Kommentar zur GT3-Speed-Entwicklung
Marcus Schurig über die verschwiegen geäußerte Meinung mehrerer GTPiloten beim 24h-Rennen am Nürburgring, dass die aktuelle GT3-Fahrzeuggeneration für die Nordschleife eigentlich viel zu schnell sei.
Vor zwei Jahren berauschte ich mich in einem Kommentar nach dem 24h-Rennen auf dem Nürburgring am famosen Speed der GT-Projektile – was so alles voll geht und wie geil das doch alles ist. Auch der Flugplatz wurde erwähnt und wie spektakulär es sei, wenn die GT3-Autos da mit zwei oder vier Rädern in der Luft herüberbraten. Ein Jahr später sorgte ein tödlicher Unfall – ausgelöst durch ein GT3-Auto – für die Erkenntnis, dass nicht alles, was spektakulär aussieht, auch langfristig toll sein muss.
GT3-Autos werden immer schneller
Als Journalist hat man das Privileg, einen direkten Zugang zu den Top-Fahrern zu haben – nicht nur zu ihnen als Fahrern, sondern auch zu ihren Gedanken. Mit manchen hat man ein so gutes Verhältnis, dass sie einem sogar die Wahrheit erzählen. Die Wahrheit, die ich bei der 44. Ausgabe des 24h-Rennens 2016 mehrfach hörte, hat mich doch stutzig gemacht.
Erstens, weil die meisten Profipiloten Vollgas-Tiere sind, furchtlos, schnell, ohne irgendeinen Selbstzweifel und voll überzeugt von der Sache, die sie tun. Wenn aber zweitens genau solche Profis ein längeres Gespräch darüber beginnen, warum die aktuelle GT3-Fahrzeuggattung nichts auf der Nordschleife zu suchen habe, dann sollte man vielleicht besser zuhören – auch um die Wiederholung eigener Fehler zu verhindern.
Worum geht es also hier? Die GT3-Autos werden immer schneller, das ist Fakt. Sie werden nicht schneller, weil sie mit 333 km/h über die Döttinger Höhe jagen, sondern weil die Kurvenspeeds in immer absurdere Höhen getrieben werden. Als gut informierter Leser werden Sie jetzt einwenden: Das kann man nicht erkennen, wenn man die 24h-Analyse liest. Die Autos waren doch an der Spitze ungefähr so schnell wie 2015? Richtig, obwohl man ihnen fünf Prozent Leistung weggenommen hat, aber das ist nicht der Punkt. Die Hersteller packen immer mehr Abtrieb drauf, dadurch steigen die Kurvenspeeds, und parallel sinken die Topspeeds. Dann kann man schön zu den BOP-Machern gehen und klagen: Wir haben zu wenig Leistung! Und zu wenig Topspeed!
Kurvenspeeds steigen
Und warum sieht man das nicht bei der Rundenzeit? Weil die Hersteller den Piloten eine Target Laptime – eine Zielzeit – vorgeben, die sie bei Androhung der Todesstrafe niemals unterschreiten dürfen. Nicht nur im Qualifying, auch im Rennen. Das nennt man dann auf Ingenieursdeutsch Laptime Management. GT-Promoter Stéphane Ratel hat exakt die gleiche Erfahrung bei seinen Blancpain-GT3-Rennserien gemacht: „Alle Hersteller in der GT3-Klasse setzen radikal auf Downforce, deshalb mussten wir die BOP letztlich nach dem notwendigen Abtriebslevel für die jeweiligen Strecken neu aufsetzen.“
Und das kommt am Ring dabei heraus: Bei BMW soll ein Fahrer (in der gleichen Runde!) Flugplatz UND Schwedenkreuz voll gefahren sein. Es gibt auch Storys, wonach die Mutkurve im Kesselchen jetzt voll geht – wenn man sich traut.
Die Kurvenspeeds gehen also immer weiter nach oben, die Sicherheit auf der Nordschleife kann aber nicht angepasst werden. „ Ich komme mir so vor, als wäre das Fahren beim 24h-Rennen ein Pakt mit dem Teufel“, so ein Werkspilot. „Der Teufel sagt: Fahre diese Landstraße voll, aber ich werfe dir von oben nach dem Zufallsprinzip ein paar Felsbrocken auf die Straße – das sind dann die kleinen Autos im 24h-Feld. Das geht niemals mehr lange gut!“ Ich füge an: Heuer starteten nur 155 Autos!
Ich will nicht als Spielverderber dastehen, aber vielleicht ist es ja mal gut, zuzuhören. Und aus den eigenen Fehlern zu lernen.