Kostendeckel bis auf 100 Millionen Euro
Kommt es zum Machtkampf in der Formel 1? Die FIA und die neuen Rechteinhaber werden den Teams vor dem GP Brasilien das Motorkonzept ab 2021 und die geplante Kostenbremse vorstellen. Bei den größeren Teams regt sich bereits Widerstand.
Chase Carey, Sean Bratches und Ross Brawn haben viel vor. Sie wollen umkrempeln, was in der Formel 1 seit Jahrzehnten Bestand hat. Mit dem Ziel, die Königsklasse attraktiver, unberechenbarer und spannender zu machen. Und am Ende selbst mehr Geld zu verdienen. Am 31. Oktober geht es los. Dann wird den Teams das Motorkonzept für 2021 und danach präsentiert. Eine Woche später enthüllen die FIA und die neue Formel 1-Organisation ihre Pläne zur Budgetdeckelung. Sie stoßen dabei womöglich auf erbitterten Widerstand.
Schon um das neue Motorenreglement wurde hart gerungen. Es war gar nicht so einfach, alle Ziele in Einklang zu bringen. Billiger, einfacher, lauter, stärker, und doch noch ein Touch grünes Gewissen. Ein Allradantrieb mit einer zweiten MGU-K fiel aus Gewichtsgründen durch. Und man befürchtete einen neuen Entwicklungswettlauf. Bis zuletzt diskutierten die Beteiligten um den Verbleib der MGU-H. Mercedes und Ferrari wollen sie. Renault und Honda lehnen sie ab. Auch Red Bull: „Der neue Motor muss von einem unabhängigen Hersteller wie Ilmor darstellbar sein. Mit einer MGU-H geht das nicht“, poltert Helmut Marko. Red Bull macht seinen Verbleib in der Formel 1 von der Umsetzung eines simplen Motors abhängig.
Die „heiße“ Elektromaschine im Auspufftrakt beeinträchtigt auch den Sound. Sie wirkt wie ein Schalldämpfer. Deshalb dürfte das Friedensangebot einer Standard MGU-H mit einem Mono-Turbo vom Tisch sein. Ohne die MGU-H braucht man aber einen zweiten Turbolader, um das Turboloch zu füllen. Bei Mercedes fragt man sich, wo ohne die MGU-H die Power herkommen soll, um die Leistung über die anvisierten 1.000 PS zu heben. Möglicherweise wird die Benzindurchflussmenge deutlich erhöht. Das wiederum spuckt denen in die Suppe, die mit der Formel 1 zukunftsträchtige Technologie verkaufen wollen.
Das neue Motto: Friss oder stirb
Die neuen Drahtzieher der Formel 1 wollen sich nicht wie in der Vergangenheit auf endlose Diskussionen einlassen. Wer aus Prinzip gegen eine vorgeschlagene Lösung ist, kann einpacken. Jeder Änderungswunsch muss gut begründet sein. Für die Zeit ab 2021 sollen sämtliche Entscheidungsinstanzen aufgelöst werden. Es wäre das Ende der Strategiegruppe und der Formel 1-Kommission. Dann ist das Wort der FIA und der Rechteinhaber Gesetz. Alle Entscheidungen, die für die Zeit ab 2021 beschlossen werden, fallen bereits unter das Motto: Friss oder stirb. Die großen Teams werden sich damit nicht abfinden wollen. So könnte der Formel 1 ein neuer Machtkampf drohen.
Das gilt noch mehr für die Budgetdeckelung, die am 7. November präsentiert werden soll. Erste Gerüchte, die neuen Besitzer wollten die Budgets ab 2021 bei 150 Millionen Euro einfrieren, werden jetzt sogar noch getoppt. Angeblich liegt die Zielvorgabe bei einer schrittweisen Reduktion auf 100 Millionen Euro., weil von 150 Millionen nur fünf der zehn Teams betroffen wären. Force India, Williams, HaasF1 und Sauber jubeln. Red Bull mittlerweile auch, was darauf schließen lässt, dass der Salzburger Limonadehersteller auf leisen Sohlen seinen Rückzug vorbereitet. Das Team in seiner heutigen Größe mit 760 Angestellten und einem Budget von knapp 250 Millionen Euro wäre für keinen Übernahmekandidat finanzierbar. Da käme Red Bull ein Gesundschrumpfungsprozess gerade recht.
Ferrari hat bereits angedeutet, dass man sich nicht auf 100 Millionen zurechtstutzen lässt. Mercedes hat Bedenken, ob eine Kostendeckelung zweifelsfrei überprüfbar sei. Die neuen Hausherren der Formel 1 wollen angeblich je einen Aufpasser pro Team installieren. Mercedes-Teamchef Toto Wolff zweifelt: „Wer lässt sich einen Spion im Team installieren?“ Nach dem Überlaufen des FIA-Techniker Marcin Budkowski zu Renault ist diese Frage durchaus berechtigt.
Die neuen Formel 1-Chefs werden den Teams nicht viel Verhandlungsspielraum lassen. Sie treibt die Angst um, dass sie sonst Teams verlieren und mangels Ersatz ohne Hosen dastehen. Schon heute ist für Rennställe wie Force India, Williams oder HaasF1 der 7. Platz das Höchste der Gefühle, wenn die drei Topteams ihre Autos ins Ziel bringen. „Die Hoffnungslosigkeit, jemals besser abzuschneiden, wird einige Teams mittelfristig aus der Formel 1 treiben. Und Ersatz kannst du vergessen“, argumentiert Force India-Teamchef Bob Fernley. Für Liberty Media macht eine Budgetdeckelung auf mit Blick auf den eigenen Geldbeutel Sinn. Wenn jedes Team nur noch 100 Millionen ausgeben kann, müssen die Amerikaner weniger an die Teams auszahlen. Und das ist ihr Profit.