Massenproduktion in Brixworth
Mercedes hat im F1-Motorenwerk in Brixworth mit der Massenproduktion von Atemhilfen begonnen. 1.000 Exemplare sollen pro Tag produziert werden. Damit auch andere Hersteller das Design kopieren können, wurden die Baupläne zugänglich gemacht.
Die Formel-1-Saison liegt aktuell auf Eis. In den Fabriken der Teams mussten tausende Ingenieure in den Zwangsurlaub geschickt werden. Nur im Mercedes-Motorenwerk in Brixworth stehen die Maschinen nicht still. Statt Bauteilen für das V6-Turbo-Hybrid-Aggregat produziert das Werk aktuell Atemhilfen im Kampf gegen die Corona-Pandemie.
Es handelt sich um sogenannte CPAP-Geräte, die in britischen Kliniken derzeit Mangelware sind. Sie unterstützen aktiv die Atmung und die Sauerstoff-Versorgung von Corona-Patienten und können den Verlauf der Krankheit schon im Frühstadium abmildern.
Sie sorgen auch dafür, dass die richtigen Beatmungsgeräte, die ebenfalls nur in begrenzter Stückzahl vorhanden sind, für die schweren Fälle zurückgehalten werden können. Erste Erfahrungen aus Italien zeigen, dass 50 Prozent der Patienten, die mit einem CPAP-Gerät behandelt wurden, anschließend keine Voll-Beatmung mehr benötigen.
Update-Version des "UCL-Ventura"-Geräts
Auf Anfrage der britischen Regierung hatten sich die sieben in England ansässigen F1-Teams darauf verständigt, beim Kampf gegen die Corona-Pandemie zu helfen. Zusammen mit Gesundheitsexperten der Universitätsklinik in London (UCLH) schafften es die Ingenieure von Mercedes High Performance Powertrains (HPP) innerhalb kürzester Zeit ein erstes funktionierendes CPAP-Modell zu entwickeln.
Normalerweise brauchen Hersteller von medizinischen Geräten mehr als ein Jahr, bis erste Testgeräte fertig gestellt sind. In diesem Fall war jedoch nur ein Bruchteil davon nötig. Am Mittwoch, den 18. März, wurden die Mitglieder der ungewöhnlichen Arbeitsgruppe, bestehend aus Wissenschaftlern und F1-Technikern, mit dem Projekt betraut. Schon 100 Arbeitsstunden nach dem ersten Meeting war das Produkt fertiggestellt.
Nach erfolgreichen ersten Praxistests an britischen Kliniken, haben die Ingenieure nun direkt noch eine zweite, verbesserte Version des sogenannten "UCL-Ventura"-Geräts vorgestellt. Bei dem Update-Modell konnte der Sauerstoffverbrauch im Vergleich zur ersten Version um 70 Prozent reduziert werden. Das neue Gerät wurde bereits in der vergangenen Woche von der Aufsichtsbehörde für Arzneimittel in Großbritannien zugelassen.
Mercedes gibt Design-Informationen frei
Die britische Regierung hat bereits bis zu 10.000 Exemplare bestellt, von denen nun pro Tag 1.000 Stück im Technologiezentrum von HPP in Brixworth hergestellt werden. Derzeit werden 40 Maschinen für die Herstellung von CPAP-Geräten verwendet, die normalerweise Kolben und Turbolader für die Formel 1 produzieren. Hierzu wurde das gesamte Werk in Brixworth umgestellt.
Um den Output zu erhöhen, hat Mercedes zudem alle Details, die für den Bau des Geräts benötigt werden, für andere Hersteller zum Download bereitgestellt. Das Lizenzpaket enthält nicht nur die Designs, sondern auch die spezifischen Materialien, Werkzeuge und Ausrüstung, die bei der schnellen Herstellung der Prototypen verwendet worden sind. Gleichzeitig wird auch die Produktionszeit für jedes Teil angegeben.
Andy Cowell, der Chef von Mercedes HPP, zeigte sich stolz auf die geleistete Arbeit: "Seit der Ankündigung des Projekts haben wir aus aller Welt eine unglaubliche Zahl an Anfragen zum CPAP-Gerät erhalten. Durch die freie Bereitstellung der Design- und Herstellungsangaben können Unternehmen weltweit diese Geräte rasch und in hoher Stückzahl herstellen und so die globale Reaktion auf Covid-19 zu unterstützen."