Ferrari SF71H für die F1-Saison 2018
Der Ferrari SF71H ist eine Evolution des Vorgängers. Ferrari verfolgt die aggressiven Ansätze konsequent weiter, und bessert in vielen Details nach. Besonders stolz ist man in Maranello auf die schmalen Seitenkästen. Der Motor soll stärker sein, das Gesamtpaket effizienter.
Es wird mal wieder Zeit für Ferrari. Mit jedem Jahr ohne Weltmeistertitel steigt der Druck in Maranello. Konzernchef Sergio Marchionne will die Weltmeisterpokale in der Vitrine sehen. Die fünf Siege und die fünf Pole-Positions 2017 sind ihm zu wenig. Den Tifosi auch. Mit 16 Titeln bei den Konstrukteuren und 15 bei den Fahrern ist Ferrari der erfolgreichste Rennstall der Formel 1. Die ruhmreiche Vergangenheit verpflichtet zu Heldentaten in der Gegenwart. Ferrari ist das einzige Team, das seit 1950 am Start ist. Und außerdem das populärste der Welt.
Die letzten WM-Erfolge liegen über zehn Jahre zurück. Der Konstrukteurs-Pokal wanderte 2008 zuletzt nach Maranello. Der letzte Weltmeister im Ferrari.Rennanzug war Kimi Räikkönen 2007. Sebastian Vettel will 2018 schaffen, was ihm letztes Jahr durch eine pannenreiche zweite Saisonhälfte verwehrt blieb: Der Heppenheimer will nach Alberto Ascari, Juan Manuel Fangio, Mike Hawthorn, Phil Hill, John Surtees, Niki Lauda, Jody Scheckter, Michael Schumacher und Räikkönen der zehnte Weltmeister für Ferrari werden.
Ferrari SF71H mit längerem Radstand
Wenn es um Ferrari geht, schwingt auch immer etwas Pathos mit. Oder gerne auch mal mehr. „Ein neuer Ferrari ist immer etwas Spezielles für die ganze Automobilwelt“, sagt Teamchef Maurizio Arrivabene bei der Vorstellung des SF71H in Maranello. Der neue Rennwagen soll Ferrari endlich wieder auf den Formel 1.Thron helfen. Arrivabene bringt den Arbeitsauftrag an Technikchef Mattia Binotto auf eine einfache Formel: „Die Stärken behalten, an den Schwächen arbeiten und sie ausmerzen.“
Die Stärke des Vorgängermodells waren Strecken, auf denen maximaler Anpressdruck gefragt war. Wie zum Beispiel Monte Carlo und Budapest. Schwächen offenbarte der SF70H hingegen auf Highspeed-Strecken wie Suzuka und Silverstone. Oder auf Low-Downforce-Kursen wie Monza, die einen starken Motor erfordern. Binotto weiß: „Unser Auto muss auf alle Strecken gut gehen.“ Die Ingenieure haben an der aerodynamischen Effizienz des SF71H gearbeitet. Und den Radstand gestreckt, um die Fahrstabilität in schnellen Kurven zu verbessern. Das Vorgängerauto lag mit einem Radstand von 3.595 Millimetern im vorderen Mittelfeld, war aber klar kürzer als der Mercedes.
In der Winterpause igelte sich Ferrari mal wieder in Maranello ein. Wenig bis gar nichts drang an die Öffentlichkeit. Nicht einmal der Name. Umso gespannter waren Fachwelt und Fans auf den SF71H. Auf den ersten Blick fällt auf, dass der Rotanteil gestiegen ist, und dafür weniger weiße Flächen den Rennwagen schmücken, der unter dem Projektnamen 669 entwickelt wurde. Die Frontflügel-Flaps, die Kaskaden, die Bargeboards und der Heckflügel lackierte Ferrari nicht mehr in Weiß, sondern in Rot. Das liegt am Verlust von Sponsor Santander.
Schmale Seitenkästen, radikales Packaging
Viel wichtiger ist aber die Technik. „Das neue Auto ist eine Evolution des Vorjahresmodells“, führt Technikchef Binotto aus. „ Unser 2017er Auto war schon gut. Wir bauen darauf auf und sind an bestimmten Stellen noch aggressiver geworden.“ Besonders stolz ist man bei Ferrari auf die Seitenkästen, die noch schmaler bauen. Das bedeutet einen geringeren Luftwiderstand. Aus der Seitenansicht erkennt man, dass Ferrari sie nur im ersten Drittel bauchig formt, sie früh einzieht und stark unterschneidet. Das schafft eine freie Fläche auf dem Unterboden, auf der die Luft ungestört zum Heck fließt. Außerdem fallen die Seitenkästen schon ab dem hinteren Cockpitrand stark nach unten ab. Beinahe in einem 45-Grad-Winkel.
Auch die Motorhaube wirkt schmächtig. Ferrari lässt den Kamm nach der Airbox so lange wie möglich gerade laufen, um turbulente Luft vom Heckflügel fernzuhalten. Erst spät knickt die Motorabdeckung ab. Schon im Vorjahr beeindruckte Ferrari die Konkurrenz von Mercedes durch den platzsparenden und kompakten Einbau des V6-Turbos, seiner Nebenaggregate und der Kühlelemente. 2018 radikalisiert Ferrari den Einbau, im Englischen Packaging. „ Das Bodywork fällt sehr schmal aus“, lobt Binotto seine Technikmannschaft. „Das Auto wirkt sehr aufgeräumt. Die Details machen den großen Unterschied. Alles hängt noch besser zusammen, alles greift noch besser ineinander. Dadurch konnten wir Platz sparen unter der Verkleidung und das Design des Autos noch radikaler auslegen“, erklärt Vettel.
Seit Binotto, ein Italiener mit Schweizer Wurzeln, die Technikabteilung verantwortet, trauen sich die Ferrari.Designer wieder, ins Risiko zu gehen. Es springen Lösungen heraus, die man so zuvor nicht gesehen hat. Wie zum Beispiel 2017 die Schleife vor den Seitenkästen, die in abgewandelter Form Red Bull, Williams, HaasF1 und Sauber für ihr 2018er Auto kopierten.
Aggressiver Seitenkasten-Vorbau
Ferrari legt den Vorbau in diesem Jahr noch aggressiver aus. Die Schleife wächst zunächst im 90-Grad-Winkel aus dem Chassis und pfeilt sich dann etwa ab der Hälfte nach hinten. Die Seitenkästen entspringen ebenfalls wie vom Reglement vorgeschrieben in einem Winkel von 90 Grad aus dem Chassis, jedoch wächst ihnen an der Außenkante ein Finger, der sich mit dem unteren Teil des Vorbaus verbindet. Das vertikal angeordnete quadratische Leitblech dockt jetzt direkt am Seitenkastenflügel an. Den unteren Bereich vor den Seitenkästen dunkelt Ferrari ab. Wollen die Italiener hier womöglich ein Loch unkenntlich machen?
Der Frontflügel erinnert stark an das Modell, das Ferrari zu Saisonbeginn 2017 einsetzte. Man muss genauer hinsehen, um die Unterschiede auszumachen. Der jeweils unterste Flap teilt sich auf der Innenseite auf. Das Hauptblatt entzweit sich nach dem genormten Mittelteil für ein paar Zentimeter. Neu sind auch die Halterungen, die die Knollen-Nase flankieren. Ferrari fächert die Pflöcke auf, ähnlich wie wir es vom McLaren MCL32 kennen.
Ferrari entwickelte den SF70H im Vorjahr bis zum Saisonende, um möglichst viel für 2018 zu lernen. „In Japan und selbst danach kamen noch Updates. Alles, was wir 2017 herausfinden konnten, hilft uns dieses Jahr“, sagt Binotto. Die Leitbleche unter der Nase sind noch die aus dem Vorjahr. Übernommen wurde auch der S-Schacht in der Nase. Die Bargeboards hingegen sind neu und in drei Bereiche unterteilt. Vorher waren sie vierfach aufgefächert. Der SF71H ist bereits im Frühstadium äußerst durchdacht. Die Ingenieure optimierten selbst die Außenspiegel aerodynamisch. Dagegen fehlen die gestaffelten Flügelchen am oberen Chassisrand hinter der Vorderradaufhängung. Die Strömungsausrichter vor dem Cockpit blieben.
Tief montierte Vorderradaufhängung
Druckstreben (Push Rods) aktivieren die Feder-Dämpfer-Elemente an der Vorderachse. An der Hinterachse, die Ferrari umkonstruiert für die neuen Pirelli-Gummis, verbaut man Pull Rods. Im Gegensatz zu den Konkurrenzprodukten setzt Ferrari die vorderen oberen Dreiecksquerlenker nicht höher. Im Gegenteil: Sie wirken tief positioniert, damit der Luftstrom sauber zu den Seitenkästen fließt.
Die Airbox verzichtet auf die zusätzlichen Ohren, die der SF70H ab dem GP Malaysia 2017 trug. Die Airbox unterteilt Ferrari durch zwei Stege in drei Kanäle. Der Heckflügel stützt sich weiterhin auf zwei Stelzen. Unmittelbar davor schwebt ein T-Flügel, der sich aus der Motorabdeckung biegt. Der Heckflügel ist Stand 2017. Da dürfte bei den Testfahrten in Barcelona, spätestens aber zum Saisonauftakt in Melbourne, mehr kommen. Vor Teststart am kommenden Montag legt Ferrari auf dem Circuit de Catalunya-Barcelona einen Filmtag an. Ein Shakedown auf der hauseigenen Rennstrecke in Fiorano ist sehr unwahrscheinlich. Es wintert in Norditalien. Schnee bedeckt die Auslaufzonen und Kiesbetten.
Ferrari SF71H: Halo mit kleinem Dach
Der rotlackierte Halo-Cockpitschutz trägt auf der Oberseite ein Dach. „Natürlich springt er einem ins Auge“, sagt Vettel. „Er ist weniger auffällig als befürchtet“, meint Räikkönen. Der Finne fasst seine ersten Eindrücke und Erwartungen gewohnt wortkarg zusammen. „ Das Auto sieht gut aus. Es ist rot. Mehr können wir vor nächster Woche nicht sagen.“
Vettel und Räikkönen bekamen den neuen Ferrari erst am Mittwochabend, am Vortag der Präsentation, als ganzes Auto vorgeführt. „Im Winter fragst du die Ingenieure ständig nach den Zahlen. Man kann mit den modernen Werkzeugen inzwischen sehr gute Berechnungen aufstellen. Die Werte sind vielversprechend. Aber die Praxis ist der wahre Test“, sagt Vettel. „Mercedes bleibt die Referenz. Ich glaube aber nicht, dass wir in die Außenseiterrolle schlüpfen. Unterm Strich müssen wir uns überall verbessern.“ Das gilt auch für den Motor. Mercedes ist sowohl in Sachen Leistung als auch Zuverlässigkeit die Benchmark. Um das zu ändern, lässt die Motorenabteilung von Neuchef Corrado Iotti keinen Stein auf dem anderen.
V6-Turbo soll standfester und effizienter sein
Der Ferrari V6 und die Hybridbausteine sollen leistungsfähiger und standfester werden. Das müssen sie auch. 2018 gestattet das Reglement jeweils nur noch drei Motoren, MGU-H und Turbolader sowie jeweils nur noch zwei Batterien, Steuergeräte und MGU-K. Die Laufleistung des V6-Turbos muss auf rund 7.000 Kilometer erhöht werden, um die Saison ohne Strafe zu überstehen. Neben Leistung und Standfestigkeit stand auch die Effizienz des Motors im Lastenheft. Heißt: eine höhere Maximalleistung über eine Runde. Mehr Power über eine größere Distanz und gleichzeitig weniger Spritverbrauch.
Die Konkurrenzprodukte hat Vettel bereits beäugt. „Wir konzentrieren uns auf uns. Aber klar schaut man auch auf die Präsentationen der anderen Teams und fragt die Designer nach ihrer Meinung. Die anderen Autos sind noch schwer zu beurteilen. Die Qualität der Bilder und der Winkel der Aufnahmen spielt eine große Rolle. Bei unserem Auto kann ich einfach außen herum gehen und alles anschauen. Ich werde mir ein erstes Urteil bei den Tests bilden. Da sieht man die anderen auf der Strecke, fährt hinterher und überholt sie. Da lässt sich das Fahrverhalten einschätzen, wie ein Auto liegt. Bis jetzt kann ich sagen, dass ich nichts bei der Konkurrenz entdeckt habe, was mich unruhig macht.“