F1 Donnerstag-Check GP Singapur 2019

Donnerstag ist die Ruhe vor dem Sturm. Wir checken die zehn Teams auf Neuigkeiten ab und erklären, wie Ferrari auf langsamen Strecken den Rückstand auf Mercedes aufholen will, was Nico Hülkenberg zu der verpassten Chance bei HaasF1 sagt, und was hinter Alfa Romeos großem Aero-Paket steckt.
Donnerstag ist der PR-Tag vor einem Grand Prix. auto motor und sport stöbert für Sie im Fahrerlager Geschichten und Gerüchte auf. Wir fragen bei den Ingenieuren nach, was neu am Auto ist und bei den Fahrern, wie sie das Rennen einschätzen. Hier ist unser Streifzug durch die zehn Garagen.
Mercedes
Mercedes hat für den Stadt-Grand Prix von Singapur seinen Monaco-Heckflügel modifiziert. Weil Motorleistung in Singapur nur zweitrangig ist, kommt der Spec 2-Motor zum Einsatz. Die letzte Ausbaustufe hebt sich Mercedes für die Power-Strecken auf. Das war‘ s. Mercedes fühlt sich stark. Der Marina Bay Circuit ist keine Angststrecke mehr. Abtrieb hat der W10 genug. Beim WM-Spitzenreiter erwartet man ein enges Duell mit Red Bull. Das sieht auch Lewis Hamilton so. „Wir waren zwar in den letzten Jahren nicht immer die Besten hier, haben aber das Maximum herausgeholt.“ Der Mercedes-Pilot polierte mit neuer Haarpracht seinen Ruf als Rapper auf. Der Herr Weltmeister trägt jetzt Zopf.
Ferrari
Ferrari versucht den Rückstand auf langsamen Strecken wettzumachen. Das Aero-Paket umfasst eine neue Nase, einen Kapuzenflügel und einen neuen Unterboden. Die Nase erinnert stark an Alfa Romeo. Der Unterschied: Alfa-Sauber hat drei Luftschächte in der Nase, Ferrari nur zwei. Das Loch in der Spitze der Nase fehlt. Dafür wurden die Frontflügelträger weiter ausgestellt und die Nase etwas schlanker gestaltet. Rechts und links von der Nase schnorcheln zwei Öffnungen Luft ein, die dahinter auf einen so genannten Kapuzenflügel geleitet wird. Das soll den Abtrieb an der Vorderachse verbessern und die Y-250 Wirbel besser kontrollieren.
Sebastian Vettel und Charles Leclerc versprechen sich einen Fortschritt von dem Aero-Paket, glauben aber nicht, dass sie deshalb gleich um den Sieg mitfahren werden. „Auf dem Papier ist Singapur nicht unsere Strecke. Es gibt weniger Geraden und mehr Kurven als in Monza. Deshalb wird es auch schwieriger für uns als bei den letzten beiden Rennen.“ Vettel hält sich nicht lange mit den Niederlagen von Spa und Monza auf. „Ich bin ja schon eine Weile dabei. Es ist nicht das erste Mal, dass ich durch eine schwierige Phase gehe, und es ist auch nicht der größte Tiefpunkt meiner Karriere. Jetzt heißt es, Kopf hoch, und mich da wieder rausarbeiten. Es hätte schon in Monza besser aussehen können, wenn die Qualifikation so gelaufen wäre wie geplant. Der Dreher im Rennen geht natürlich auf meine Kappe. Da habe ich auch kein Problem damit, das zuzugeben.“
Noch sucht Vettel das Vertrauen in seinen Ferrari SF90. Das könnte auf dem Stadtkurs auf der Marina Bay der entscheidende Faktor sein. „Das ist eine Strecke, wo die Rundenzeit vom Vertrauen in dein Auto kommt.“ Charles Leclerc versucht nach seinen beiden Siegen in Spa und Monza auf dem Boden zu bleiben. „Ich hatte ein paar freie Tage in Monaco, wo ich alles verarbeiten konnte. Dann bin ich in die Fabrik nach Maranello und habe mich bei unseren 1.300 Mitarbeitern bedankt. Jetzt liegt der Fokus wieder voll auf Singapur.“ Fühlt er sich jetzt schon als Nummer 1 im Stall? „Ich hatte nie dieses Gefühl. Seb und ich ergänzen uns gut. Es gab Rennen, da habe ich ihm geholfen und Rennen, da hat er mich unterstützt. Am Ende zahlt sich Teamplay immer aus.“
Red Bull
Auf dem Papier ist Singapur eine Red Bull-Strecke. Max Verstappen will sich aber erst auf der Strecke überzeugen lassen. „ Wir hatten dieses Jahr schon einige Rennen, wo wir uns stark fühlten und es dann nicht so gut lief. Oder umgekehrt. Alles hängt davon ab, wie schnell wir ein gutes Setup hinkriegen.“ Grundsätzlich ist der Holländer optimistisch: „Wenn ich Monza von einem normalen Startplatz aus ins Rennen gegangen wäre, hätte ich das Tempo der Spitze halten können. Nach dem Frontflügelwechsel hatte ich mit ziemlich viel Übersteuern zu kämpfen. Und ich musste viele Autos überholen. Umso erstaunlicher war unser Renntempo auf einer Rennstrecke, auf der wir im Vorjahr noch eineinhalb Sekunden verloren haben.“
Der neue Honda Spec 4-Motor ist ein echter Fortschritt. Ob er schon auf dem Niveau von Mercedes ist, lässt sich schwer beurteilen. Verstappen: „Mercedes fährt generell mehr Abtrieb als wir. Deshalb kann man die Power anhand der Geschwindigkeiten auf der Geraden nur schwer vergleichen.“ Endlich hat Red Bull seine Motorstrafen abgewickelt. Damit findet in Singapur auch der erste echte Vergleich zwischen Max Verstappen und Alexander Albon statt. Für Albon ist der Marina Bay Circuit Neuland. Er hat aber fleißig im Simulator trainiert. Trotzdem setzt er sich keine Frist. „Ich habe kein klar definiertes Ziel, wie nah ich an Max dran sein will oder dass ich es unbedingt aufs Podium schaffen muss.“
Racing Point
Racing Point kommt mit dem vierten großen Aerodynamikpaket in den letzten fünf Rennen. Diesmal ist der Frontflügel neu. Er fügt sich in die neue Aerodynamik-Philosophie, die in Hockenheim debütierte. Sergio Perez brachte eine lästige Darmgrippe nach Asien mit. „Heute morgen war es ganz schlimm. Jetzt geht es etwas besser“ , atmete der Mexikaner auf.
Williams
Robert Kubica verlässt Ende des Jahres die Formel 1. Nach den enttäuschenden Ergebnissen mit Williams sucht der Pole wieder ein Betätigungsfeld, bei dem der Spaß mitfährt. „Ich wäre überrascht, wenn ich 2020 nicht Rennen fahre. Nur Simulatorarbeit ist mir zu wenig“, erklärte Kubica. Der Williams-Pilot wird mit einem DTM-Einsatz für Audi in Verbindung gebracht. George Russell macht Kubica große Komplimente zum Abschied: „Er ist der stärkste Teamkollege, den ich je hatte. Ich habe nie einen härteren Arbeiter gesehen. Er verlässt sich nicht auf sein Talent, will alles wissen, achtet auf jedes Detail.“ #
Williams geht mit besseren Aussichten in das heißeste Rennen des Jahres als zuletzt in Monza. „Wenn Monza bislang unsere schlechteste Strecke war und Budapest unsere beste, dann liegt Singapur irgendwo in der Mitte“, glaubt Russell. Der Engländer bereitete sich mit einem speziellen Training auf die schweißtreibende Arbeit am Sonntag vor. „Ich bin mit Jacke, langem Hemd, langen Hosen und dick eingepackt ins Fitnesszentrum gegangen, um einigermaßen die Saunatemperaturen von Singapur zu simulieren.“ Russell ist zuversichtlich, dass er keine Probleme bekommt: „Viel heißer als dieses Jahr in Österreich oder bei einem Budapest-Test 2017 kann es nicht werden. Hier kommt nur die hohe Luftfeuchtigkeit dazu.“
Renault
Nico Hülkenberg macht einen erstaunlich gelassenen Eindruck dafür, dass ihm mit HaasF1 gerade eine Option für 2020 durch die Finger gerutscht ist. „Ich habe ernsthaft mit Haas geredet, aber wir sind irgendwie nicht zusammengekommen.“ Über Details will Hülkenberg nicht reden. Nur so viel: „Es gab eine Reihe von Gründen verantwortlich.“ Seine beste Chance liegt jetzt bei Alfa-Sauber. „ Doch das ist für mich schwer einzuschätzen. Die Entscheidung liegt nicht in meiner Hand.“
Sein größter Fürsprecher ist der Teamchef. Frédéric Vasseur kennt Hülkenberg seit 2007. Damals fuhr er Formel 3 für das ART-Team von Vasseur. Herausgekommen sind zwei Titel, 2008 in der Formel 3, 2009 in der GP2. Red Bull bleibt für Hülkenberg ein ferner Traum. Er hat es versucht, ist bis jetzt aber immer abgeblitzt. „Ich habe mit dem Doktor den ganzen August gesprochen. Irgendwann hat er gesagt: Ruf mich nicht mehr an.“
Red Bull platziert lieber Fahrer aus dem eigenen Kader in seinen Cockpits. Doch so langsam gehen den Talentscouts aus Salzburg die Talente aus. Im Augenblick gibt es nur vier Fahrer aus dem Red Bull-Pool mit einer Superlizenz. Und vor drei von denen muss sich Hülkenberg nicht verstecken. Zurück zum 15. WM-Lauf in Singapur: Hier schlägt für Renault die Stunde der Wahrheit. Die letzten beiden Grand Prix passten von der Streckencharakteristik zum Auto. Singapur ist das Alternativprogramm zu Spa und Monza. Eine neue Hinterradaufhängung soll mehr Traktion bringen. „Hier müssen wir zeigen, was das Auto wirklich kann“, urteilt Hülkenberg.
Toro Rosso
Daniil Kvyat sieht gute Chancen für Toro Rosso in Singapur. „Auf Stadtkursen sind wir immer gut.“ Tatsächlich hat Toro Rosso in Monte Carlo 10 Punkte geholt. Das war das zweitbeste Ergebnis in dieser Saison. Pierre Gasly fühlt sich langsam wohl in seinem neuen alten Rennstall: „Nach zwei Wochenenden fühle ich mich jetzt besser präpariert als in Spa. Ich bin in Belgien Neunter geworden und hätte diesen Platz ohne den Zwischenfall mit Stroll auch in Monza schaffen können. Das Team hat mir gesagt, dass sie für Singapur optimistisch sind. Langsame Kurven liegen dem Auto.“ Der von Red Bull degradierte Fahrer gibt zu, dass ihm der Toro Rosso als Auto besser liegt als der Red Bull: „Ich fühle mich schon wohl in dem Auto und muss nur kleine Dinge anpassen. Mit dem Toro Rosso kann ich wieder so fahren, wie ich es in der Vergangenheit gewohnt war.
HaasF1
Der US-Rennstall lieferte die Überraschung des Tages. Romain Grosjean darf ein fünftes Jahr bei HaasF1 bleiben. Nico Hülkenberg muss sich nach einem neuen Team umschauen. In der Woche nach dem GP Italien teilte Teamchef Guenther Steiner dem Kandidaten Hülkenberg die Entscheidung des Teams mit. “Wir hatten vorher natürlich miteinander geredet, aber wir hatten nie eine fixe Abmachung über Vertragsdetails.„
Steiner betont, dass es keine Entscheidung gegen Hülkenberg, sondern für Grosjean war: “Wir haben in diesem Jahr einen Schritt rückwärts gemacht und müssen jetzt unsere technischen Probleme lösen. Romain kennen wir, mit all seinen Stärken und Schwächen. Er kennt die Probleme unseres Autos, und er war eine wichtige Hilfe, diese zu identifizieren. Ein neuer Fahrer wäre eine neue Unbekannte. Deshalb haben wir uns für die bekannte Größe Grosjean entschieden.„ Finanzielle Aspekte hätten keine Rolle bei der Fahrerwahl gespielt. Steiner hofft, dass Hülkenberg noch andere Optionen hat: “Er hat einen Platz in der Formel 1 verdient.„ Und vielleicht gibt es ja in einem Jahr noch einmal eine Chance. “Wir mussten abwägen, ob Stabilität besser für uns ist als frischer Wind im Team. Diesmal haben wir uns für Stabilität entschieden. Ob wir damit richtig liegen, muss das nächste Jahr zeigen.„
McLaren
McLaren probiert wieder einmal einen neuen Unterboden aus. Für Lando Norris ist es der erste Start in Singapur. Der Engländer bereitete sich wie sein Landsmann George Russell ebenfalls speziell auf das Nacht-Spektakel vor. Doch der Ansatz war ein anderer. “Ich bin schon seit Donnerstag vor einer Woche hier, um mich an das Klima zu gewöhnen. Alle haben mir prophezeit, dass Singaur das härteste Rennen des Jahres ist. Physisch und mental. Ich habe schon viele Runden mit dem Fahrrad um die Strecke gedreht.„
Alfa Sauber
Die Ingenieure haben ihr größtes Aero-Pakete in dieser Saison auf Kiel gelegt: Kapuzenflügel, Leitbleche unter Nase, Strömungsabweiser vor den Kühlern, Spiegel und Heckflügel-Endplatten. Kimi Räikkönen lobt den C38 als ausgeglichenes Rennauto: “Es gibt keinen Streckentyp, wo das Auto besonders herausgestochen wäre. Weder positiv, noch negativ. Am meisten hat uns noch Monza Probleme gemacht, was an der besonderen Aerodynamik für diese Strecke gelegen haben kann.„ Abgesehen von einer kleinen Schwächeperiode zwischen den Rennen in Spanien und Kanada ging es bei Sauber eigentlich immer bergauf. Langsam, aber stetig. “Alle Upgrades seit Frankreich haben funktioniert.„ Der Dreher von Monza ist abgehakt. “Es war nicht mein erster Dreher, und es wird nicht mein letzter gewesen sein. Solche Dinge passieren.„