Erste Probefahrt in Misano

Das neuformierte Alpha-Tauri-Team hat im Hangar-7 in Salzburg das Auto für die F1-Saison vorgestellt. Wir zeigen die Bilder von der Enthüllung und vom Shakedown in Misano.
Scuderia Toro Rosso war gestern, nach 14 Jahren in der Formel 1, nach 268 Grand Prix, firmiert der Rennstall ab sofort unter dem neuen Namen „Scuderia Alpha Tauri“. Die Umbenennung ist eine reine Marketing-Entscheidung. Sie soll den Bekanntheitsgrad des gleichnamigen Fashion-Labels des Energy-Drink-Imperiums erhöhen.
Dass mit Alfa Romeo schon eine „Alpha“-Marke in der Formel 1 vertreten ist, störte die Red-Bull-Bosse offenbar nicht. TV-Kommentatoren sind da nicht zu beneiden. Auch an den neuen Look müssen sich die Zuschauer gewöhnen. Mit dem neuen Namen ändert sich der komplette öffentliche Auftritt des Rennstalls. Logos, Kleidung und die Lackierung des Autos – alles umgemodelt.
Enthüllung im Hangar-7
Was uns 2020 genau erwartet, wurde am Freitagabend (14.2.) erstmals im Hangar-7 in Salzburg gezeigt. Mit einer pompösen PS-Feier wurde die Neugeburt des Formel-1-Teams aus Faenza zelebriert. Zahlreiche prominente Gäste aus der Formel 1 und aus fremden Branchen waren geladen. Darunter Formel-1-Chef Chase Carey und DTM-Oberhaupt Gerhard Berger. Der ehemalige Red-Bull-Pilot David Coulthard moderierte die Veranstaltung, die zu einer Hälfte aus Auto-Enthüllung und zur anderen Hälfte aus Modenschau bestand.
Als endlich das Tuch vom vermeintlichen AT01 gezogen wurde, fiel natürlich zunächst die neue Lackierung ins Auge. Das Auto ist in einem matten Finish halb weiß, halb blau gehalten. Das Logo wurde so groß auf die Motorhaube gepinselt, wie es nur ging. Trotz der eher langweiligen Grundfarben wird man diese Auto im Feld sicher nicht übersehen.
Von der Form her kam einem das Auto auf der Bühne allerdings bekannt vor. Der genaue Blick verriet: Im Hangar-7 stand noch der umlackierte Vorjahresrenner mit nur ein paar Neuerungen. Wer das neue Modell sehen wollte, der musste sich die parallel veröffentlichten Studiobilder anschauen. Darauf sind die Veränderungen im Vergleich zum alten STR14 zu erkennen.
Alpha Tauri geht eigenen Weg
Die Front mit der Stummelnase erinnert noch stark an das Auto aus der letzten Saison. Allerdings ist der direkte Vergleich wegen der unterschiedlichen Lackierungen auch nicht ganz einfach. Auf den Studioaufnahmen sieht zumindest so aus, als ob die Nase einen Tick kürzer geworden ist und nicht mehr ganz so weit über den Frontflügel ragt. Dadurch wird der Flügel besser umströmt. Die Flaps fallen wie am Vorjahresmodell von der Mitte bis zur Außenkante stark ab. So wird zwar etwas Anpressdruck an der Vorderachse hergeschenkt. Dafür aber fließt die Strömung gezielt an der Außenseite der Vorderreifen vorbei.
Auf einen sogenannten Kapuzenflügel unter der Nase verzichtet der Rennstall mit dem neuen Namen. Stattdessen hängt der Frontflügel an geschlitzten Halterungen. Eine weitere kleine Neuerung zeigt sich dagegen am S-Schacht-Ausgang. Hier wurde der Bereich rund um den Schlitz auf der Oberseite der Frontpartie leicht modifiziert.
Größere Umbauten unternahm Alpha Tauri an den Seitenkästen. Die Lufteinlässe an den Flanken sind nun kastenförmig und deutlich geschrumpft. Hier folgt das Team einem allgemeinem Trend, den man auch an anderen Autos beobachten konnte. Die Bargeboards mit den großen Bumerang-Elementen wurden ebenfalls komplett umgebaut.
Die Motorhaube zeigt sich leicht modifiziert. Unter der Verkleidung wurden die Antriebs- und Kühlbausteine noch kompakter verbaut, um Gewicht zu sparen, und um aerodynamische Gestaltungsfreiheiten zu schaffen. Die Verpackung der einzelnen Bausteine, englisch „packaging“, war eines der Hauptaugenmerke der Ingenieure. „Das Auto ist eine große Evolution“, sagt Technikchef Jody Egginton. „Wir arbeiten nun schon die dritte Saison zusammen mit Honda. Dadurch machen wir beim Packaging ständig Fortschritte. Wir haben die Möglichkeit, beim Einbau der Antriebseinheit in das Chassis das Maximum auszureizen. Wir konzentrierten uns außerdem auf die Verpackung der Aufhängungen und der anderen Systeme, um uns maximalen Gestaltungsfreiraum bei der Aerodynamik zu geben.“ Dort sind 2020 die größten Fortschritte zu machen, da die Reifen gleichbleiben. „Die Aerodynamik wird das Schlachtfeld der Saison.“
Doppelte Flügelstütze erst später
Der Heckflügel stützt sich weiterhin auf einer zentralen Stelze ab. Alpha Tauri folgt damit nicht der Konkurrenz, und auch nicht Schwesterteam Red Bull, das 2020 auf eine Doppel-Stütze umschwenkt. Auch was die Auspuffkonfiguration angeht, gehen die Alpha-Tauri-Ingenieure ihren eigenen Weg, obwohl man mit Honda auf den gleichen Motorlieferanten setzt wie das Schwesterteam aus Milton Keynes. Bei Red Bull sind die Wastegate-Röhrchen wie Mickey-Mouse-Ohren über dem Hauptendrohr angeordnet. Beim AT01 liegen sie weit darunter – sogar noch unter den Querlenkern der Hinterachse. Eine Lösung, die wir von Red Bull aus dem Vorjahr kannten.
Dass es das Juniorteam nun so macht, hat seinen Grund. Teile der Vorderachse und die komplette Hinterachse stammen von Red Bull. Allerdings kommen aus der Fabrik in Milton Keynes nicht die neuesten Updates nach Faenza. Deshalb sitzen die Wastegate-Röhrchen an anderer Stelle. „Alpha Tauri erhält die Entwicklungen zeitverzögert. Das Team hängt bei der Entwicklung zwischen drei und sechs Monate hinter Red Bull zurück“, erläutert Red Bulls Sportchef Helmut Marko.
Das heißt, dass die Aufhängungen, die der AT01 trägt, diejenigen sind, die der Red Bull beim letzten Saisonlauf 2019 in Abu Dhabi getragen hatte. Die beiden Red Bull.Teams reizen das Regelwerk aus. So wie es HaasF1 und Ferrari machen. Mit seinem Knowhow und dem Austausch erlaubter Fahrzeugteile will Red Bull den kleinen Bruder schneller machen. „Alles, was unsere Kapazitäten hergeben, und das Reglement erlaubt, kommt an den Alpha Tauri“, sagt Marko. Alpha-Tauri-Teamchef Franz Tost ergänzt: „Das sind neben den Aufhängungen auch die Hydraulik und das Getriebe.“
Unter der Saison soll das Juniorteam in diesen Bereichen von den Entwicklungen Red Bulls profitieren. Dann wird Alpha Tauri auch auf die doppelte Heckflügelstütze umschwenken. Diese lässt eine kontrollierte Verbiegung des Heckflügels zu, was Topspeed auf den Geraden bringt, und spart gleichzeitig Gewicht. Den Umbau hätte Alpha Tauri zwar schon jetzt schaffen können. Allerdings ist es allein mit einer zweiten Stütze nicht getan. „Es ist nicht nur der einzelne Bausteine. Du musst das Gesamtkonzept daraufhin anpassen. Das können die großen Teams mit ihren Ressourcen schneller. Wir brauchen mehr Zeit“, sagt Teamchef Tost.
Alpha Tauri peilt Top 5 an
Die ganz revolutionäre Idee ist von Alpha Tauri nicht zu erwarten gewesen. Das Team setzt lieber auf Kontinuität. Weil sich das 2019er Konzept bewährt hatte und weil sich das Reglement nur in eher unbedeutenden Details verändert. Im Vorjahr punktete Toro Rosso in 15 von 21 Rennen. Je einmal schafften es Kvyat. itemprop="name" />Daniil Kvyat./span> und Pierre Gasly sogar auf das Podest. „Wir waren letztes Jahr schon auf einem guten Weg. Da wollen wir jetzt weiter drauf aufbauen. Das Auto ist deshalb eine Evolution des alten Modells“, erklärt Kvyat.
Der Russe und Teamkollege Pierre Gasly reisten von der Präsentation in Salzburg direkt nach Misano reisen, wo am Samstag (15.2.) der Shakedown mit dem neuen Auto anstand. Am Mittwoch (19.2.) trifft Alpha Tauri dann beim Start der Wintertests in Barcelona erstmals auf die Konkurrenz.
Laut Teamchef Franz Tost sind die Ziele klar gesteckt. Es soll im Vergleich zum Vorjahr, in dem Toro Rosso mit 85 Punkten auf dem sechsten Platz der Team-WM landete, mindestens eine Position nach vorne gehen. „Wir wollen unter den Top Fünf landen“, erklärte der Österreicher selbstbewusst. Marko ergänzt: „Wir erwarten, dass das Team kontinuierlich an der Spitze des Mittelfelds mitmischt.“
Die Gegner hierfür heißen McLaren, Renault, Racing Point, Haas und Alfa Romeo. Sowohl die Daten aus dem Windkanal als auch die Fortschritte von Honda in Sachen Leistung und Zuverlässigkeit würden ihn sehr zuversichtlich stimmen, sagt Tost. „Wir sollten bereits gut aussortiert zu den Testfahrten kommen. Es ist immens wichtig, gut aus den Startlöchern zu kommen. Wenn du die Testfahrten versemmelst, kannst du eine Saison fast schon abschreiben.“ Der neue Honda-Motor soll noch einmal einen spürbaren Fortschritt bringen. Man erwartet in Japan, dass man bei Motorleistung und Zuverlässigkeit von Saisonbeginn an auf Augenhöhe mit Mercedes und Ferrari liegt.
Erwartungen an Gasly und Kvyat./strong>
Und da gibt es neben dem Chassis und dem Motor ja noch zwei Fahrer, die Teamchef Tost optimistisch stimmen. Kvyat und Gasly haben zweifellos die Fähigkeit, regelmäßig zu punkten – und Highlights wie in Deutschland und Brasilien 2019 zu erzielen. Sportchef Marko schildert die Erwartungshaltung. Von Kvyat verlangt der Doktor mehr Konstanz und nicht nur vereinzelte Großtaten. „ Kvyat muss sein vorhandenes Talent ohne Formschwankungen über die Saison umsetzen.“ Gasly soll an die Leistungen anknüpfen, die er im zweiten Halbjahr nach seiner Degradierung bei Red Bull gezeigt hatte. „Nach seinem Wechsel zurück zu Toro Rosso gab es nichts auszusetzen. Diese Leistung soll er weiterführen und im besten Fall sogar noch verbessern.“
Ein guter Saisonstart ist Pflicht. Denn Alpha Tauri möchte nach Möglichkeit früh die Kapazitäten auf das 2021er Projekt verlagern. „ Im Oktober 2019 hat eine Konzeptgruppe damit begonnen, sich um 2021 zu kümmern“, erklärt Tost. „Jetzt warten wir darauf, dass das Technik-Reglement finalisiert wird. Wir hoffen, dass alle Details bis März geklärt sind. Ab dann werden wir mehr und mehr Ingenieure auf 2021 ansetzen.“
Wintertests und Saisonstart werden den Fahrplan bestimmen. Große Probleme sollten besser nicht auftauchen. „Wenn du ein kleines Problem hast, kannst du es eher schnell beheben. Ein größeres Problem zu lösen, zum Beispiel mit der Aerodynamik, dauert. Dann ist die Frage, ob du es überhaupt verstehst, ob du es nachhaltig lösen kannst, oder nicht sofort besser alles auf 2021 setzt.“
In der Galerie zeigen wir Ihnen die ersten Studiobilder des Alpha Tauri AT01 und Fotos vom Shakedown in Misano.