Neue F1-Autos haben Übergewicht
Die neuen Autos haben ihre erste Bewährungsprobe bestanden. Die zehn Teams drehten am ersten Testtag zusammen mehr als 1.100 Runden. Ein großes Thema ist neben dem Aufsetzen der Autos auf den Geraden das Mindestgewicht von 795 Kilogramm. Die Teams tun sich schwer, es überhaupt zu erreichen.
Der erste Testtag von Barcelona 2022 war keiner, der massiv Schlagzeilen produzierte. Kein Unfall, kein liegengebliebenes Auto auf der Rennstrecke, keine rote Flagge. Die neuen Autos liefen bereits weitgehend kugelsicher. Die zehn Teams schafften zusammen 1.104 Runden. Das entspricht auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya einer Gesamtdistanz von 5.139 Kilometern. Nur Haas und Alfa Romeo quälten sich mit offensichtlichen Problemen. Beide bezahlten es mit einer Runden-Diät. Der US-Rennstall kam auf 43 Runden, Alfa gar nur auf 32.
Durch den Winter kam keine Mannschaft ohne Schwierigkeiten. Zu kompliziert ist die Aufgabe, die ihnen das 169 Seiten starke technische Reglement stellt. Was alle eint: Es ist für jeden – ob Groß oder Klein – mit Schweißperlen verbunden, überhaupt an das Gewichtslimit zu gelangen. Das liegt mit den neuen Autos bei 795 Kilogramm – immerhin 43 Kilo mehr als bei den alten Autos. Rund die Hälfte davon geht auf das Konto der verbesserten Sicherheit der Chassis. Vorne, hinten, und vor allem an den Seitenwänden: Überall schützen die Autos die Fahrer besser.
Das geht nicht, ohne an Gewicht zuzulegen. Ein schlechtes Wort ist deshalb nicht zu hören. Die Sicherheit steht an erster Stelle. Um bei den verschärften Crashtests nicht durchzufallen, haben sich die Teams eine Art Sicherheitspuffer eingebaut.
Keine weitere Gewichtsanpassung vorgesehen
Auch die neuen 18-Zollreifen (statt 13 Zoll) treiben das Gewicht nach oben. Selbst Top-Teams wie Mercedes müssen zugeben, Probleme damit zu haben, an die 795 Kilogramm heranzukommen. Ein Teamchef verrät uns. "Ich habe mich mal umgehört. Teilweise liegen die Autos zweistellig über dem Mindestgewicht." Heißt zehn Kilogramm oder mehr. Es wird nicht einfach sein, abzuspecken. Jedes Kilo geht ins Geld. Und das ist in Zeiten der Budgetdeckelung nicht mehr im Überfluss vorhanden.
Eine weitere Anhebung des Mindestgewichts soll derzeit nicht zur Debatte stehen. Die vielen Pfunde machen die Autos vor allem in langsamen Kurven träge. Dort liegt die neue Fahrzeuggeneration offenbar deutlich hinter der alten zurück. Ein anderes Problem, das sich mit den neuen Autos abzeichnet, was aber weniger mit dem Gewicht zu tun hat, ist das Aufsetzen auf den Geraden.
Praktisch jedes Auto hoppelte am ersten Testtag über die Vollgaspassagen. "Nur der McLaren hatte keine Probleme mit Pendelbewegungen", stellte Mercedes-Teamchef Toto Wolff fest. "Sie sind aber auch die ganze Zeit mit offenem DRS gefahren. Das lindert die Schwierigkeiten." Dafür gibt es einen Grund. Mit der Rückkehr des Ground Effects generieren die Autos umso mehr Anpressdruck, je schneller sie fahren. Auf den Geraden wird die Luft in den Kanälen im Unterboden besonders stark beschleunigt. Da hilft ein geöffneter Heckflügel, um das Heck zu entlasten. Weil es Abtrieb kostet. Das Auto wird auf der Hinterachse also nicht so stark auf den Boden gedrückt.
Gewicht und Aufsetzen als Themen
Die genannten Probleme könnten die Teams die Saison über beschäftigen. Noch kennt keiner sein neues Auto mit einer ganz anderen Aerodynamik-Philosophie als früher. Noch hat keiner das passende Setup gefunden. Es zeichnet sich aber bereits ab, dass es die Kunst sein wird, das Fahrwerk möglichst weit abzusenken und auf hart zu stellen, um den Abstand zum Asphalt kleinzuhalten. Damit sind die Kanäle im Unterboden besser versiegelt. Es kann weniger Luft von der Seite eindringen.
Wer aber zu tief einstellt, schlägt mit dem Unterboden auf. Und zerstört sich womöglich nicht nur den. Vor allem beim Überfahren von Randsteinen und auf Strecken mit Bodenwellen könnte es ungemütlich werden. Bei den Testfahrten in Barcelona sind alle Teams knapp mit Ersatzteilen. Erstens weil es ohnehin ein Kraftakt war, die neuen Autos rechtzeitig fertigzustellen. Zweitens, weil man sich unnötige Kosten sparen möchte. Unter dem Budgetdeckelung baut man von einer Spezifikation, die ohnehin nur für die Tests vorgesehen ist, so wenige Teile wie möglich. McLaren-Teamchef Andreas Seidl gibt zu. "Bei uns kam ein zweiter Frontflügel erst heute an." Das Geld spart man sich lieber, um mehr Upgrades unter der Saison nachzuschieben.