Frontotemporale Demenz: Das steckt hinter Bruce Willis' Erkrankung
Hollywood-Star Bruce Willis (67) leidet an frontotemporaler Demenz. Das hat seine Familie am Freitag (17. Februar) in einem gemeinsamen Statement bekannt gegeben. Nach Angaben der Familie soll sich der Gesundheitszustand des Stars zuletzt verschlechtert haben. Was steckt hinter der Diagnose? Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news klärt der Neurowissenschaftler Dr. Boris Nikolai Konrad auf, wie sich die Erkrankung auf Betroffene auswirkt. Außerdem verrät der Gedächtnisweltmeister und Autor von "Alles nur in meinem Kopf - die Geheimnisse unseres Gehirns", welche Maßnahmen das Gehirn in der Prävention von Demenz stärken können.
Der Hollywood-Star Bruce Willis hat eine frontotemporale Demenz. Was genau steckt hinter dieser Erkrankung und wie wirkt sie sich auf die Betroffenen aus?
Dr. Boris Nikolai Konrad: Frontotemporale Demenz ist eine eher seltene Form der Demenz. Sie entsteht durch Schädigungen des Gehirns, und zwar, wie der Name schon sagt, spezifisch im Frontal- und Temporallappen. Diese Gehirnregionen liegen direkt hinter der Stirn und sind unter anderem für unsere Persönlichkeit, Sprache, Bewegung und Bewusstsein sehr wichtig.
Es handelt sich also um eine neurodegenerative Erkrankung, das heißt, dass dort durch die Erkrankung Nervenzellen sterben. Entsprechend der Funktion dieser Gehirnregionen zeigen sich als Symptomen der frontotemporalen Demenz etwa Verhaltensänderungen, Sprachschwierigkeiten und Probleme mit der Planung und Durchführung von Aufgaben. Im fortgeschrittenen Stadium kann es zu einer Einschränkung der Mobilität, schließlich der Pflegebedürftigkeit und zum Tod führen.
Vergangenes Jahr wurde bekannt, dass Willis unter Aphasie leidet. Wie hängen diese beiden Diagnosen zusammen?
Dr. Konrad: Aphasie, also schwerwiegende Sprachstörungen, ist ein häufiges Symptom dieser Demenzerkrankung. Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit hängen diese Diagnosen bei Herrn Willis also eng miteinander zusammen. Bei der frontotemporalen Demenz gibt es Unterformen. Die sogenannte "primäre, progressive Aphasie", hier sind die Schädigungen im für die Sprache wichtigen Temporallappen in der Nähe der Ohren am stärksten, ist eine dieser Formen. Aphasie kann verschiedene Ursachen haben, bei dieser Demenzform tritt sie häufig auf.
Hat die Erkrankung einen typischen Verlauf und gibt es Behandlungsmöglichkeiten?
Dr. Konrad: Wie bei fast allen Erkrankungen, insbesondere des Gehirns, kann der individuelle Verlauf der frontotemporalen Demenz unterschiedlich sein. Es lässt sich jedoch schon ein typischer Verlauf beschreiben. Auf frühe Symptome wie Sprachstörungen oder Verhaltensveränderungen, die oft zunächst fälschlich als Depression oder ähnliches eingeschätzt werden, folgen Veränderungen im Sozialverhalten und motorische Probleme.
Dadurch, dass der für die Persönlichkeit und strategisches Denken so wichtige Präfrontalkortex oft betroffen ist, fehlt es den Betroffenen auch nach einer Diagnose oft an Einsicht. Sie selbst erkennen häufig die Symptome weniger als ihre Mitmenschen.
Leider ist eine Heilung bis heute nicht bekannt. Behandlungs- und Therapieformen dienen daher der Verlangsamung des Verlaufs und haben eine längere Teilhabe am Leben als Ziel. Mit zunehmenden Sprachproblemen und Verhaltensstörungen, meist bis zum vollständigen Verlust der Kommunikationsfähigkeit, geht die Selbständigkeit verloren und intensive, tägliche Pflege wird nötig. Mit aller Vorsicht betrachtet, rein auf den Berichten der Angehörigen in sozialen Medien, deutet es darauf hin, dass dies bei Herrn Willis bereits so ist.
Gibt es weitere erste Anzeichen, bei denen man aufmerksam werden sollte?
Dr. Konrad: Wortfindungsprobleme, Änderungen im emotionalen Verhalten oder nicht zur Persönlichkeit passendes Sozialverhalten können erste Anzeichen sein.
Aber wichtig ist: Diese ersten Symptome sind oft unspezifisch. Wir alle haben natürlich auch mal Tage, an denen wir unkonzentrierter oder impulsiver sind oder mal ein Wort suchen, das wir eigentlich wissen. Wenn sich das jedoch häuft, gerade im Alter zwischen 40 und 60, wo es weniger alterstypisch ist als nochmal 20 bis 30 Jahre später, ist es sehr zu empfehlen, mit Angehörigen einen Arzt oder eine Gedächtnissprechstunde einer Klinik zu besuchen. Es kann viele mögliche Gründe geben, manche sind anders als diese Demenzform auch behandelbar, daher sollte es da keine falsche Scheu geben! Mit gebrochenem Arm gehen wir ja auch in die Klinik.
Haben Sie Tipps für Angehörige, wie sie mit einem Familienmitglied umgehen sollten, das unter dieser Erkrankung leidet?
Dr. Konrad: Wie für alle Demenzformen gilt sicher, dass es für Angehörige sehr herausfordernd sein kann. Gerade, wenn die Einsicht bei der betroffenen Person fehlt. Auch wenn es schwerfällt, ist daher Geduld sicher wichtig. Sich zu streiten, der betroffenen Person Fehler vorzuwerfen, stresst nur beide Seiten.
Die erste Zeit steht möglicherweise unter dem Zeichen, Hilfe zu leisten. Die Symptome sind nicht so weit fortgeschritten, dass intensive Pflege nötig oder möglich wäre, aber Hilfe nötig ist, wo es vorher nicht der Fall war. Und schon und gerade dann sollten Angehörige auch selbst Hilfe annehmen! Zum Beispiel aus dem Umfeld oder in Angehörigengruppen. Wenn es nicht angeboten wird, bitte selbst danach fragen, statt zu meinen, dass müsste man alles selbst schaffen.
Was das Gedächtnis und die Erkrankung angeht, ist durchaus auch wichtig: Gerne helfen, aber nicht alles abnehmen! Das Erinnern wird schwieriger, Worte werden nicht gefunden. Das Suchen (und Finden) der Worte, ist für das Gehirn aber auch ein Training. Wenn die Antwort immer gleich gegeben wird, ohne dass die betroffene Person nachdenken "darf", ist das für den Verlauf auch nicht günstig.
Bruce Willis ist 67 Jahre alt. Ist das ein typisches Alter für eine solche Diagnose? Gibt es generell Personengruppen, die besonders anfällig dafür sind, an FDT zu erkranken oder kann es jeden treffen?
Dr. Konrad: Die ersten Symptome treten üblicherweise im Alter zwischen 40 und 65 auf. Für Demenz also ein eher junges Alter. Herr Willis ist da also ein typisches Beispiel. Im Prinzip kann es wohl leider jeden treffen. Es gibt eine genetische Komponente: Wer einen oder gar mehrere Angehörige mit FDT hat, hat selbst auch ein etwas größeres Risiko. Aber der größere Teil der Betroffenen hat keine (bekannten) Fälle in der Familie.
Lifestyle-Faktoren, die auch bei anderen Krankheiten gelten, zeigen sich auch bei FDT. Menschen, die bereits an Diabetes oder Bluthochdruck leiden, übergewichtig sind oder rauchen, haben laut manchen Studien auch ein höheres Risiko, wobei die Studienlage nicht eindeutig ist und bei FDT im Vergleich zu anderen Demenzformen es wohl eher etwas weniger relevant ist.
Welche Maßnahmen helfen konkret bei der Demenzprävention? Lange hieß es, ein tägliches Kreuzworträtsel oder Sudoku könnten Demenzerkrankungen vorbeugen. Bringen solche Mittel wirklich etwas?
Dr. Konrad: Es gibt bisher keine Maßnahmen, die nachweislich vor Demenz schützen. Das Reduzieren der Risikofaktoren ist daher wichtig. Nicht rauchen, genügend Bewegung, gesunde Ernährung sind natürlich auch hier gut. Gedächtnistraining ist als Teil der Prävention aber sehr wohl sehr zu empfehlen! Was widersprüchlich klingt, ist es nicht: Gedächtnistraining kann die Krankheit nicht verhindern. Aber es kann Symptomatik, im günstigen Fall um Jahre, verzögern oder verschieben!
Das wissenschaftliche Modell hierzu ist die kognitive Reserve. So zeigt sich bei Demenzerkrankungen wie FTD, dass Menschen mit hoher Bildung oder von der Denkleistung her besonders anspruchsvollen Berufen vermeintlich später erkranken. Was wahrscheinlicher ist: Sie erkranken genauso jung, aber die kognitive Reserve ist so hoch, dass es viel später auffällt.
Und durch rechtzeitiges Gedächtnistraining, also vor Auftreten der Krankheit, kann diese auch ausgebildet werden. Daher rate ich, wie etwa in meinem Buch "Mehr Platz im Gehirn", sehr dazu, bewusst sein Gehirn zu trainieren und nicht nur den Körper. Zum Beispiel: Besonders hilfreich scheint es zu sein, wenn es mental herausfordernde Aktivitäten sind. Sudoku oder Kreuzworträtsel können helfen, solange sie herausfordern.
Salopp gesagt: Wer seit Jahren immer die Rätsel der gleichen Zeitschrift vom gleichen Rätselautor am gleichen Tisch löst - und das auch noch im Halbschlaf hinkriegt, weil alle Fragen schon 20 Mal beantwortet wurden, der hilft sich nicht mehr.
Wer bewusst andere Aufgaben angeht oder etwa mit Gedächtnistechniken, wie dem Gedächtnispalast, sein Gehirn trainiert, kann sich aber immer genau in den optimalen Bereich, wo es schwierig, aber noch machbar ist, bringen. Und tut so das Beste, was wir derzeit als aktive Demenzprävention haben. Auch wenn die Krankheit sie oder ihn dann leider trotzdem treffen kann, ist viel Lebensqualität und gesunde Zeit gewonnen.
Was bedeutet es, wenn ein Superstar mit einer solchen Diagnose an die Öffentlichkeit geht?
Dr. Konrad: Natürlich zunächst Aufmerksamkeit. Mehr Menschen, die sich fragen, ob ihre Angehörigen doch mehr Gedächtnisverlust zeigen als alterstypisch. Mehr Interesse an Prävention. Die Art, wie die Familie von Herrn Willis bisher kommuniziert, imponiert mir. Ehrlich und nicht beschönigend, emotional, persönlich, aber auch liebevoll und gar dankbar. Ich hoffe, dass dies auch anderen Angehörigen und Betroffenen Kraft geben kann.