Sieger beim ersten Mal
Nur drei Teams haben ihr erstes Rennen gewonnen: Mercedes, Wolf und BrawnGP. Sie könnten unterschiedlicher nicht sein. Keiner von ihnen blieb lange. Die Senkrechtstarter waren nach zwei, drei Jahren und einem Jahr wieder verschwunden.
Unter den Rennfahrern gibt es nur einen, der seinen ersten Grand Prix gewonnen hat. Giancarlo Baghetti kam, sah und siegte. Der Ferrari-Pilot beendete sein erstes Formel 1-Rennen, den GP Frankreich 1961 in Reims, auf Platz 1. Danach hat der Italiener nicht mehr viel gerissen. Baghetti bestritt nur 21 Rennen, sein letztes 1967 in Monza. Nach Reims kamen noch 5 Punkte auf das Konto.
Bei den Teams glückte immerhin drei Teilnehmern der Sieg im ersten Anlauf. Von Mercedes mochte man es 1954 erwarten. Die Deutschen rannten die Konkurrenz mit dem größten Budget und einem Heer von Menschen nieder. Mercedes agierte selbst im Vergleich zu Ferrari und Maserati auf einem anderen Niveau.
Wolf entstand aus den Überresten der ersten Williams-Episode. Der Rennstall des Austro-Kanadiers Walter Wolf war exzellent besetzt. Als Teammanager führte der ehemalige Lotus-Mann Peter Warr Regie. Chefkonstrukteur war Harvey Postlethwaite, der sich bei Hesketh einen Namen gemacht hatte. Im Cockpit saß Jody Scheckter, WM-Dritter der Jahre 1974 und 1976. Mit nur 31 Angestellten war der Aufwand im Vergleich zu Ferrari, Lotus oder McLaren allerdings eher bescheiden. Wolf hatte nicht einmal einen Sponsor. Der Sieg beim Debüt war eine Sensation.
BrawnGP war eine Notlösung. Honda wollte sich Ende der Saison 2008 zurückziehen. Als Teamchef Ross Brawn den Japanern klarmachte, dass sie ein Fortbestand des Teams auf privaten Schultern genauso teuer kommen würde wie eine Werksschließung, überließ Honda Rennstall, Fabrik und sämtliche Rechte seinen Angestellten für ein symbolisches Pfund und gab noch eine Überlebenshilfe von 80 Millionen Euro dazu. Unter normalen Umständen wäre ein Sieg im ersten Rennen eine faustdicke Überraschung gewesen, doch man war nach den Wintertestfahrten vorgewarnt. BrawnGP fuhr der Konkurrenz auf und davon. Einen Anteil daran hatte ein höchstumstrittener Trick. Der Doppeldiffusor nutzte geschickt ein Schlupfloch im Reglement.
Mercedes und BrawnGP wurden Weltmeister
Die drei Teams sicherten sich mit ihrem schnellen Erfolg einen Logenplatz in der Geschichte des Sports. Mercedes 1954 beim GP Frankreich in Reims. Wolf beim GP Argentinien 1977 in Buenos Aires. Und BrawnGP 2009 beim GP Australien in Melbourne. Mercedes und BrawnGP wurden Ende des Jahres auch Weltmeister. Mit dem Team und ihren Fahrern. Wolf belegte hinter Ferrari, Lotus und McLaren Platz 4 in der Konstrukteurs-WM, was auch daran lag, dass man sich auf den Einsatz eines Autos beschränkte. Jody Scheckter schloss die Saison mit drei Siegen und dem Vizeweltmeister-Titel ab.
Der GP Frankreich 1954 war eine klare Angelegenheit für Mercedes. Am gleichen Tag an dem die Deutsche Fußball-Nationalmannschaft in Bern Weltmeister wurde, feierten die Silberpfeile in Reims einen überlegenen Doppelsieg. Das Imperium tauchte mit 39 Mechanikern, einer Heerschar von Ingenieuren und vier Autos in der Champagne auf. Das Auftreten der Silberpfeile war die Hauptattraktion des vierten WM-Laufes. Die Autos sahen mit ihrer Stromlinienform aus wie von einem anderen Stern. Unter der Haube steckt Technik vom Feinsten.
Trotzdem lief die Vorbereitung auf das Rennen nicht nach Plan. Einige Wochen vor dem GP Frankreich erwog Rennleiter Alfred Neubauer sogar, den Einsatz zu verschieben. Es gab zu viele Probleme mit der Zuverlässigkeit der Autos, und die Benzineinspritzung von Bosch wurde erst spät fertig. Als Juan-Manuel Fangio am Mittwoch vor dem Rennen als erster Fahrer in Reims die 200 km/h-Marke niederreißt, waren alle Sorgen vergessen.
Das inszenierte Fotofinish
Fangio sicherte sich erwartungsgemäß die Pole Position, doch sein Vorsprung war mit einer Sekunde auf Kling und 1,1 Sekunden auf Ascari kein Ruhekissen. Der dritte Mercedes W196 mit dem Youngster Hans Herrmann stand in der dritten Startreihe zwischen Mike Hawthorn und Prinz Bira. Bei Mercedes herrschte im Training große Hektik. Die Motoren waren zu durstig. Chefingenieur Rudolf Uhlenhaut brauste am Samstag nach Stuttgart zurück, um dort zusätzliche Tanks bauen zu lassen. Der ursprüngliche Tank des Mercedes.Achtzylinders war mit 195 Liter Fassungsvermögen zu klein, um ohne Boxenstopp über die Runden zu kommen. Am Morgen des Renntages waren die neuen 55 Liter-Tanks in den drei W196 links neben dem Cockpit eingebaut.
Nach der ersten Runde reduzierte sich der GP Frankreich auf ein Duell zwischen Fangio und Kling. Alberto Ascaris Gastauftritt im Maserati war mit einem Motorschaden bereits zu Ende. Auch Mike Hawthorns Ferrari-Motor musste dem hohen Tempo Tribut zollen. Gleiches Schicksal für Froilan Gonzalez. Nur die Mercedes liefen wie die Uhrwerke. Fangio schien nach einem Verbremser von Kling bei plötzlich einsetzendem Regen die Oberhand zu behalten, doch die zum Schluss wieder abtrocknende Strecke und die Anordnung von Rennleiter Neubauer, ein Fotofinish zu inszenieren, brachte den Debütanten wieder an den Argentinier heran. Dann wollte sich Kling nicht an die Abmachungen halten und Fangio ein echtes Rennen bieten. Im Ziel trennten die beiden Silberpfeile nur eine Zehntelsekunde. Eine Machtdemonstration erster Güte. Da konnte Neubauer gut den Motorschaden von seinem Küken Herrmann verschmerzen.
Von Startplatz 10 zum Sieg
Auf Jody Scheckter und das neue Wolf-Team hatte vor der Saison 1977 keiner gewettet. Alle erwarteten eine Neuauflage des Duells Niki Lauda gegen James Hunt und trauten allenfalls Mario Andretti im neuen Wunder-Lotus 78 eine Überraschung zu. Scheckter landete im Training nur auf Platz 10. Sein Rückstand auf die Pole Position von Hunt betrug 2,08 Sekunden. Dafür gab es einen technischen Grund. Der Motor neigte im Volllastbereich zu Fehlzündungen. Außerdem lief der Cosworth-V8 im Wolf WR1 zu heiß. In der Anfangsphase des Rennens bei schweißtreibenden 40 Grad hielt sich Scheckter klug zurück. Zuerst einmal musste er Carlos Pace und Patrick Depailler Platz machen.
Danach schwamm der spätere Sieger immer mit dem Strom mit, überholte Carlos Reutemann und Mario Andretti aus eigener Kraft, profitierte von Ausfällen und technischen Problemen anderer und tauchte plötzlich elf Runden vor Schluss auf Platz zwei hinter Spitzenreiter Carlos Pace auf. Als beim Brasilianer die Kräfte nachließen, weil er in seinem Brabham-Cockpit mangels Luftzufuhr fast geröstet wurde, war die Sensation perfekt. Scheckter hängte Pace bis zur Zielflagge noch um 43 Sekunden ab.
Streit um den Doppeldiffusor
Die Formel 1-Saison 2009 begann mit Streit. Ferrari, McLaren, BMW, Red Bull und Renault liefen Sturm gegen den Doppeldiffusor von BrawnGP, Toyota und Williams. Ein Protest von BMW scheiterte an Formfehlern. Toyota wurden die Trainingszeiten gestrichen. Der Heckflügel war im Bereich der Endplatten weich wie Knetmasse. Jarno Trulli und Timo Glock starteten aus der letzten Reihe, beendeten das Rennen aber trotzdem auf den Plätzen 3 und 4. Die Konkurrenz schob es auf den Doppeldiffusor, der BrawnGP, Toyota und Williams offenbar Flügel verlieh.
Die BrawnGP-Piloten Jenson Button und Rubens Barrichello gingen aus der ersten Startreihe ins Rennen und landeten beim Debüt des neuen Rennstalls einen Doppelsieg. „Wir sind kein echtes neues Team“ , beschwichtigte Teamchef Ross Brawn. „Die Mannschaft und die Infrastruktur gab es schon. Wir hatten ein Jahr Zeit, um das Auto mit 700 Mitarbeitern und noch mit dem vollen Honda-Budget zu entwickeln. Während Ferrari und McLaren 2008 noch bis spät in die Saison in den Titelkampf verstrickt waren, hatten wir uns seit Mai voll auf das 2009er Auto fokussiert.“
Button führte vom Start bis ins Ziel. Er achtete nur darauf, dass der Vorsprung zu Sebastian Vettel nie unter drei Sekunden fiel. Einmal passierte es doch. Der zweite Boxenstopp dauerte 13,2 Sekunden, weil der Einfüllstutzen klemmte. Der Sieger war über das Ergebnis nicht einmal überrascht: „Wir hatten im Winter noch keinen Kilometer abgespult, da wussten wir bereits, dass wir ein Siegerauto hatten. Als wir die Testzeiten unserer Gegner sahen und sie mit unseren Simulationen verglichen, fragten wir uns: Warum sind die so langsam?“
Rubens Barrichello hatte einen Leidensweg vor sich, bis er sich mit Platz 2 aus der Versenkung zurückmeldete. Der Brasilianer sackte beim Start auf Platz 7 ab und demolierte sich bei einer Feindberührung mit Mark Webber den Frontflügel und den Diffusor. Der Flügel wurde beim ersten Stopp in 21,1 Sekunden getauscht. Bis zum 4. Platz kämpfte sich Barrichello aus eigener Kraft zurück. Dann profitierte er von der Kollision zwischen Sebastian Vettel und Robert Kubica im Kampf um Platz 2. Nach dem Rennen musste der Zweitplatzierte noch eine bittere Pille schlucken. Sein schlechter Start hatte ein Getriebelager beschädigt. Der nötige Tausch bedeutete für den folgenden GP Malaysia eine Strafversetzung um fünf Startplätze.
BrawnGP als Beute von Mercedes./strong>
Die drei Premierensieger blieben nicht lange im Geschäft. Mercedes wurde 1954 und 1955 Weltmeister. Dann sperrte das Werk seine Rennabteilung zu. Es gab nichts mehr zu beweisen, und die Renneinsätze waren bei dem betriebenen Aufwand zu teuer. Die Tragödie von Le Mans 1955 spielte für den Rückzug nur eine Nebenrolle.
Bei Wolf ging es nach dem guten ersten Jahr nur noch bergab. 1978 belegte Scheckter ohne einen Sieg nur noch Platz 7 in der WM und seilte sich zu Ferrari ab. James Hunt ersetzte den Südafrikaner, warf aber mitten in der Saison das Handtuch. Sein Ersatz Keke Rosberg lag mehrfach in den Punkterängen, kam jedoch nie ins Ziel. Ende 1979 hatte Walter Wolf die Nase voll. Obwohl mittlerweile Sponsoren auf dem Auto waren, wurde die Expedition zu teuer. Wolf verkaufte das Material an das Fittipaldi-Team.
BrawnGP wurde 2010 die Beute von Mercedes. Das Team hätte noch ein Jahr auf eigenen Füßen überleben können. Dank des Notgroschens von Honda, der 2009 nicht angerührt wurde, auch dank der Ausschüttung der Rechteinhaber. Als Weltmeister stand BrawnGP rund 80 Millionen Dollar zu. Für Mercedes war es der perfekte Kauf. Man bekam für überschaubares Geld eine schlagkräftige Truppe, die inzwischen auf 450 Mitarbeiter zusammengestrichen worden war, eine funktionstüchtige Fabrik und zwei Fahrer, die Schlagzeilen versprachen. Nico Rosberg hatte schon unterschrieben, bevor Mercedes den Kaufvertrag zeichnete. Michael Schumachers Comeback war das perfekte Weihnachtsgeschenk.
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