das kann eine Notlage oder eine veränderte Lebenssituation des Vermieters oder seines Angehörigen sein.
Neben dem Hinweis auf das gesetzliche Widerspruchsrecht des Mieters müssen bei dem Kündigungstermin die gesetzlichen Kündigungsfristen von drei, sechs oder neun Monaten je nach Mietdauer beachtet werden.
Eigenbedarfskündigung erhalten – was kann der Mieter unternehmen?
Wenn Sie ein Kündigungsschreiben erhalten haben, sollten Mieter zunächst prüfen, ob alle Fristen und Formalien wie Kündigungstermin, Kündigungsfrist, Unterschrift des Mieters korrekt sind bzw. eingehalten wurden.
Sie sollten auch darauf achten, ob die Begründung des Eigenbedarfsanspruchs schlüssig ist.
Ebenso könnte ein Härtefall vorliegen, beispielsweise wenn Sie schwanger, schwer krank oder schon sehr alt sind. Darüber hinaus sollten Sie prüfen, ob eine eventuelle Kündigungssperrfrist beachtet wurde. Diese beträgt drei Jahre, wenn das Mietshaus in Eigentumswohnungen umgewandelt wurde.
Vorgetäuschter Eigenbedarf – welche Rechte hat der Mieter?
Hat der Vermieter eine Eigenbedarfskündigung ausgesprochen, ist es für Mieter schwierig zu erkennen, ob eine Täuschung vorliegt. Diese zeigt sich erst, wenn anstatt eines Angehörigen ein neuer Mieter einzieht.
Dann kann der Verlust der Wohnung meistens nicht mehr rückgängig gemacht werden. Allerdings kann der Mieter in diesem Fall Schadensersatz verlangen, so geschehen im Fall eines Mieters (BGH, Urteil vom 29.03.2017 - VIII ZR 44/16).
Dieser hatte eine 4-Zimmer-Wohnung in Koblenz gemietet, die der Vermieter mit der Begründung auf Eigenbedarf kündigte. Die Wohnung sollte einem neuen Hausmeister zur Verfügung gestellt werden.
Der Mieter wehrte sich zunächst gegen die Kündigung, woraufhin der Vermieter eine Räumungsklage anstrebte. Letztendlich einigten sich die Parteien auf einen Räumungsvergleich: Der Mieter sollte innerhalb von sechs Monaten aus der Wohnung ausziehen und die Kosten des Rechtsstreits sowie des Vergleichs tragen. Auch verzichtete er auf sämtliche Räumungsschutzvorschriften.
Nachdem er allerdings erfahren hatte, dass anstatt des Hausmeisters eine Familie in die gekündigte Wohnung eingezogen war, fühlte er sich getäuscht und verlangte Schadensersatz in Höhe von 25.833,43 Euro für die Kosten des Umzugs und die höhere Miete der neuen Wohnung.
Anspruch auf Schadenersatz gerechtfertigt?
Das Landgericht Koblenz gab der Klage im ersten Berufungsverfahren nicht statt und begründete es mit dem geschlossenen Vergleich und der Aussage des Vermieters, dass der Hausmeister sich später umentschieden habe.
Die Richter am Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe sahen das anders und hielten die Darstellung für kaum nachvollziehbar. Denn für den Vermieter bestehe eine besondere Darlegungslast, d. h., er muss stimmig begründen, warum er die Wohnung letztlich nicht wie angekündigt benötigt.
Kommt der Vermieter dieser Anforderung laut BGH nicht nach, müssen Gerichte verpflichtend davon ausgehen, dass eine Täuschung des Mieters vorliegt.
Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied, dass die Schadenersatzansprüche des Mieters nach § 280 I BGB nicht mit dem Räumungsvergleich abgegolten wurden.
Der BGH wies den Rechtsstreit zurück an die Vorinstanz – die sich nun damit beschäftigen muss, ob tatsächlich ein (vorgetäuschter) Eigenbedarf des Vermieters vorgelegen hat oder nicht. Wir werden den Fall weiterverfolgen und darüber berichten.
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