F1-Donnerstag-Check GP Ungarn 2019

Donnerstag ist die Ruhe vor dem Sturm. Wir checken die zehn Teams auf Neuigkeiten ab und erklären, warum der Hungaroring keine Ferrari-Strecke ist, was Mercedes mit seinem Aero-Upgrade noch in der Hinterhand hat, und wie Haas mit den Kollisionen seiner Fahrer umgeht.
Donnerstag ist der PR-Tag vor einem Grand Prix. auto motor und sport stöbert für Sie im Fahrerlager Geschichten und Gerüchte auf. Wir fragen bei den Ingenieuren nach, was neu am Auto ist und bei den Fahrern, wie sie das Rennen einschätzen. Hier ist unser Streifzug durch die zehn Garagen.
Mercedes
Was ist das Aero-Upgrade wirklich wert? In Hockenheim haben wir es wegen des Wetterchaos nie richtig erfahren. Lewis Hamilton glaubt nicht, dass wir schon das volle Potenzial der Entwicklungsstufe gesehen haben: „Upgrades funktionieren selten auf Anhieb. Sie brauchen immer ein bisschen Feintuning. Das letzte Aero-Paket verlangt von uns, dass wir das Auto etwas anders abstimmen. Da brauchen wir noch mehr Kilometer, um das zu optimieren.“
Körperlich ist der Weltmeister wieder auf dem Damm. „Noch einmal gut schlafen, und dann sollte ich 100 prozentig fit in das Wochenende gehen.“ Valtteri Bottas musste nach dem Crash von Hockenheim seine Seele heilen. „Zwei Bier, dann zwei Stunden Radfahren zur Strafe. Montagmittag war ich drüber hinweg.“ Der Finne meinte philosophisch: „Es war nicht mein erster Fehler und auch nicht mein letzter. Er schmerzt nur mehr, weil ich ihn mir zu 100 Prozent selber zuschreiben muss.“
Tatsächlich waren die Mercedes auf etwas zu viel Abtrieb auf der Vorderachse abgestimmt. Deshalb fielen beide Fahrer in Kurve 1 in die Falle. Die Hinterreifen trafen einen feuchten Fleck, und schon ging die Post ab. Mercedes hat am Dienstag nach dem Rennen eine Generalabrechnung mit der Pleite beim GP Deutschland gemacht. Hamilton fasst zusammen: „Bei Rennen wie diesen ist die Kommunikation zwischen Fahrer und Team der Schlüssel. Klar, haben die Jungs an der Boxenmauer den besseren Überblick. Aber sie sehen nur den Regen auf der Zielgerade. Ich weiß, wie nass es in Kurve 6 und Kurve 12 ist. Wir müssen da unsere Informationen besser zusammenwerfen und umsetzen.“
Ferrari
Ferrari rüstet kurz vor der Sommerpause noch einmal auf. Die Leitbleche zwischen Vorderrädern und Seitenkästen sind komplett neu gestaltet, die Heckflügelendplatten modifiziert. Das soll ein weiterer Schritt zu mehr Abtrieb und zu einer besseren Balance sein. Generell passt der Hungaroring aus drei Gründen nicht so gut zu dem Ferrari SF90 wie zuletzt Hockenheim.
Erstens: Die Motorleistung spielt nur eine untergeordnete Rolle. Zweitens: Es ist wie in Monte Carlo maximaler Anpressdruck verlangt. „Uns fehlt noch der Speed in den Kurven“, gibt Sebastian Vettel zu. Drittens: Die verwinkelte Strecke mit ihren 14 Kurven fordert den Vorderreifen genau so wie den Hinterreifen. Für Ferrari ist es besser, wenn der Hinterreifen der limitierende Faktor ist.
Bis jetzt läuft Ferrari dem ersten Saisonsieg noch hinterher. Vettel sieht trotzdem positive Anzeichen: „Wir wissen jetzt, wo unser Auto steht und wo wir mit ihm hin müssen. Das Team hat trotz der schwierigen Situation immer ruhig reagiert. Das ist eine neue Qualität.“ Charles Leclerc begab sich wie Bottas auf Fehleranalyse. „Die fällt bei mir immer knallhart aus, weil ich mich nicht selbst belüge. Der Unfall von Baku hat mich mehr geärgert als der von Hockenheim.“
Red Bull
Max Verstappen ist super entspannt. Der zweite Saisonsieg gibt noch mehr Sicherheit. Und er ist trotz 63 Punkte Rückstand auf Lewis Hamilton in der komfortablen Position des Jägers. Die Augen sind jetzt auf Mercedes gerichtet. Werden Sie noch einmal straucheln wie in Spielberg oder Hockenheim. Verstappen verscheucht alle Gedanken an den WM-Titel: „Wir haben immer noch einen massiven Rückstand. Der ist nicht so leicht aufzuholen. Vergesst nicht, dass Mercedes ein ganz starkes Auto hat. Wir sind besser geworden, brauchen aber noch mehr Konstanz beim Setup.“
Eine große Schwäche am Red Bull RB15-Honda erkennt der Holländer nicht mehr: „Wir sind jetzt im Stadium des Feintunings.“ Verstappen will aber auch Ferrari nicht ausschließen: „Unter normalen Umständen wären die in Hockenheim auf die Pole Position gefahren. Dann kann alles ganz anders aussehen.“
Racing Point
Teil 2 des Aero-Pakets ist nur in Teilen in Budapest eingetroffen. Die Vorderachse hat es geschafft. Nase, Frontflügel und Leitbleche blieben im Produktionsengpass hängen. Sergio Perez wünscht sich nach der Pleite von Hockenheim noch ein gutes Rennen vor der Sommerpause. Der Mexikaner geht mit gemischten Gefühlen in den GP Ungarn. „Hier waren wir noch nie gut.“ Das Aero-Upgrade von Hockenheim hat zwar vielversprechende Zahlen geliefert, die kamen aber bei den Piloten nicht an. „Vom Gefühl her war es nicht viel besser“, meinte Perez.
Williams
George Russell trauert einer verpassten Chance nach. „ Normalerweise bin ich mit meinen Rennwochenenden zufrieden, weil ich fast immer das Maximum aus dem Auto herausgeholt habe. Mit Hockenheim bin ich extrem enttäuscht. Da wäre ein 7. Platz möglich gewesen. Ich lag vor Stroll und wollte Slicks, habe sie aber nicht bestimmt genug eingefordert. Wenigstens habe ich etwas gelernt. Ich werde in Zukunft klarer meine Wünsche äußern. Hätte ich noch einmal die Gelegenheit, würde ich sagen: Es ist definitiv Zeit für Slicks. Ihr trefft die Entscheidung.“
Das Team entschied sich gegen Risiko. Williams hatte Angst, dass bei einem Crash die neuen Aerodynamik-Teile kaputtgehen. Davon gibt es nur zwei Kits. Die Ergebnisse in Hockenheim waren nicht ganz schlüssig. „Es hat sich nicht so gut angefühlt wie erwartet. Das Plus an Abtrieb ist zwar messbar, aber es ist nicht auf der Straße angekommen“, gibt Russell zu. Der Engländer vermutet: „Wir hatten das falsche Setup, und wir haben die Reifen nicht in ihr Fenster gebracht. Das hat alles überschattet.“ Auch Robert Kubica zweifelt: „Es ist gut, die Upgrades zu haben, aber schwer zu sagen, wie sie uns vorwärts bringen. Wir müssen einen Vergleich zu Silverstone ziehen. Das ist eine andere Strecke unter anderen Bedingungen.“
Renault
Renault ist immer noch dabei sein Aero-Upgrade von Frankreich zu optimieren. „Bevor wir das nicht geschafft haben, gibt es kein neues“, bestimmt Teamchef Cyril Abiteboul. Dafür wird dann der nächste Entwicklungsschritt wieder ein großer sein. Der Truck, der auf einer ungarischen Autobahn verunglückte, hatte Motoren geladen. Die Motoren blieben heil. Der Fahrer ist noch für eine Weile im Krankenstand.
Auch Daniel Ricciardos V6-Turbo hat überlebt. Jetzt wird überprüft, warum der Auspuff gebrochen ist. Nico Hülkenberg ärgert sich immer noch über die verpasste Chance in Hockenheim. „Ein kleiner Fehler mit großen Folgen. Die Auslaufzone war glatt wie Eis. Das ist nicht Formel 1-Standard. Ich hatte nicht mal die Chance mich zu retten.“
Toro Rosso
Toro Rosso wird einen zweiten Versuch unternehmen, den in Hockenheim am Freitag getesteten neuen Unterboden und die modifizierten Leitbleche zum Arbeiten zu bringen. Ab Samstag in Hockenheim war Red Bulls Juniorteam wieder mit der alten Version gefahren. „Einige Dinge waren gut, andere nicht so. Wir müssen daran noch arbeiten und werden bei den nächsten Rennen Feintuning betreiben“, erklärte Alexander Albon.
Den Hungaroring kennt er aus der Formel 2 gut: „Die Runde besteht nur aus Kurven. Erwischst du eine schlecht, büßt du in den nächsten drei bis vier Kurven.“ Teamkollege Daniil Kvyat schwebt nicht nur wegen seines dritten Platzes in Hockenheim auf Wolke sieben. Der Russe wurde am Tag vor dem GP Deutschland Vater einer Tochter. „Ich habe das Ergebnis gar nicht lange gefeiert, sondern bin gleich nach Hause, um meine Freundin und die Tochter im Krankenhaus zu besuchen.“
Haas
Es bleibt dabei. Romain Grosjean sitzt in der Melbourne-Spezifikation, Kevin Magnussen im Haas auf dem Entwicklungsstand von Hockenheim. Der Umbau eines der beiden Autos wäre in den vier Tagen zwischen Hockenheim und Budapest zu aufwendig gewesen. Davon ist nämlich auch das Chassis betroffen. Die Ingenieure glauben nun den Grund gefunden zu haben, warum das Auto so kritisch auf die Reifen reagiert, warum man im Training auf Platz 6 fährt und im Rennen wieder langsam ist. Die Gründe werden nicht verraten.
Teamchef Guenther Steiner nahm seine Fahrer ins Gebet. Sie fabrizierten auch in Hockenheim im Zweikampf eine Kollision. „Wenn sie nicht kapieren, dass sie für das Team fahren und nicht für sich selbst, werden wir bestimmen, wer wann überholen darf“, kündigt Steiner an. So wie Force India vor zwei Jahren. Romain Grosjean kann diesen Schritt verstehen. „Ich kann damit leben. Kevin und ich fahren nicht um den Sieg. Wir müssen als Team weiterkommen und unsere Probleme lösen.“
McLaren
McLaren hat einen neuen Heckflügel und einen modifizierten Unterboden im Gepäck. Beides mit dem Ziel, Abtrieb auf langsamen Strecken zu erhöhen. Teamchef Andreas Seidl hofft, dass er mit einem gesunden Vorsprung auf Renault in die Sommerpause gehen kann. Im Moment trennen 32 Punkte die beiden Teams. „Dann können wir früher uns auf die Entwicklung des 2020er Autos konzentrieren. Das wäre von Vorteil. Wir holen uns langsam das Selbstvertrauen zurück, um größere Dinge am Auto umzubauen.“
Noch traut Seidl dem Braten nicht: „Wenn Hülkenberg in Hockenheim Zweiter wird, und wir mit Carlos bei dem Ausrutscher weniger Glück haben, wäre Renault uns jetzt dicht auf den Fersen. Ein schlechtes Rennen reicht, und der Vorsprung ist dahin.“ An der Motorenfront gibt es eine gute Nachricht: Das Triebwerk von Lando Norris hat überlebt. Ein Teil in der Peripherie des Renault-Motors ging kaputt.
Alfa Sauber
Alfa-Sauber geht gegen die Strafen von Hockenheim in Berufung. Der Antrag wurde bereits am Mittwoch, den 30.Juni um 16.24 Uhr bei der FIA eingereicht. Sauber hat jetzt 15 Tage Zeit, seine Berufung zu begründen. Dann ist die Gegenseite, in dem Fall die FIA und die Sportkommissare an der Reihe. Auch Drittparteien können Argumente vorbringen. Dieser Prozess dauert ebenfalls 15 Tage. Und dann könnten noch einmal 15 Tage verstreichen, bis ein Termin angesetzt wird. „In Praxis geht es aber schneller. Der Präsident hat die Handhabe, den Prozess abzukürzen“, erklärt Sauber-Teammanager Beat Zehnder. Kimi Räikkönen beteuert, dass sein guter Start nichts mit den angeblich zu stark veränderten Kupplungseinstellungen zu tun hatte. „Mein Start sah nur so gut aus, weil die anderen so schlecht wegkamen. Vor allem die beiden Red Bull.“