Das lernte Hamilton von Lauda
Niki Lauda war ein Großer im Cockpit – und außerhalb davon. Toto Wolff, Lewis Hamilton, Valtteri Bottas, James Allison und Andy Cowell erinnern sich an den Mann, mit dem sie das erfolgreichste Formel-1-Team jemals aufbauten.
Eines ist sicher: Niki Lauda wird nie vergessen werden. Der Mann, der sich in seiner Laufbahn drei Mal zum Weltmeister krönte und am erfolgreichsten Team der Formel-1-Geschichte mitwirkte, hat sich verewigt. In der Formel 1 sowieso, aber auch außerhalb. Niki Lauda war nach seinem Feuerunfall 1976 am Nürburgring das Gesicht der Königsklasse. Und er war ein erfolgreicher Unternehmer.
Niki Lauda war einer, den man immer ansprechen konnte. Egal, ob ein gestandener Rennfahrer, Teamchef, Sponsor oder junger Journalist um eine Einschätzung bat. Der Österreicher sprach nicht lange um den heißen Brei herum, sondern brachte es auf den Punkt. Lauda war nie einer, der nach Ausreden suchte, sondern die Wahrheit in den Mittelpunkt stellte. "Egal, wie hart, wie peinlich oder unkomfortabel sie auch sein mag", erzählt James Allison.
Respekt und Zuneigung./strong>
Der Engländer stieß 2017 als Technischer Direktor zu Mercedes. Wie auch Valtteri Bottas. Zu einer Zeit, als Mercedes schon drei Fahrer- und drei Konstrukteurs-Weltmeisterschaften eingesammelt hatte. Es sollten bis heute noch je drei weitere Titel folgen. Lauda war einer, der von sich und jedem einzelnen Mitarbeiter das Maximum einforderte. "Wenn er gesehen hat, dass du die hohen Standards nicht erfüllst, hat er es dich direkt wissen lassen", berichtet Allison. Ohne Umschweife, direkt ins Gesicht.
Solche Persönlichkeiten genießen in der Regel zwar den Respekt der Wegbegleiter und Angestellten. Doch sie werden selten geliebt. Im Fall von Lauda war es bei Mercedes anders. Der Österreicher genoss nicht nur die Achtung und Anerkennung, sondern auch die Zuneigung.
Allison schildert es aus seiner Perspektive. "Es ist die Zuneigung zu Niki, die bei weitem das Stärkste ist, was ich fühle, weil man keine Zeit mit einem Mann wie ihm verbringen konnte, ohne sich nicht in seinen ausgeprägten Appetit auf das Leben zu verlieben. Niki war jemand, der jeden einzelnen Tag genommen hat, der ihm gewährt wurde und das absolute Maximum herausholte. Er war jemand, der dies mit einer Art schelmischem, freudigem, jungenhaftem Charme tat. Ich weiß, dass ich es geliebt habe, mit ihm zusammen zu sein, und ich weiß, dass dies auch für alle meine Kollegen gilt."
Kein Wort des Kummers
Es ist inzwischen ein Jahr her, dass Niki Lauda seinen letzten Kampf verlor. Und die Formel 1 eine ihrer größten Persönlichkeiten; die Presse einen Experten, der komplizierte Sachverhalte so wunderbar vereinfachen konnte; Mercedes seinen Außenminister, der ein offenes Ohr für die Fahrer hatte, mit dem Formel-1-Management verhandelte und mit Teamchef Toto Wolff ein kongeniales Duo bildete.
Wolff hat vor einem Jahr nicht nur einen Geschäftspartner verloren, sondern auch einen guten Freund. "Ich vermisse ihn als Freund, als Geschäftspartner, als Reisepartner, als Coach." Beide seien in vielen Beziehungen unterschiedlich, hätten sich aber perfekt ergänzt, schildert der Mercedes.Teamchef und Anteilseigner. Und sie hätten doch auch einiges gemein. Zum Beispiel: "Ich schaue nie zurück. Mich interessieren alte Rennergebnisse nicht. So wie ihn auch nicht. Es geht um das Heute und Morgen."
Besonders zwei Eigenschaften haben sich eingeprägt, die Laudas Charakter zeichnen. Der gebürtige Wiener war ein Kämpfer. Und Lauda war einer, der nie in Kummer versank, egal, wie schlecht die Vorzeichen standen. Wolff führt aus: "Was habe ich von Niki gelernt? Sehr viel. Aus persönlicher Sicht, dass man nie aufgeben sollte. Bitte nicht um Verständnis, sondern erledige deine Arbeit!"
"Niki hat sich nie beschwert. Er war jemand, der durch Schmerzen ging und Kämpfe austrug, aber er hat es mit sich selbst ausgemacht. Die Widrigkeiten, mit denen er sich auseinandersetzen musste, und wie er damit umging, bewundere ich sehr. Über seine Lippen kam nie ein Wort der Beschwerde."
Anruf von Niki Lauda
2012 begann Lauda damit, Lewis Hamilton zu Mercedes zu lotsen. Der Plan ging auf. Der Engländer unterschrieb einen Vertrag, der ihn ab 2013 an das Werksteam band. Der Rest ist Geschichte. In sieben gemeinsamen Saisons errang man fünf Fahrerweltmeisterschaften.
Ron Dennis, Ex-McLaren-Teamchef, war Hamiltons Mentor in der ersten Karriere-Phase. Lauda war es in der zweiten. Lauda und Wolff schenkten dem "Loisl" das Vertrauen, sie räumten ihm die nötigen Freiheiten ein, um sich zu entfalten, um dann auf der Rennstrecke abzuliefern.
"Die tiefsten Erinnerungen habe ich wahrscheinlich an unsere ersten Gespräche. Wir begannen, 2012 miteinander zu sprechen", führt der sechsfache Weltmeister aus. "Ich erinnere mich daran, wie ich zu Hause saß, Niki anrief und versuchte, mich zu überzeugen, zu Mercedes zu wechseln. Es war wirklich cool, dass ein Weltmeister und eine Ikone wie Niki mich anrief. Kurz darauf saß Ross Brawn bei meiner Mutter am Küchentisch. Das war verrückt."
Dann machte es Klick./strong>
Eine wirklich tiefe Verbindung bauten Hamilton und Lauda später im Jahr auf. Beim GP Singapur 2012 machte es Klick. "Ich dachte, er würde mich als Fahrer gar nicht so wertschätzen. Dann kam er in Singapur auf mein Hotelzimmer. Wir hatten ein gutes Gespräch. Ich denke, dass war der Zeitpunkt als Niki merkte: Oh mein Gott, du bist in vielerlei Hinsicht wie ich. Wir haben viel mehr gemein, als ich dachte und angenommen hatte. Von da an hatten wir eine sehr gute Beziehung."
Hamilton beschreibt den verstorbenen Österreicher als positiven, lustigen, lebensfrohen und unterhaltsamen Menschen. Lauda habe immer eine großartige Geschichte auf Lager gehabt. Die Gabe, Menschen anzutreiben und das Beste aus ihnen herauszuholen, hat sich Hamilton abgeschaut. Stilstand oder Selbstzufriedenheit ist keine Option.
"Er dachte immer daran, was man verbessern könne. Wir haben oft nach Rennen gesprochen. Er fragte mich: Hey Lewis, was brauchst du, um besser zu sein? Er war immer auf der Jagd. Wenn ich etwas von ihm gelernt habe, dann das."
Und weiter: "Du musst als Fahrer ein Team anführen. Du musst Fragen stellen. Du musst tief graben und jeden antreiben, obwohl jeder bereits sein Bestes gibt. Es ist wie beim Workout. Wenn du zehn Wiederholungen machen sollst, denkst du bei der neunten, mehr geht nicht als diese zehn. Wenn aber einer neben dir steht, dich antreibt, schaffst du 12 oder 13. Man kann immer ein bisschen mehr aus sich und den Leuten quetschen."
Das hat auch Mercedes.Motorenchef Cowell. itemprop="name" />Andy Cowell./span> zu spüren bekommen. "Er hat mich immer an die Zahlen erinnert, die ich ihm gesagt hatte." Lauda wollte keine Versprechungen, sondern Resultate sehen. Er war aber nicht nur Antreiber, sondern auch einer, der Lob verteilte, wenn das Ergebnis stimmte. "Ein ‚Gut gemacht‘ war bei ihm immer ehrlich", erläutert Mercedes.Technikchef Allison.
Motorsport in Kopf und Herz
Cowell erinnert sich daran, wie Lauda bei den Testfahrten in Jerez 2014, als die Hybrid-Antriebe noch in den Kinderschuhen steckten, um die Strecke lief und Eindrücke vom Mercedes.V6 und den Konkurrenzprodukten sammelte. Wie er das Fahrverhalten der Autos und die Geräusche der Motoren analysierte.
Das Arbeitstier Lauda hatte aber auch eine einfühlsame Seite. Ihm ging es immer auch um das Wohl des Teams, um den Mensch hinter dem Fahrer oder Ingenieur. "Er war sehr warmherzig. Seine erste Frage richtete sich immer an die Familie. Wie geht es ihnen? Wie geht es deinen Kindern", berichtet Cowell.
Valtteri Bottas arbeitete ab 2017 mit Lauda. "Ich habe von Niki gelernt, immer auf das eigene Talent zu vertrauen, und nicht zu zweifeln. Er hat mir auch beigebracht, nach Niederlagen nicht den Kopf hängen zu lassen, sondern sich schneller von ihnen zu erholen und sich auf bessere Zeiten zu freuen."
Bottas schätzte Laudas Einfühlsamkeit. "Er wusste als Ex-Rennfahrer immer, wann jemand seine Unterstützung brauchte. Dieses Extra, seine Worte waren ein großer Antrieb. Er hat mich daran erinnert, warum ich das mache."
Lauda, dessen Werdegang dutzende Biografien füllen könnte, lebte den Motorsport mit jeder Faser. Selbst kurz vor seinem Tod ließ er sich vom Team unterrichten. Lewis Hamilton erzählt von einem letzten Besuch in der Schweiz kurz vor Laudas Ableben. "Das einzige, an das er denken konnte, war: Wie komme ich zurück an die Strecke? Ich glaube, wenn das Rennfahren einmal von dir Besitz ergriffen hat, lässt es dich nie mehr los."